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RUNDSCHAU Round Table Spirituosen: Die neue Unbeschwertheit

Die starke Nachfrage nach hochwertigen sowie nach leichten Spirituosen prägt zurzeit die Branche. Gleichzeitig bevorzugen immer mehr Konsumenten fertige Mixgetränke. Was diese Trends für Handel und Industrie bedeuten, hat unsere Expertenrunde lebhaft diskutiert.

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Von Mirko Jeschke | Fotos: Heiko Rhode

THESE 1: LEICHTER GENUSS

Die Nachfrage nach leichten Spirituosen/ weinhaltigen Getränken wird zunehmen.

Helmut Knöpfle: Wenn Aperol Spritz dazuzählt, dann ist das auf jeden Fall so. Wir haben in diesem Jahr erneut einen erfreulich hohen Absatz an Aperol, was die Beliebtheit dieses Drinks deutlich zeigt. Also der Trend zu leichteren Spirituosen ist klar vorhanden.

Mario Kappes: Dieses Trinkverhalten im jüngeren Segment ist aber nicht neu. Erinnern wir uns an Bacardi Breezer, Rigo und Co. Es ging schon immer um Mixgetränke und um leichtere Getränke. Das Beispiel Aperol Spritz zeigt, dass der Trend inzwischen ein erwachseneres Publikum erreicht hat. Vielleicht ist er auch eine Antwort auf den zunehmenden Mixologen- Trend. Denn der normale Konsument möchte auch einfach mal zu Hause genießen, ohne dass ihn jemand über Botanicals oder Tonic im Gin aufklärt. Die Leichtigkeit des Trinkens ist sicher ein großer Treiber.

Torben Jansen: Wahrscheinlich geht es auch um die Leichtigkeit des Mixens – das unkomplizierte Kreieren von Drinks. Mangaroca Batida de Côco hat in den letzten zwei Jahren enorme Wachstumsraten erzielt, die unter anderem auch aus dieser Einfachheit resultieren.

Daniel Soumikh: Wir stehen uns im Segment Gin oft selbst im Weg, weil wir alle glauben, unsere Produkte ins perfekte Licht stellen zu müssen. Inzwischen hat der Konsument schon fast Angst, etwas falsch zu machen, und lässt es lieber sein. Deshalb versuche ich in Verkostungsrunden immer zu vermitteln, Dinge auszuprobieren. Nach dem Motto: Nichts ist verkehrt, solange es euch schmeckt.

Tjalling Simoons: Wir beobachten, dass der Aperitif wieder beliebter wird und Anlässe dazu stärker wahrgenommen werden. Konsumenten gehen dazu über, auch am Tag, zum Mittagessen oder am Nachmittag, einen leichten Drink zu sich zu nehmen. Davon profitieren Marken wie Martini, die mit Tonic Water als leichter Aperitif genossen werden können.

Bettina Lambert: Auch Lillet hatte in den letzten Jahren ein Riesen-Momentum. Generell lassen sich weinhaltige Drinks bzw. Weinschorlen gut als leichtere Drinks platzieren. Die Trinkanlässe verändern sich allerdings stark. Zudem wächst eine Generation heran, die eher leichtere Alkoholvarianten bevorzugt. Das wird für uns als Industrie die größte Herausforderung sein, hier das richtige Portfolio anzubieten.

Stephan Susen: Im Grunde ist mit Aperol ja der Vorläufer des Daydrinking entstanden. Und inzwischen ist das ein großes Thema geworden. Für viele gibt es doch nichts Schöneres, als bei Tageslicht in Maßen zu trinken. Neben den sich verändernden Trinkanlässen ist aber der riesige Umbruch in der Gastronomie fast der noch größere Trend als der Megatrend Gesundheit.

Michael Glück: Ich stelle fest, dass viele junge Menschen nicht mehr die starken Alkoholika trinken, sondern sie nehmen das alles ein bisschen leichter. Weil es auch darum geht, mit einem alkoholfreien Drink an der Straße zu sitzen und dann mit dem Auto wegzufahren. Auch bei Bier geht die Tendenz klar zu Alkoholfrei. Es ist nicht mehr zwingend erforderlich, bei einer Party betrunken nach Hause zu gehen. Das hat die Jugend verstanden.

Christoph Knoke: Ich sehe hier zwei gegenläufige Entwicklungen. Auf der einen Seite ist es so, dass einige die vielfältigen Möglichkeiten beim Mixen besonders genießen und sich dadurch auch profilieren. Auf der anderen Seite gibt es den Ansatz, dem Konsumenten die Entscheidung abzunehmen und es für ihn einfach zu machen, also das richtige Mixgetränk ins Regal zu stellen.

Kappes: In einen Gin Tonic muss man auch nichts mehr zusätzlich hineingeben. All diese Vielfalt an Tonics wird irgendwann wieder abnehmen und sich auf drei, vier relevante Player reduzieren, die zu jedem Gin passen. Ich rate jedem Verkäufer davon ab, Empfehlungen auszusprechen, welcher Tonic zu welchem Gin passt. Damit schaff en wir uns in den Bars schon natürliche Feinde.

