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Angebotskommunikation: Digital im Höhenflug?

Wie funktioniert Angebotskommunikation, nachdem Rewe mit Verve das Aus der gedruckten Handzettel verkündet hat? Laut Forschung und Handel gilt aktuell: Hybrid zählt, die Kunden informieren sich auf vielen Kanälen.

Von Sibylle Menzel, Interview: Martina Kausch | Fotos: Adobe Stock/ studio v-zwoelf

Das Ende einer Handelstradition betitelte Rewe Mitte letzten Jahres vor allem als Beitrag zur Nachhaltigkeit: Der Verzicht auf eines der ältesten Werbemedien der Branche, das wöchentlich erscheinende Angebotsprospekt, spare Tonnen von Papier, CO2 und Wasser ein sowie Millionen Kilowattstunden Energie (s. Info S. 24). Kunden können sich seit 1. Juli 2023 also digital oder in klassischen Medien wie Tageszeitungen, Radio oder Fernsehen über die Wochenangebote informieren.

Der digitale Weg kommt gut an – bereits bei der frühzeitigen Ankündigung zur Abschaffung des Papierprospektes im Jahr 2022 sei ein „sehr starker Anstieg“ bei den Downloads der Rewe-App sowie den Newsletter-Abos und des Digitalprospekts per Whats-App verzeichnet worden.

Nach dem aktuellen Umfrageergebnis der Marktforscher von POSpulse zur Aktivierung am PoS geben Kunden dem Papierprospekt allerdings gegenüber allen anderen Werbeformen den Vorrang: 62,5 Prozent der Befragten informieren sich über Werbeflyer und -prospekte über aktuelle Angebote und Aktionen. Auf Platz zwei liegen Smartphone-Apps (53,6 %), Social-Media-Kanäle rangieren bei der Umfrage erst auf dem fünften Platz (23 %).

Das plant der Handel 

Laut Stellungnahme von Aldi Nord bleibt die Angebotswerbung des Discounters vorerst zweigleisig: „Das Aldi-Magazin ist für unsere Kundschaft weiterhin ein wichtiger und fester Bestandteil der Einkaufsplanung.“ Zugleich betont der Discounter, verstärkt auf digitale Prospekte zu setzen, um Kunden an eine nachhaltige Nutzungsform heranzuführen. Kunden haben die Wahl und können sich ebenso per WhatsApp über das wöchentlich wechselnde Angebots- und Aktionssortiment informieren.


"Wir orientieren uns an den Wünschen unserer Kunden, die heute noch überwiegend den Handzettel bevorzugen."

Lidl


Bei Lidl werden die Verteilgebiete für die Haushaltshandzettel kontinuierlich geprüft und angepasst: „Dabei orientieren wir uns an den Wünschen unserer Kunden, die auch heute noch überwiegend den Handzettel bevorzugen“, so das Statement. Digitale Kanäle werden jedoch gepusht: Zu Weihnachten gab es etwa attraktive Angebote über die Printausgaben ‒ wer hingegen die Lidl- Plus-App nutzte, profitierte noch weitaus mehr. 

Angebotswerbung per Handzettel ist für Globus weiterhin wichtig, sagt Sigrun Löffelholz, Leiterin Marketing bei den Globus Markthallen. „Was sich in den vergangenen Jahren aber rasant geändert hat, ist die Gewichtung von Print- hin zur digitalen Angebotskommunikation.“ Zu den Gründen zählen unter anderem das geänderte Informationsbedürfnis der Kunden sowie der Nachhaltigkeitsaspekt.

Prognose: „Wir erleben eine deutliche Steigerung der App-Downloads und der aktiven App-Nutzer. Das wird sich unseres Erachtens auch weiter positiv entwickeln.“ Florian Reinartz, CCO bei Bonial, nach eigenen Angaben Marktführer der digitalen Angebotskommunikation, beobachtet: „Menschen lieben gute Angebote. An diesem Bedürfnis hat sich nichts geändert. Die Art und Weise wie sie zu ihren Lieblingsangeboten gelangen, ändert sich hingegen massiv. Dieser Wandel ist in vollem Gange und die Zukunft der Angebotskommunikation gehört den digitalen Medien. Mit der App „kaufDA“ bieten wir Händlern und Markenherstellern die zeitgemäße und zukunftsorientierte Plattform für reichweitenstarke und wirkungsvolle Angebotswerbung.”

Einen Monat nach Start meldet Netto im November letzten Jahres die positive und schnelle Entwicklung seiner digitalen Kundenkarte, der Netto+ App. Über 125.000 Downloads in den verschiedenen App-Stores seien erreicht worden. Die intensive Nutzung zeige sich lvor allem an den Kassen der Netto-Märkte. Aldi Süd, ebenfalls verstärkt im Bereich des digitalen Handzettels engagiert, erkennt bei seinen Kunden in Zeiten knapper Geldbeutel das Bedürfnis nach Vergleichsmöglichkeiten ‒ am besten in Papierform. 
 


"Gerade in der aktuellen Zeit erwarten viele Kunden gezielt die Prospektzustellung, um sich zu informieren, wo sie günstig kaufen können."

