Artikel

Auffallen ist alles

Sie sind Markenbotschafter, Marketinginstrument, Informationsgeber und Schutz in einem – die Aufgaben einer Produktverpackung sind vielfältig und die Ansprüche wachsen. Ein Überblick.

zur Bilderstrecke, 5 Bilder
Von Franziska Oppermann

Dass Verpackungen sowohl den Anforderungen der Transport-logistik genügen als auch am Point of Sale möglichst einfach und effizient zu handhaben sein müssen, ist klar. Das Zusammenspiel von Transport- und Produktverpackung muss hier stimmen. Ebenso wichtig sind heute allerdings veränderte Anforderungen von Handel, Industrie, Verbrauchern und Politik.

Veränderte Ansprüche

Convenience und Verpackungsgrößen: Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft und zunehmendem „On-the-go-Verzehr“ müssen Verpackungen einfach in der Handhabung sein. „In Zukunft werden es Konsumenten über 50 Jahre sein, die in den Fokus der Produktentwickler rücken“, so Norman Gierow von SIG Combibloc. Kleinere Verpackungseinheiten sehen die Hersteller als weitere Folge schrumpfender Haushalte. „Großpackungen gehören für viele Konsumenten zum alten Eisen“, sagt Thomas Haensch, Ball Packaging. „Sie greifen lieber zu Multipacks mit kleinen Portionsgrößen.“
Nachhaltigkeit: Studien zeigen, dass Kunden Wert auf möglichst umweltschonende Verpackungen legen. Biologisch abbaubare oder vollständig recycelbare Varianten – die Wege der Hersteller, um sich hier ein positives Image zu geben, sind vielfältig. Dass Ressourcen zu schonen der Verpackungsindustrie quasi immanent ist, liegt in der Natur der Sache: Je weniger Material, desto günstiger die Verpackung. 
Materialien: Grundsätzlich sind sich die Verpackungshersteller einig: Verbraucher wollen Abwechslung – auch bei Produktverpackungen. Unterschiedliche Materialien, haptische und optische Effekte, kreative Designs – Auffallen ist alles. „Aktuell ist ein Trend zu natürlichen Materialien erkennbar“, so Claudia Rivinius, STI-Group. „Naturpapiere mit einer haptisch interessanten Außendecke sprechen gleich mehrere Sinne der Kunden an.“ Und: „Eine attraktive Verpackung kann den entscheidenden Kaufimpuls auslösen“, weiß Uwe Schmolling, Rexam Beverage. 
Online:_ Der wachsende Anteil des Online-Handels stellt die Branche vor zunehmende Herausforderungen. Experten prognostizieren – vor allem, was den Schutz der Produkte im Direktversand betrifft – eine Zunahme des Verpackungsvolumens.
Pflichtangaben: Ob EAN-Code für den Handel oder gesetzliche Pflichtangaben für Inhaltsstoffe – der Platz wird eng auf deutschen Verpackungen. „Hier ist auch keine Umkehrbewegung erkennbar“, so Thomas Reiner, dvi (l.). Experten sehen daher die Verpackung zunehmend als digitale Schnittstelle. „Es wird eine Parallelbewegung geben, dass wir etwa über QR-Codes Kunden in eine digitale Welt führen, wo sie die Informationen finden, die sie wirklich interessieren, so Reiner.

Statements der Hersteller

Interview mit Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender Deutsches Verpackungsinstitut (dvi)

Herr Reiner, welche Trends sehen Sie aktuell auf dem Verpackungsmarkt?
Reiner: Wir sehen, dass die Verpackungsgrößen schrumpfen. Grund dafür  ist die demografische Entwicklung und der Trend zu kleineren Haushaltsgrößen. Zudem ist der Convenience-Trend ungebrochen – Verbraucher kochen immer weniger selbst und es muss schnell gehen. In der Folge steigen aber auch die Ansprüche an die Funktionalität einer Verpackung. Zuhause und vor allem unterwegs müssen diese leicht zu handhaben sein.

