Die Erfindung des Schinkens wird den Galliern nachgesagt. Vielleicht war ja sogar der (fiktive) Gallier Obelix beteiligt? Ob dieser rohen Schinken bevorzugte oder gekochten, ist nicht überliefert. Tatsache ist: Beide sind nicht wegzudenken ist aus der Bedientheke.
Für den Händler liegen die Vorteile einer großen Auswahl an Rohschinken auf der Hand: Schinken hält sich gut, verspricht eine gesunde Marge, passt zu Spargel wie zu Raclette, und er gehört auf jeden Brotzeitteller. "Meine älteren Kunden wollen einen richtigen Bauernschinken mit Schwarte und Fett", sagt Andrea Kambeitz, Abteilungsleiterin Fleisch und Wurst bei Edeka Fitterer in Bietigheim. "Die Jungen mögen ihn lieber saftig und mager."
Knapp zwei Dutzend Sorten
Zwölf gekochte und zehn verschiedene rohe Schinken hat sie deshalb ständig in der Auslage. Obwohl die deutschen Haushalte im vergangenen Jahr 4,3 Prozent weniger Schweinefleisch kauften, ist beim Schinken kein Absatzrückgang zu bemerken. "Der geht immer. Das ganze Jahr über", sagt Andrea Kambeitz. "Schinken sollte nie ausgehen."
Fleischverarbeiter Bell Deutschland bezeichnet die Geschäftsentwicklung bei seinen Schinkenprodukten in diesem Jahr als sehr positiv. "Das hat uns ermutigt, weiter in diesen Bereich zu investieren", sagt Marketingleiter Jochen Bremecker. "In der Nähe von Madrid errichten wir einen zweiten Produktionsbetrieb, um die erhöhte Nachfrage nach Serrano- Schinken bedienen zu können."
Die Wertschöpfungskette für den Schinken befindet sich also weitgehend in einer Hand, was für die Hersteller immer wichtiger wird. Auf der einen Seite steigen die Preise für Schweinefleisch beinahe dramatisch (laut Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie legten die Preise im ersten Quartal 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwischen 20 und 40 Prozent zu), auf der anderen Seite lassen sich die höheren Kosten aber nur schwer an den Handel weitergeben.
Ruinöser Wettbewerb
Die Preisfalle hat nicht nur kleine landwirtschaftliche Betriebe zur Aufgabe der Schweinezucht gezwungen - auch immer mehr kleine und mittelständische verarbeitende Betriebe müssen schließen. "Der Preiskampf in unserer Branche ist brutal", sagt Christof Hils, der nach traditioneller Methode Schwarzwälder Schinken herstellt. "Allein von den Metzgern in der Umgebung können wir nicht leben. Wir brauchen ein gewisses Volumen, und 80 Prozent unserer Ware geht deshalb in den Discount. Dort sind wir schon lange vertreten, aber in den letzten drei, vier Jahren wurde es immer enger, und Kleinbetriebe unserer Größe können nicht mehr davon leben. Wenn der Ertrag bei 80 Prozent des Geschäfts zurückgeht, dann hat das gravierende Folgen. Der Einzige, der am Schluss noch etwas verdient, ist der Handel."
Dem Schinkenproduzenten hilft, dass die Schweine für den Schwarzwälder Schinken nicht aus dem Schwarzwald kommen müssen, obwohl es sich um eine geschützte geografische Angabe handelt. Für das Prädikat g.g.A. ist nur wichtig, dass die Keule im Schwarzwald nach traditioneller Methode veredelt wurde. Die Schweinekeulen, die später als Schwarzwälder Schinken in den Discount kommen, stammen aus Norddeutschland oder Belgien. Sie werden im Schwarzwalddorf Lauterbach gepökelt und geräuchert.
Der Discount-Verweigerer
Einen konsequent anderen Weg hat die Wurst- & Schinkenmanufaktur Bedford aus Osnabrück eingeschlagen. Bedford hat sich dem Discount und dem SB-Regal von Anfang an konsequent verweigert und seine Position in der Bedientheke erfolgreich ausgebaut. Obwohl der Wurstabsatz an den deutschen Bedientheken laut GfK um fast sechs Prozent gefallen ist, konnte Bedford in 2016 seinen Absatz um fast zwei Prozent auf 6.100 Tonnen steigern. Der Umsatz entwickelte sich mit plus 1,5 Prozent auf fast 62 Millionen Euro ebenfalls positiv.