Soumikh: Einer der meistverkauft en Artikel neben unserem Gin und den Tonics ist überraschenderweise der Jigger. Die Leute haben also wirklich Angst, etwas falsch zu machen, und fragen deshalb nach, in welchem Verhältnis sie mischen müssen.

Jansen: Einerseits wollen die Konsumenten mehr über das Produkt erfahren, über die Herstellung und Herkunft. Andererseits wünschen sie sich Einfachheit zu Hause, das heißt es darf nicht zu komplex werden.

Knoke: Eine Frage ist auch, welchen Marktanteil wir alkoholfreien Spirituosen zutrauen.

Susen: Das wird eine Nische bleiben. Wer wegen des vielen Alkohols keine Spirituose trinken will, hat genügend Ausweichmöglichkeiten. Alkoholreduzierte Spirituosen werden eher ein Thema sein. Damit sind junge Leute immer noch cool und können Auto fahren.

Kappes: Der Stolperstein für die alkoholfreie Spirituose ist im Moment das Preisniveau. Denn jeder fragt, warum er 30 Euro für den halben Liter zahlen soll, obwohl der Hersteller keine Spirituosensteuer zahlt. Das ist nicht nachvollziehbar. Essenzen kann man auch anders gewinnen, etwa aus Ölen.

Lambert: In Großbritannien ist das Thema Low ABV (Low Alcohol by Volume) schon angekommen, und die Konsumenten fragen solche Spirituosen mit reduziertem Alkoholgehalt nach. Auch hierzulande gibt es in der Generation Z viele, die daran interessiert sind. Nur sind denen die Produkte teils noch zu teuer.

Simoons: Das spiegeln ja auch die IRI-Zahlen wider. Nur etwa fünf Prozent des Volumens entfällt auf Spirituosen über 15 Euro, also Premium, Super-Premium und Ultra-Premium.

THESE 2: PREMIUMTREND

Durch eine immer besser informierte, genussorientierte Zielgruppe wird sich der Premiumtrend verstärken.

Soumikh: Über Jahre hat sich beim Verbraucher sehr viel Halbwissen angesammelt, was manchmal extrem anstrengend ist. Wenn die Leute vor dem Probieren fragen, wie viel Botanicals im Gin sind,...

Die komplette Diskussionsrunde des Round Table Spirituosen finden Sie in unserem <link https: www.rundschau.de fileadmin user_upload epaper ru-2019-11>E-Paper.

V.l.n.r.: Daniel Soumikh (Tonka Gin), Mario Kappes (Borco), Dr. Stephan Susen (Berentzen), Helmut Knöpfle (Campari), Christoph Knoke (IRI), Michael Glück (Rewe Glück), Tjalling Simoons (Bacardi), Bettina Lambert (Pernod Ricard), Torben Jansen (Henkell), Mirko Jeschke (RUNDSCHAU).
Mario Kappes (Borco) bemängelt, dass es in den Wein- und Spirituosenabteilungen viel zu wenig Fachverkäufer gibt.
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Christoph Knoke, Geschäftsführer IRI Deutschland, stellt der Runde die aktuellsten Zahlen aus der Spirituosenbranche vor.
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Helmut Knöpfle (Campari) kann bestätigen: Der Trend zu leichteren Spirituosen ist klar vorhanden.
Helmut Knöpfle (Campari) kann bestätigen: Der Trend zu leichteren Spirituosen ist klar vorhanden.
Torben Jansen (Henkell) ist davon überzeugt, dass es auch darum geht, einfache Botschaften zu vermitteln, die der Konsument versteht.
Torben Jansen (Henkell) ist davon überzeugt, dass es auch darum geht, einfache Botschaften zu vermitteln, die der Konsument versteht.
Tjalling Simoons (Bacardi) äußert sich auch selbstkritisch und verweist darauf, dass die Industrie viele Basics nicht ausreichend erklärt.
Tjalling Simoons (Bacardi) äußert sich auch selbstkritisch und verweist darauf, dass die Industrie viele Basics nicht ausreichend erklärt.
Category Management: Stephan Susen (Berentzen) ist von der Ordnung im Spirituosenregal wenig begeistert.
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Michael Glück (Rewe Glück) ist überzeugt: "Wir müssen den Kunden den Geschmack auf die Zunge legen."
Michael Glück (Rewe Glück) ist überzeugt: "Wir müssen den Kunden den Geschmack auf die Zunge legen."
Laut Daniel Soumikh ist der zunehmende Perfektionismus im Gin-Segment schuld daran, dass Konsumenten inzwischen verunsichert sind.
Laut Daniel Soumikh ist der zunehmende Perfektionismus im Gin-Segment schuld daran, dass Konsumenten inzwischen verunsichert sind.
Laut Bettina Lambert muss die Industrie für eine junge Generation, die eher leichtere Spirituosen bevorzugt, das richtige Portfolio anbieten.
Laut Bettina Lambert muss die Industrie für eine junge Generation, die eher leichtere Spirituosen bevorzugt, das richtige Portfolio anbieten.

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