Apropos demografische Entwicklung – wie begegnet die Branche der Entwicklung hin zu einer immer älter werdenden Gesellschaft?
Reiner: Das ist noch immer eine große Baustelle. Der Anteil der Bevölkerung im Alter von über 50 Jahren steigt. Das bedeutet, der Anteil der Kunden, die mit unzulänglichen Verpackungen Probleme haben – schlecht zu öffnen, schwierig in der Handhabung –  nimmt zu. Das ist in der Theorie bekannt, in der Praxis schafft es die Branche bisher aber kaum diese wachsende Zielgruppe angemessen zu bedienen.

Welche Rolle spielt das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit?
Reiner: Grundsätzlich sind Verpackungen immer ein Kostenfaktor. Nicht nur aus ökologischen Gründen ist es daher ein Dauerthema, Material zu reduzieren. Speziell bei Kunststoffverpackungen steigt zudem das Angebot von Produkten, die aus alternativen Wertstoffen bestehen. Bei der Bewertung von Biokunststoffen sollte man differenzieren. Eine Lösung, die per se am besten ist, die gibt es nicht. Grundsätzlich gibt es nachwachsende Rohstoffe und es gibt biologisch abbaubare. Heute lassen sich aus Erdöl Kunststoffe erzeugen, die biologisch abbaubar sind, aber auch aus nachwachsenden Rohstoffen Kunststoffe herstellen, die sich nicht abbauen. Hinzu kommt, dass das Thema Abbaubarkeit von Verpackungen nicht in die hierzulande praktizierte „Entsorgungsdenke“ passt. Aufgrund des ausgeklügelten Verpackungs- und Entsorgungskreislaufs ist  das Thema Abbaubarkeit  in Deutschland weniger ein Thema, global gesehen hingegen schon.

Welche Anforderungen an das Verpackungsdesign sehen Sie aktuell noch?
Reiner: Werbung wird immer teurer und die Wege sie zu umgehen immer intelligenter. Daher erlebt die Verpackung als Werbemittel eine Renaissance – auch bei Lebensmitteln. Verpackung wird meiner Ansicht nach wieder zum Hauptkommunikator werden.

Gibt es dazu positive Beispiele?
Reiner: Ein Beispiel ist der Rügenwalder-Becher. [c1]Hier wurde Funktionalität mit Emotionalität verbunden. Dieses Mehrwertkonzept zusammen mit einem ganzheitlichen Design zeigt Wirkung – auf einmal boomt so ein Segment. Beispiele dieser Art werden weiter zunehmen.

Wird die Verpackung Ihrer Ansicht nach mit allen notwendigen  Informationen nicht langsam überfrachtet?
Reiner: Das ist tatsächlich ein schwieriges Thema. Besonders bei Lebensmitteln gibt es einen hohen Anteil an Pflichtinformationen, die aufgrund der Schriftgröße sowieso niemand lesen kann. Hier ist auch keine Umkehrbewegung erkennbar. Hinzu kommt der EAN-Code für den Handel. Ich denke aber, dass es eine Parallelbewegung geben wird, dass wir etwa über QR-Codes Kunden in eine digitale Welt führen und ihnen dort die Information geben, die sie wirklich interessieren. Die Verpackung wird grundsätzlich immer mehr zur Schnittstelle in die digitale Welt.

Welche Auswirkungen hat das Thema Online für den Verpackungsmarkt – speziell im Lebensmittelhandel?
Reiner: Der Online-Absatz wird hier sicherlich noch zunehmen. Viele Experten prognostizieren daher einen Rückgang des Dekorationsaufwands, weil eine Verkaufsverpackung nicht mehr werben müsse. Das glaube ich nicht. Verführung entsteht nicht nur beim Kauf, sondern auch beim Konsum. Daher müssen Verpackungen meiner Ansicht nach optisch eher noch attraktiver werden. Produkte müssen dem Kunden zuhause Spaß machen und ihn zum Wiederkauf animieren. Darüber hinaus erfährt im eCommerce auch die Versandverpackung eine Aufwertung.

Thomas Reiner
Interview mit Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender Deutsches Verpackungsinstitut (dvi)

Artikel teilen

Gut informiert durch die Krise