Bedford-Geschäftsführer Thorsten Schäfer sieht noch immer viel Luft nach oben. Schulungen für das Thekenpersonal in Warenkunde und Präsentation sollen die Mitarbeiter im Handel für die Qualität seiner Produkte sensibilisieren. "Der Bedienthekenmarkt steht seit Jahren unter Druck", sagt Schäfer. "70 Prozent des Marktes werden über SB-Ware abgedeckt, nur 30 Prozent von der Bedientheke. Das liegt auch daran, weil die nachkommende Generation sehr SB-affin ist.
Deshalb braucht man in der Theke Sortimente, die etwas Besonderes sind und die einen Anreiz bieten, dort auch einzukaufen." Vor allem das Image hochwertiger deutscher Ware müsse noch immer verbessert werden. Die 13 Monate luftgetrockneten und geräucherten Schinken von Bedford müssten sich vor keinem Parma- oder Serrano-Schinken verstecken. Im Gegenteil. "Aber trotz allerhöchster Qualität müssen wir mit unserem Osnabrücker Schinken schon Überzeugungsarbeit leisten", sagt Schäfer. "Allein das Wort Parmaschinken wird mit hoher Qualität assoziiert."
Andrea Kambeitz von Edeka Fitterer bestätigt, dass die Kunden südländisch häufig automatisch mit höherer Qualität gleichsetzen. "Parma und Südtiroler Schinken gehen bei uns am besten", sagt sie. "Besser noch als Schwarzwälder." Gut ausgebildetes und kenntnisreiches Personal kann hier also den Unterschied ausmachen und die Kundenwahrnehmung beeinflussen
3 FRAGEN an Thorsten Schäfer, Bedford
Die Bedientheke steht wegen des Aufwandes und der Kosten unter Druck. Weshalb sind Sie nur in der Theke zu finden?
Hersteller, die versucht haben, zweigleisig zu fahren, also SB und Bedientheke, bedienen heute fast nur noch den SB-Markt. Sie stellen kostengebunden her und nicht mehr handwerklich. Unsere Kompromisslosigkeit ist unsere Existenzberechtigung. Die Preise für das Rohmaterial Schwein steigen.
Wie überlebt man in einem Umfeld mit hohem Kosten- und Preisdruck?
Wenn es Herstellern vorranging um den Preis geht, dann geht es auch um Rezeptoptimierung. Wir haben uns auf Nischenprodukte konzentriert, die industriell nicht herstellbar sind und deren Herstellung sich für Handwerksbetriebe nicht rechnet.
Wie positionieren Sie sich gegenüber den Schinkenherstellern aus dem Süden?
Wir haben es schwer, mit unseren Produkten gegen die Südländer anzutreten. Wenn der Händler sagt, das ist Parmaschinken, dann denken die Kunden sofort, das ist super. Dass es dort aber auch Einstiegsqualitäten und High-End-Schinken gibt, das wissen nur die Wenigsten.
Immer am Stück
Schinken als hochpreisiges Angebot mit hoher Marge verdient bei der Präsentation in der Bedientheke die volle Aufmerksamkeit. Ins rechte Licht gerückt und so platziert, dass er vom Kunden automatisch wahrgenommen wird, verkauft er sich auch überdurchschnittlich gut. Er sollte in der Mitte der Theke im Blickfeld liegen und bei schöner Oberfläche immer im ganzen Stück ausliegen.
Etagere verwenden
Idealerweise sollte ein ganzer Premiumschinken – der mit der besten Optik – erhöht und möglichst auf einer Etagere präsentiert werden. Dabei auf einen frischen Anschnitt achten. So hebt er sich von den anderen Produkten in der Theke ab. Die kleine Mühe lohnt sich.
Fotos: 123rf.com/nito500; Stockfood.de/Bischof Harry, Ditter Michael, Blake Anthony, Schieren Bodo A.; Consorzio del Prosciutto di Parma; Unternehmen