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RUNDSCHAU Round Table AfG: „Der Druck kommt aus dem Handel“

Am Ende kommt es immer auf das richtige Maß an: Doch wo liegt die sinnvolle Schnittmenge zwischen Angebotsvielfalt in Richtung Konsumenten und „Belastbarkeit“ der Regale? Eine Herausforderung, mit der die Warengruppe Alkoholfreie Getränke derzeit kämpft. Hinzu kommt der Konkurrent aus dem Hahn: Denn die Debatte um Leitungswasser schwelt weiter. Wir haben nachgefragt.

Round Table, AfG, Gespräche, Diskussion, Rundschau, Medialog
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Von Alexandra Stojic

Die Wasserbranche lebt aktuell auf: Welche Trends befeuern den Markt?
Horn:
Was wir als Trend sehen, ist das Thema Transparenz. Und bei uns im Bio-Bereich sind leichte Schorlen unerlässlich.
Fritz:
Heute kann sich keiner mehr dem Thema Nachhaltigkeit entziehen. Erfreulicherweise nimmt der Wasserkonsum insgesamt zu. Auch das ist ein Trend.
Wiegert:
Authentizität ist wichtig, natürlich auch gerade für die kleineren Anbieter.
Schwalber:
Auch Mobilität ist ein großes Thema, das heißt Kleinformate. Ein weiteres wichtiges Thema ist Gesundheit: Was man trinkt ist genauso wichtig wie die feste Nahrung.
Bisewski:
Die Versuche, sich nur auf Wasser zu konzentrieren, haben einige Hersteller hinter sich. Aber gerade, wenn man Jüngere ansprechen will, geht der Weg über die Erfrischungsgetränke.
Lebok:
Wasser wird weiter im Trend liegen – im Gegensatz zu Bier. Wasser wird jederzeit getrunken – ganz gleich, wie das Wetter ist, unabhängig von Saisonaleffekten.

Wie meinen Sie das?
Bisewski: Bei Erfrischungsgetränken strahlen einige Getränkegattungen eine große Anziehungskraft aus. Das heißt doch: Wer den Verbraucher von morgen erreichen will, hat hier die ideale Plattform.

Ist das das Ende des Standardsortiments?
Wolters: Richtig Freude mit der Entwicklung des Standardsortiments wird keiner haben, weil der Kunde eine zu große Auswahl hat.
Schwalber: Wo früher ein Teenager eine Limo getrunken hat, trinkt er heute ein Energy. Deswegen sage ich: Innovationen sind wichtig.

Wie könnte so eine Innovation aussehen?
Schwalber: Die abgedrehteste Geschmacksrichtung wird es jedenfalls nicht sein.

Sondern?
Schwalber:
Wir sollten auf Qualität setzen, um Wertschöpfung im Markt zu ermöglichen.
Schweitzer: Und auf Nachhaltigkeit und das Thema „weniger Zucker in Getränken“.
Macioszek: Es gab Sortimentsausweitungen, die in den Preiseinstieg gegangen sind. Derzeit geht alles in den Bereich Premium. Aber der Handel entscheidet über die Sortimente.

Fühlen Sie vor, was der Handel möchte?
Macioszek:
Wir gehen davon aus, dass der Handel das möchte, was Verbraucher möchten, und beschäftigen uns mit deren Bedürfnissen.
Wolters: Wir richten unsere Produkte nicht nach dem Handel aus. Wir machen keine Limo, wir machen kein Wasser mit Zusatz.

Das hört sich an, als würde es auf eine Angleichung im Regal hinauslaufen.
Bisewski: Ich glaube nicht, dass ein Hersteller plötzlich anfängt, Energydrinks zu produzieren, obwohl die nicht zu seiner Marke passen.
Wolters: Aber wenn jeder Mineralbrunnen in Deutschland den naturellen Markt besetzt, dann steigt die Sortimentsbreite.

Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Horn: Die Vielfalt lässt sich reduzieren, wenn sich jedes Unternehmen überlegt, wo die eigenen Stärken liegen.
Schneider: Der Druck wird vom Handel kommen. Wir sehen eine Vergrößerung der Produktvielfalt in fast allen Warengruppen. Und der Handel wird feststellen, dass diese Vielfalt schwer zu stemmen ist.

Wie kann diese Hürde Ihrer Meinung nach überwunden werden?
Schweitzer:
Die Herausforderung besteht doch darin, die Sortimentskomplexität einerseits in den Griff zu bekommen und gleichzeitig alle wichtigen Segmente anzubieten.
Lebok: Ein Fehler vieler Brunnen ist es, dem Handel nachzulaufen. Wer als Marke seinen Fokus verliert, wird zum Spielball.
Fritz: Ich habe da andere Erfahrungen. Wir sind mit dem Handel in gutem Dialog. Im Gegenteil: Wir werden sogar gefragt, welche neuen Produkte wir in petto haben.

