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Die Entschleuniger

Nippen statt kippen. Egal ob alkoholfrei oder mit Prozenten: Es kommen immer mehr außergewöhnliche Premiumgetränke in die Regale, die sich durch Kreativität und Originalität vom Rest abheben.

Alkohol, Cocktails, Sortiment, Rundschau, Medialog
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Von Thomas Wöllhaf

Traditionshersteller Mumm weiß, wie man einer Marke neues Leben einhauchen kann. Millenials, die mit Mumm nicht viel anfangen konnten, wissen nun dank der Cocktailkampagne, dass der Sekt auch in ihr Leben passt. Mumm als Grundlage für Sommerdrinks wie Salty Rosemary oder Sparkling Basil hat absolut nichts mehr gemeinsam mit Muttis geliebtem Piccolo.

2015 stieg der Mumm-Absatz trotz rückläufigen Zahlen bei den restlichen Sekt-Marken aus dem Hause Rotkäppchen-Mumm und insgesamt stagnierendem Wachstum bei Schaumwein um fast 17 Prozent. Die Marketingmaßnahmen tragen auch dazu bei, Sekt aus der Schublade „besonderer Anlass“ herauszuholen und ihn zur Basis für den täglichen Cocktail zu machen.

Rezepte gegen rückläufigen Konsum

Eine neue Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigt, dass der Alkoholkonsum bei jungen Erwachsenen stark rückläufig ist. Tranken 2004 noch fast 44 Prozent der unter 25-Jährigen regelmäßig Alkohol, sind es heute nur noch knapp 31 Prozent. Dieser eindeutige Trend lässt sich nicht einfach umkehren. Hersteller, die auf Kreativität und Originalität setzen und es schaffen, das Lebensgefühl der jungen Generation anzusprechen, haben die besten Chancen, ihre Marktanteile auszubauen.

Das Berliner Start-up Kukki hat mit seinen Fertigcocktails und einer mitreißenden Gründerstory („Vom Bauernhof nach Berlin“) ins Schwarze getroff en. Trotz des logistischen Aufwandes (die Glasfl aschen müssen ständig tiefgefroren sein) konnte Kukki-Gründer Andreas Romanowski seine Produkte schnell bei der Edeka Minden listen. Die Gespräche mit Rewe laufen ebenfalls. Die junge Firma hat seit ihrem Auft ritt bei der Internorga ihre Produktionskapazitäten vervielfacht und kann nun bis zu 200.000 Flaschen im Monat abfüllen. Apropos Flaschen: Am 18. Mai wurde Kukki vom Aktionsforum Glasverpackung der Preis „Produktinnovation in Glas 2017“ verliehen.

Die Story als wichtige Zutat

Wie wichtig die Flasche ist, konnte man auch auf der Prowein in Düsseldorf beobachten. Die Flaschen des neuen Freixenet-Weinmixes Mia Cocktails waren der große Hingucker. Austauschbarkeit und Profillosigkeit im Getränkeregal stoßen junge, ohnehin nicht markentreue Konsumenten ab. Vor allem die Getränke-Newcomer wissen, wie sie mit Storytelling die Digital Natives ansprechen, Konsumenten, die mit dem Handy groß werden.

Die Studie „The Future of Cocktails“ von Diageo und dem Trendforschungsinstitut The Future Laboratory bringt es auf den Punkt: Unsere Gesellschaft definiert sich zunehmend mehr über Erlebnisse als über Besitz. Auch Getränke werden mit Gefühlen und Werten assoziiert statt mit einem Grundbedürfnis.
Absolut Vodka hat sich schon vor über 30 Jahren etwa zum Thema LGBT positioniert, und das kommt der Marke heute zugute.

„Die junge Zielgruppe sucht nach etwas, womit sie sich identifizieren kann“, sagt David Meisser, Teamleader Brand Managment für Absolut bei Pernod Ricard. „Meine Aufgabe ist es, die Marke so emotional aufzuladen, dass die Konsumenten dahinterstehen können. Viele Marken versuchen das vergeblich. Die Verbraucher merken ganz schnell, wenn es sich nur um eine Marketing-Bullshit-Story handelt.“ Absolut setzt auf emotionale Authentizität, um einmal gewonnene Fans zu binden. Nicht nur durch Worte und Regenbogenflaggen auf der Flasche, sondern auch durch aktive Unterstützung von Projekten.

Tonic ist nicht mehr gleich Tonic

Bei Edeka Rees in Karlsruhe stehen mehr als zehn Tonic Water im Regal. Schweppes muss sich den Platz mit jungen Marken teilen, die es verstehen, mit ihren Getränken auch ein Lebensgefühl zu verbinden.
Das aus Berlin stammende Thomas Henry Tonic beschwört schwüle Tage herauf, die sich nur mit einem Gin Tonic ertragen lassen. Der Erfolg der Berliner ist zum Vorbild für andere Newcomer geworden. Der britische Hersteller Fever Tree verarbeitet Zutaten, die Weltreisefantasien wecken, wie etwa kongolesisches Chinin und handgepresstes Bitterorangenöl aus Tansania.

Bei den Kunden kommt das an. Und in einer Beziehung sind sie schmerzlos: „Der Preis ist egal“, sagt Alexander Kern, stellvertretender Marktleiter bei Edeka Rees. „Wenn der Kunde eine Flasche Gin für 40 Euro einpackt, dann kommt es ihm nicht darauf an, ob 0,2 Liter Tonic nun einen oder zwei Euro kostet. Er betrachtet es als Genussmittel: Damit löscht man nicht den Durst – das genießt man.“

3 FRAGEN an Andreas Romanowski, Kukki

Das Wachstum von Kukki lässt sich am besten als explosiv beschreiben. Ist Kukki nun überall in Deutschland zu haben?
Was uns merkwürdigerweise noch komplett fehlt, ist Süddeutschland. Die Rewe Dortmund meldete sich, ich bin hingefahren und nun wollen sie Kukki im Juli testen. Momentan ist Edeka unser bester Freund. Wir hätten uns nie vorgestellt, dass es mal so gut laufen könnte.

Wie vermarktet ihr Kukki?
Wir versuchen nicht am Telefon zu verkaufen. Sobald du sagst: Cocktail in der Flasche, denkt jeder, oh je, Fertigcocktail. Das kann ja gar nicht schmecken. Deshalb ist für uns die Verkostung im Markt das beste Mittel, um an die Leute ranzukommen.

Wie reagieren die Kunden im Markt?
Sobald die Menschen Kukki anfassen, die Flasche erleben und sehen, dass da wirklich richtiges Eis drin ist, ist Aufmerksamkeit da. Sobald sie es dann probieren, kaufen sie es.

Fotos: © Fotograph, username, alias - Fotolia.com; T. Schindel; Unternehmen, Tanja Huber

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Verkostungen sind das A und O.
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