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Schuldgefühle ade!

Spirituelle und moralische Aspekte beeinflussen immer stärker unsere Ernährungsgewohnheiten, sagt die Foodtrend-Forscherin Hanni Rützler. Ein Ausflug in ihre Gedankenwelt.

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Frau Rützler, unser Essverhalten ist auch religiös oder ethisch geprägt. Was verstehen Sie darunter?
Rützler:
Spirituell begründete Ernährungsweisen werden zum Lifestyle und führen zu einer allgemeinen Moralisierung unseres Essens. Die Begriffe halal und koscher stehen nicht mehr bloß für religiöse Speisevorschriften, sondern werden zu allgemein anerkannten Trademarks für bewusste Ernährung.

Wo ordnen Sie den Veganismus ein?
Rützler:
Die vegane Ernährung ist die Praxis einer kulinarischen Sekte, aber nicht vergessen: Sie ist auch ein lukratives Geschäft für die Nahrungsmittelindustrie.

Manchmal hat man den Eindruck, dass man nicht mehr ohne Schuldgefühle essen kann …
Rützler:
In der Tat bahnt sich in der Welt des Essens und Trinkens die „Moralisierung der Märkte“ ihren Weg. Wir machen uns – so werden wir ermahnt – als Esser ständig mitschuldig an der Überfischung der Meere, am Elend der heimischen Bauern und der Landarbeiter in den Entwicklungs- und Schwellenländern, am Leiden der Schweine, Hühner und Rinder und am Hunger in der Welt. Damit werden wir anfällig für Essideologien und kulinarische Heilsversprechen.

Wo bleibt da der Genuss?
Rützler:
Die banale Selbstverständlichkeit, dass uns ein gutes Essen auf vielen Ebenen erfreuen kann, gerät durch die immer fanatischer geführten Debatten um das richtige Essen, die längst zu Stellvertreterdebatten um das „richtige Leben“ geworden sind, ins Wanken. Statt Lust und Geschmack drohen gesundheitliche Warnungen und moralische Imperative unsere Essentscheidungen zu prägen.

Wie kann man dagegenhalten?
Rützler:
Ein gelungenes Leben besteht nicht nur in der Einhaltung moralischer Prinzipien. Es lässt sich auch nicht alles, was das Leben lebenswert macht, nicht alles, was für ein gutes Leben ausschlaggebend sein kann, moralisch begründen. Im Gegenteil: Für vieles, was uns wichtig ist, gibt es keine moralischen Gründe. Für die Liebe zum Beispiel. Mit dem Genießen und mit der Freude am gemeinsamen Mahl ist es nicht anders.

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Hanni Rützler Inhaberin Futurefoodstudio Foto: Unternehmen

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