Wir haben vor zwei Jahren beim Round Table über Heil- und Bio-Wasser gesprochen. Was hat sich in dieser Zeit getan?
Macioszek: Unser Ende 2015 eingeführtes Heilwasser ist erfolgreich gestartet. Eine Bio- Kennzeichnung steht für uns nicht im Fokus.
Schweitzer: Für uns ist die Bio-Zertifizierung eine unternehmensstrategische Entscheidung. Die Marktbearbeitung orientiert sich aus der Notwendigkeit der einzelnen Marken heraus.
Horn: Aber warum ist dann ein Produkt Bio und das andere nicht, obwohl es aus dem gleichen Unternehmen kommt?
Schweitzer: Für den Verbraucher eines hoch mineralstoffreichen Mineralwassers ist das Thema Bio nicht so relevant wie beispielsweise für eine werdende Mutter.

Also ist das Wort Bio dann mehr ein Marketinginstrument?
Schweitzer: In der Konsumentenansprache heben wir das Thema Bio bei den Marken hervor, wenn es Sinn macht.
Horn: Also für uns ist Bio eine klare und konsequente Wertehaltung, die in allen unseren Produkten zum Ausdruck kommt.
Bisweski: Hier geht es aber auch ein bisschen um Verbraucherführung. Ich glaube, es gibt keinen Verbraucher, dem Bio unwichtig ist.
Lebok: Meiner Meinung nach ist die Haltung für die Markenführung zentral.
Wiegert: Wir gehören zu den Kleineren, die in der glücklichen Rolle sind, wenige Marken zu führen – daher können wir das Thema Bio auch ganz entspannt angehen.

Aber in vielen anderen Branchen treiben gerade die kleineren Player die größeren an. Sehen Sie das bei AfG auch so?
Schweitzer: Coca-Cola hat ja vor einiger Zeit die Sorte Life vorgestellt. Wenn der Stern aufgegangen wäre, dann wären heute alle mit einem ähnlichen Produkt am PoS.
Wolters: Aber Coca-Cola schafft Platzierungen. Die werden nicht in der Produktrange innovativ, sondern in ihrer Vermarktungsstrategie.
Schneider: Coca-Cola hat die recht erfolgreiche Marke Vio mit dem Thema Bio verbunden. So wie ich das im Moment sehe, entwickelt sich das auch ganz gut am Markt.

Was glauben Sie, woran das liegt?
Wolters: Weil sie den Fokus auf die Marke Vio legen und Apollinaris total vernachlässigen.
Bisewski: Ich glaube, da ist auch die Zusammenarbeit mit dem Handel gefragt und die Aufgabe, die Kategorie attraktiv zu halten.

Was würden Sie sich in diesem Punkt vom Handel wünschen? Bisewski: Vor allem, dass wir aus dem Kategoriegedanken herauskommen und Konzepte darstellen müssen.
Schneider: Man muss seine Marke konsequent führen, und wenn man mit dem Handel spricht, die Kategoriesicht mit einbringen.
Bisewski:
Underberg hat zum Beispiel an den Kühltruhen Platzierungen gespielt. Aber am Ende hat das nicht funktioniert.
Wolters: Der Unterschied zwischen den Platzierungen von Coca-Cola und Underberg ist die größere Käuferschicht von Soft getränken.
Macioszek: Aber wir müssen uns um die Coca- Cola-Strategie keine Sorgen machen. Ich kann auch keine Ausdörrung des PoS feststellen.
Schwalber: Ich glaube auch, dass wir immenses Potenzial im Getränkebereich haben.

Wie kann dieses Potenzial Ihrer Meinung nach genutzt werden?
Schwalber:
Indem wir Trends aufgreifen und in Konzepte übersetzen, die dem Handel am PoS weiterhelfen.

Böse Zungen könnten behaupten: Wasser ist gleich Wasser. Welche Innovation können wir denn da noch erwarten?
Wolters:
Ich muss überzeugende Argumente haben, warum mein Wasser dem Konsumenten Vorteile bringt.
Lebok: Es gibt auch deutliche Unterschiede zwischen den Generationen. Babyboomer und Gen X gehören noch einer Generation der Kistenschlepper an. Nun folgt mit der Generation YZ eine ganz andere Trinkgeneration.
Wolters: Ich glaube, dass jüngere Verwender von Mehrweggebinden und Glasgebinden überzeugt sind, weil sie hochökologisch sind.
Biesewski: Na ja, hochökologisch. Aber bitte nur im Umkreis von vielleicht 150 Kilometern.
Fritz: Die Abfüllung der Glasfl asche allerdings als ökologisch zu bezeichnen, ist an sich schon ein forschungsspezifi scher Irrtum. Es ist ein Luxus, Wasser in Flaschen abzufüllen.

Kennen Verbraucher überhaupt die Qualitätsunterschiede zwischen Leitungswasser und Mineralwasser?
Schweitzer:
Viele wissen nicht, wie unterschiedlich die Stift ung Warentest Leitungswasser und Mineralwasser getestet hat.
Fritz: Das ist ein gutes Stichwort. An der Qualität von Leitungswasser wird wenig gezweifelt. Nur die Wenigsten wissen, dass die Alternative aus dem Hahn gar nicht so gesund ist, wie es vermittelt wird.
Schweitzer: Es geht ja darum, dass der Verbraucher in die Irre geführt wird. Leitungswasser wird ja geradezu empfohlen.

