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Nur mit Ausgehbescheinigung: Lebensmitteleinkauf in Frankreich

Die Regale sind voll, die Stimmung ist gedrückt: Nur mit Formular darf man in Frankreich zum Einkaufen aus dem Haus. Die Ausgangssperre wird rigide überwacht. Momentaufnahmen aus Supermärkten an der Atlantikküste.

Griff-Desinfektion am Beginn des Kundenlaufs: Einkaufen in Corona-Zeiten in einem französischen Supermarkt.
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Von Martina Kausch | Fotos: Kausch

Der Marktleiter greift selber ein. Sein Supermarkt im bretonischen Penestin ist der einzige im Umkreis von 20 Kilometern, der an diesem Donnerstag nach dem 17. März öffnen wird – um 9 Uhr. Eine Viertelstunde vorher bildet sich eine Schlange vor dem Glastüren-Eingang, die deutlich länger ist als sonst. Kein Wunder, denn auch hier heißt die Devise: Corona-Abstand halten. Also steht man weit auseinander und so mancher platziert seinen Einkaufswagen als deutliches Bollwerk des persönlichen Virenschutzes.

Der Marktleiter schaut auf den Parkplatz, ob die Distanz gewahrt wird. Später im Markt weist er seine Kunden persönlich auf die Corona-Regeln hin, kaum nähern sich zwei Kunden zu unvorsichtig der Selbstwiegekasse.

Strikte Ausgangssperre

Lebensmittel einkaufen in Frankreich – in dem Land, in dem private Esskultur, Restaurantbesuche und die Qualität sowohl bei Grundnahrungsmitteln als auch bei Convenience vielerorts eine größere Rolle spielen als in Deutschland – das unterscheidet sich in vielem von der Situation in Deutschland. Am 16. März verkündete Staatspräsident Emmanuel Macron eine Ausgangssperre ab 17. März, die auch deswegen strikter ist als hierzulande, weil jedes Verlassen der Wohnung schriftlich begründet werden muss. Eine aus dem Internet downloadbare Ausgehbescheinigung muss jeder mit sich tragen, wenn er zum Einkaufen geht, denn sich mit notwendigen Lebensmitteln und Medikamente zu versorgen gilt als einzig erlaubter Grund, aus dem Haus zu gehen, abgesehen vom Gang zur Arbeit und zum Arzt.

Also: Formular herunterladen, ausdrucken, ausfüllen, Adresse und Datum angeben. Die Unterschrift macht das DIN A4-Blatt zum offiziellen Dokument, das Gendarmen bei der Überprüfung als erstes verlangen. Und überprüft wird die Einhaltung der Vorschriften rigoros, zumal selbst Sport kein ausreichender Grund ist, um aus dem Haus zu gehen. Da in Frankreich das Flanieren an der Seine-Promenade in Paris ebenso wie an Meeresstränden beliebt ist, sind aktuell alle Promenaden, Strandwege und auch die Strände an sich gesperrt. Tatsächlich sieht man sich schnell autoritär auftretenden Gendarmen und einer Strafe von 135 Euro gegenüber.

Städte verwaist, Supermärkte voll

Diese Maßnahmen zeigen Wirkung. Die Städte verwaist, die Autobahnen samt Tankstellenshops leer – und die Supermärkte voll. Bereits am Eingang der Filialen stehen Mitarbeiter der Märkte mit Mundschutz, Handschuhen und Reinigungsspray. Sie nehmen dem Kunden mit freundlichem Ton den gerade aus der Box entsperrten Einkaufswagen aus der Hand, um die Griffe zu desinfizieren und behandeln die Hände gleich noch mit. Vielerorts achten Mitarbeiten am Eingang auch darauf, dass nicht zu viele Menschen im Markt sind – Warten ist angesagt. Vor Bedientheken und Waagen zeigen auf den Boden geklebte Maßeinheiten den gewünschten 150-Zentimeter-Abstand an, wer anderen Kunden oder Mitarbeitern zu nahe kommt, wird zur Distanz gemahnt. Die Regale sind so prächtig gefüllt wie eh und je, lediglich nachmittags klaffen bei einigen Couscous- und Pastasorten oder Gemüse- und Fertiggericht-Dosen Grifflücken.

Und wie sieht es mit dem Hamstern aus? Großeinkäufe sind zum Wochenende oder zu Wochenbeginn sowieso üblich. Gerade am Montag haben kleine Fachhändler, Gemüsegeschäfte und Metzgereien als Ausgleich für die Samstagsöffnung geschlossen, sodass die Kunden ihren Bedarf hier im Supermarkt decken müssen. Hamstern ist kaum zu beobachten, Hygienepapiere und (desinfizierende) Putzmittel einschließlich des berühmten Eau de Javel sind ausreichend vorhanden. An den Kassen staut es sich in Filialen von Frankreichs großen Lebensmittel-Handelsketten sowieso fast immer, das ist für Franzosen selten Grund für Unzufriedenheit. Nun dauert das Kassenprocedere eventuell drei Minuten länger, weil die Kassiererin das Kassenband immer wieder mit Spray desinfiziert und auch den Kugelschreiber, den Kunden für Scheck-Unterschriften benutzen, gründlich putzt. Um die Kassenkräfte selbst physisch vor Tröpfcheninfektionen zu schützen, brauchte man auch in Frankreich einige Tage. Dann sind an allen Kassen Plexiglasscheiben montiert und mitarbeiterweit ist Mundschutz gewährleistet.

Tankstellen-Shops im Ausnahmezustand

Ein trauriges Angebotsbild zeigt sich beim Lebensmitteleinkauf höchstens, weil die vielen Boutiquen, die mancherorts in unmittelbarer Nähe zum Mode- und Kosmetik-Shopping locken, geschlossen sind. Und an Autobahn-Tankstellen, in denen es Kaffee nun fast ausschließlich nur noch an Automaten gibt, Presseregale aus Hygienegründen leergeräumt sind und man sich zum Verzehren des To-go-Produkts nicht innen aufhalten darf. Aber angesichts der Ausgangssperre fährt sowieso kaum jemand auf der Autobahn. Ausnahme: Fernfahrer. Für die aber gibt es an mancher „Tanke“ ein besonders Angebot: Ein frisches, knuspriges Baguette und die 1,5 Liter-Wasserflasche für zwei Euro. Luxuriös oder spartanisch?

Griff-Desinfektion am Beginn des Kundenlaufs: Einkaufen in Corona-Zeiten in einem französischen Supermarkt.
Angesichts der durch Ausgangssperre leeren Autobahnen gibt es in Tankstellenshops für Fernfahrer besondere Angebote.
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Wer in Frankreich zum Einkaufen in Corona-Zeiten seine Wohnung verlässt, muss eine schriftliche Bescheinigung mit sich führen.
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