Aldi Süd


Perspektive digitaler Werbung

Die Beobachtung deckt sich mit der EHI-Studie Marketing-Monitor 2023–2026, die die Entwicklung der Werbelandschaft im deutschen Einzelhandel bei zunehmender Digitalisierung darstellt. Hatte Corona der digitalen Werbung zu einer Hochphase verholfen, werden seit 2022 im Zuge der Preissensibilität Einkäufe besser geplant, wozu wiederum der Prospekt zum Preisvergleich genutzt werde. Die Entwicklung zur Digitalisierung der Angebotswerbung geht voran. Studienautorin Marlene Lohmann dazu: „Die digitalen Medien wurden bislang zur Unterstützung von Printmedien genutzt. Aber in der Prognose für 2026 – da sind sich die Marketingverantwortlichen weitgehend einig – wird sich das Verhältnis umkehren, und Print wird eher die digitalen Werbemaßnahmen ergänzen.“ 


INFO

Kaum Veränderungen

Die IFH Köln hat mit Media Control die Studienreihe ChannelUp ins Leben gerufen, die quartalsweise die Nutzungs- und Rezeptionsgewohnheiten sowie die Abverkaufswirkung von bis zu 14 Kanälen der Angebotskommunikation untersucht. 

Die Fragestellung: Welche Kanäle führen dazu, dass man erst recht, häufiger oder mehr als geplant bei Händlern einkauft? Der ChannelUp-Index bildet dazu den Mittelwert ab. Ergebnis für das 4. Quartal 2023: Wenig Veränderungen beim Ranking der LEH-Kanäle ‒ gedruckte Prospekte bleiben mit 36 % gegenüber je 38 % in den Vorquartalen an der Spitze, (was auch für Getränkemärkte gilt), gefolgt von Vor-Ort-Werbung und Printanzeigen. 


 

INFO

Tschüss, Papierprospekt

Bis dato wurden wöchentlich rund 25 Millionen Handzettel verteilt ‒ Mitte letzten Jahres verabschiedete sich Rewe dann vollständig vom Papierprospekt. Und rechnet vor: Die Entscheidung spart jährlich 73.000 t Papier, 390.000 m³ Holz, 1,1 Mio. m³ Wasser, rund 380 Mio. kWh Energie und gut 70.000 Tonnen CO2. 

Die Einsparungen fließen in den Ausbau der Artikelwerbung über neue und bekannte Medien, wie in die offensive Angebotswerbung etwa im TV, sowie in ausgewählte Nachhaltigkeitsprojekte wie den Klimafonds des Naturschutzbunds Deutschland (NABU). NABU begleitet das Nachhaltigkeitsengagement von Rewe bereits seit 2009 als unabhängige Instanz.


 

INTERVIEW

Sebastian Huber, Prokurist und Digitalexperte bei Edeka Fanderl

Wie informieren sich Ihrer Erfahrung nach die Kunden in aktuellen Zeiten, in denen zum Beispiel Rewe komplett auf Printprospekte verzichtet? 
Es ist sehr vielfältig. Eine große Zahl an Kunden informiert sich immer noch über die Print-Handzettel, die es ja bei Edeka nach wie vor gibt. Viele informieren sich aber auch online. Gerne wird die Edeka-App genutzt. 

Erheben Sie diesbezüglich Daten oder beobachten Sie? 
Daten erheben wir hierzu nicht. Wir sehen aber das Verhalten der Kunden im Markt. Wenn jemand mit dem Handzettel kommt und nach einem Produkt fragt, wissen wir, dass er sich über den Handzettel informiert. Wenn Kunden mit dem Smartphone in der Hand nach einem Angebot aus der Edeka-App fragen, ist der Kommunikationsweg auch sehr klar ersichtlich.

Wie kommunizieren Sie als Unternehmen Edeka Fanderl mit den Kunden? Welche digitalen Kanäle bespielen Sie und wie? 
Bei uns muss man unterscheiden: Wir haben zum einen natürlich die Kommunikationsmedien der Edeka, von denen der Handzettel nach wie vor am wichtigsten ist. Wenn wir als Edeka Fanderl direkt mit unseren Kunden in Kontakt treten wollen, sind Facebook und Instagram die Hauptkanäle.

Binden Sie Mitarbeiter in die Kommunikationsstrategie ein? Es gibt Märkte mit Instagram-Posts fast jeder Art bis hin zu rappenden Azubis … Wie stehen Sie dazu?
Wir denken, wenn wir es in dieser Art bei der digitalen Kommunikation übertreiben, passt das nicht zu uns. Die Kunden würden sich eher wundern, wenn wir zu viele sozusagen lustige Videos posten würden. Auch wenn man über moderne Medien kommuniziert, sollte man bei sich bleiben. Die Werte und Prinzipien, für die man steht, sollte man nicht komplett über Bord werfen und sich an alles anpassen. Die Kommunikation muss zum Unternehmen passen. Wir lassen die Mitarbeiter nicht im Markt rappen, da sind wir ein bisschen konservativer unterwegs.

Was ist Ihr Eindruck: Spielen Kundenbindungsprogramme in der aktuellen Situation eine größere Rolle?
Ja, Kundenbindungsprogramme werden wichtiger. Es wird ja definitiv preisbewusster eingekauft seit der Inflationskrise. Und Kunden reagieren positiv auf Kundenbindungsprogramme. Sie sind gerade aktuell für Kunden eine gute Möglichkeit, über den Handzettel hinaus Rabatte einzusammeln. Was sehr gut ankommt, ist die Edeka-App, sie wird immer mehr genutzt. Sie ist ähnlich wie ein Vielfliegerprogramm gestaltet, man erhält je nach Status (Bronze, Silber, Gold) höherwertige Coupons. Immer mehr Kunden nutzen die zentralen Funktionen der App: Man kann damit zahlen, Coupons einlösen und DeutschlandCard-Punkte sammeln. Die neue Edeka-App wurde bereits vor der Ukraine-Krise eingeführt und konnte sich somit bereits eine ganze Zeit lang bewähren. Die Bespielung wird kontinuierlich ausgeweitet, und die App verankert sich immer mehr im Bewusstsein der Kunden.

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