Was kann die Wasserindustrie Ihrer Meinung noch tun, um das Image von Mineralwasser zu fördern?
Fritz:
Wenn es uns nicht gelingt, die Konsumenten aufzuklären und sie für uns zu begeistern, werden wir Marktanteile verlieren. Wenn nicht an Soda Stream, dann aber an Leitungswasser.
Schwalber: Wir müssen den Unterschied zwischen Mineralwasser und Leitungswasser deutlich machen. Wir haben eine Klientel, die sich zunehmend mehr Gedanken macht.
Wolters: Genau: Denn eigentlich ist alles ganz einfach. Die Formel lautet: Verstehe deinen Kunden und verstehe sein Kaufmotiv.

Welches Kaufmotiv meinen Sie?
Wolters:
Ich gebe mal ein Beispiel, obwohl das jetzt nicht unsere Marke betrifft. San Pellegrino hat seinerzeit bei Plus die 1,25-Liter- PET-Flasche für 0,59 Euro verramscht. Richtigerweise hat man diesen Fehler korrigiert.

Herr Wiegert, Sie nutzen andere Tools, um Verbraucher anzusprechen.
Wiegert:
Das ist richtig. Es gibt unterschiedliche Kooperationstools bei uns.

Welche?
Wiegert:
Wir arbeiten mit Herstellern zusammen, die ausschließlich Glasmehrweg machen. Die können das Logo nutzen, müssen in die Vermarktung einzahlen und wir kommunizieren die Produkte in einem jungen Feld.
Schweitzer: Da sieht man aus meiner Sicht schon einen der Ansätze, diese schwierige Aufgabe zu lösen. Das geht nicht mit dem Zeigefinger und nicht als Moralapostel.

Wie sehen Sie das, Herr Fritz?
Fritz:
Da bin ich bei Herrn Schweitzer. Ich bin der Meinung, wir müssen niemanden belehren, dass er kein Leitungswasser trinkt. Wir können nur die Unterschiede aufzeigen und uns durch Aufklärung abgrenzen.
Schwalber:
Grundsätzlich ist es doch gut, wenn Menschen Wasser trinken. Ich würde eher zusehen, wie wir die Vorteile von Mineralwasser kommunizieren können. Und wenn wir das verstärkt tun, dann haben wir auch wirklich eine Chane.
Horn: Ich glaube, die Branche braucht auch eine andere Art der Kommunikation als bisher. Es geht um Transparenz, Glaubwürdigkeit und vor allem darum, dass wir die Botschaft en und auch die Bedürfnisse der Verbraucher wirklich ernst nehmen.

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Foto: Heiko Rhode
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Susanne Horn (l.), Chefin von Neumarkter Lammsbräu, setzt konsequent auf Bio. „Jeder muss auf seine eigene Stärke setzen“, sagt sie. Foto: Heiko Rhode
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Susanne Horn (l.), Chefin von Neumarkter Lammsbräu, setzt konsequent auf Bio. „Jeder muss auf seine eigene Stärke setzen“, sagt sie. Foto: Heiko Rhode
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Christoph Bisewski fordert mehr Zusammenarbeit mit dem Handel: „Wir müssen die Kategorie gemeinsam attraktiv halten.“ Foto: Heiko Rhode
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Christoph Bisewski fordert mehr Zusammenarbeit mit dem Handel: „Wir müssen die Kategorie gemeinsam attraktiv halten.“ Foto: Heiko Rhode
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Ehemaliges Start-up trifft Großkonzern: Launige Unterhaltung zwischen Mirco Wiegert (Fritz Kola, l.) und Gerhard Schwalber (Nestlé Waters). Foto: Heiko Rhode
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Ehemaliges Start-up trifft Großkonzern: Launige Unterhaltung zwischen Mirco Wiegert (Fritz Kola, l.) und Gerhard Schwalber (Nestlé Waters). Foto: Heiko Rhode
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Gerolsteiner konzentriert sich auf sein neues Segment Heilwasser. Marcus Macioszek: „Eine Bio- Kennzeichnung steht für uns nicht im Fokus.“ Foto: Heiko Rhode
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Gerolsteiner konzentriert sich auf sein neues Segment Heilwasser. Marcus Macioszek: „Eine Bio- Kennzeichnung steht für uns nicht im Fokus.“ Foto: Heiko Rhode
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Ullrich Schweitzer (r.) fordert transparente Tests für Leitungswasser und Mineralwasser. Hier werde Irreführung betrieben. Foto: Heiko Rhode
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Ullrich Schweitzer (r.) fordert transparente Tests für Leitungswasser und Mineralwasser. Hier werde Irreführung betrieben. Foto: Heiko Rhode
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Diskutieren über das Thema Gebinde: Heiner Wolters (l.) sagt: „Glasflaschen sind hochökologisch.“ Thomas Fritz hält Glas für Luxus. Foto: Heiko Rhode
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Diskutieren über das Thema Gebinde: Heiner Wolters (l.) sagt: „Glasflaschen sind hochökologisch.“ Thomas Fritz hält Glas für Luxus. Foto: Heiko Rhode

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