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Bier und Biermixgetränke: Aufhellung erwünscht

Hellbiere und alkoholfreie Varianten sind zwei der wenigen Lichtblicke im deutschen Biermarkt. Um sich gegen den stetigen Konsumrückgang zu stemmen, sollten Brauereien und Handel die Verbraucherwünsche genau im Auge haben: Regionalität, Handwerk, Charakter, Premium und Drinkability. Eine Studie liefert dazu spannende Insights.

Aufmerkamkeitsstark inszeniert: Diese Bier-Wand läuft definitiv nicht Gefahr, übersehen zu werden. (Rewe Stoll, Foto: Heiko Rhode)
Von Mirko Jeschke | Fotos: Heiko Rhode

Gut ein Fünftel weniger Absatz gegenüber 1993, eine stark zunehmende Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund, schwindendes Konsuminteresse bei den jüngeren Zielgruppen und eine zuletzt beispiellose Kostenexplosion in nahezu allen Bereichen der Wertschöpfungskette – die Voraussetzungen für einen Stopp oder zumindest eine Atempause in der stetigen Abwärtsspirale der deutschen Bierbranche werden immer schlechter.

„Erst ist uns der Export-Trinker abhanden gekommen, jetzt stirbt uns der Pils-Trinker weg“, beschreibt ein Brachenkenner unverblümt die missliche Großwetterlage unter den deutschen Brauereien. Und dennoch, seit dem vor Jahren eingesetzten Craftbier-Trend schöpfen die Marktteilnehmer zumindest punktuell wieder Hoffnung.


82,2 Liter Bier haben die Deutschen 2022 im Schnitt konsumiert, 2012 waren es noch circa 100 Liter. Insgesamt ist der Bierabsatz in den letzten zehn Jahren um 7,4 % gesunken.

Quelle: Statistisches Bundesamt


war hat sich Craftbier volumenmäßig zu keinem Zeitpunkt einen maßgeblichen Anteil an der Gesamtabsatzmenge sichern können. Allerdings hat das Thema Bier insgesamt wieder eine deutlich höhere Aufmerksamkeit erfahren, und damit auch die rund 1.500 Brauereien der Republik.

Seitdem sind die Herausforderungen indes nicht kleiner geworden: Nach den schmerzlichen Corona-Jahren mit einem Absatzeinbruch in der Gastronomie folgten gestörte Lieferketten und enorme Kostensteigerungen in Folge des Ukrainekrieges. Bleibt die Frage, wie sich eine Branche, der nicht zuletzt die Megatrends Gesundheit und Selbstoptimierung entgegenstehen, wenigstens für die nächsten Jahre einigermaßen zukunftssicher aufstellen kann.Die „Bierkonsum Trendstudie 2025“ von K&A BrandResearch hat die gegenwärtige Situation auf dem Biermarkt analysiert und Verbraucherpräferenzen und -wünsche sowie aktuelle und (mögliche) kommende Trends identifiziert. Markenpsychologe Florian Klaus, der die Studie begleitet hat, meint zum Thema Gegenmaßnahmen: „Ein effektiver Weg ist aus unserer Sicht der Ansatz an Momenten, die mit Bier verknüpft werden können und dadurch ritualisierte Relevanz schaffen. Das muss bitte nicht beim Grillen enden, darf aber etwa in Franken ein spezielles Bier zum Karpfen-Essen einschließen. Oder einen Relaunch von Leichtbier unter einem Namen wie Sommer-Pils.“

Ungebrochener Hellbier-Trend

Schaut man auf die wenigen Wachstumssegmente innerhalb der Branche, stehen helle Biere weit vorne. Rewe-Kaufmann und Bierexperte Ulrich Budnik (Rewe Homberg) erklärt die Gründe: „Die Nachfrage nach hellen, bayerischen Bieren wie Spaten, Tegernseer und Augustiner ist nach wie vor groß, sowohl in der Top-Gastronomie als auch im LEH. Die Konsumenten schätzen dabei vor allem die Bekömmlichkeit der Produkte, die bei anderen Sorten, wie etwa dem Pils, so nicht gegeben ist.“

Eine Beobachtung, die Florian Klaus bestätigen kann: „Hellbier ist in erster Linie einfach und eindeutig zu verstehen. Mild, unkompliziert, einfach trinkbar, hell-blau wie seine bayerische Herkunft, an beziehungsweise teils deutlich über der Grenze zum Klischee. Und von nahezu allen Brauern massiv promotet.“ Aktuelle Zahlen untermauern diese Entwicklung: Laut Nielsen-Daten nahm der Marktanteil von Hellbieren von 4,5 Prozent im Jahr 2010 auf 8,8 Prozent im Jahr 2021 zu. Neben den genannten Gründen ist hier anzuführen, dass es dieser Sorte zudem gelingt, neue Zielgruppen anzusprechen, darunter auch (junge) Frauen.

Handwerk, Regionalität, Charakter

Mit Blick auf die Zukunft wünschen sich laut der K&A-Studie rund drei Viertel aller Bierfans mehr Produkte aus der Region beziehungsweise aus der Heimat. Fast zwei Drittel bevorzugen zu 100 Prozent handwerklich hergestellte Biere. Jeweils mehr als die Hälfte der Befragten präferieren Biere mit einem eigenen Charakter oder einer besonderen Geschmacksnote, Premiumbiere sowie besonders bekömmliche Biere. 

Darüber hinaus sind für viele Bierliebhaber der milde Geschmack (45 %), klassische Biermixe wie Radler (43 %), kalorien-/alkoholreduzierte (38 %) sowie alkoholfreie Biere (35 %) wichtige Kriterien. Die stärksten Zuwächse in puncto Relevanz haben dabei die Aspekte Handwerklichkeit, Premium, milder Geschmack und Prämierung verbucht.


"Wir rechnen mit noch steigender Bedeutung alkoholreduzierter und alkoholfreier Produkte. Leichte Lager stehen weit oben auf unserer Watchlist."

Florian Klaus


Geht man bei den vorherrschenden Trends ins Detail, ergeben sich selbstverständlich zielgruppenspezifische Unterschiede. 
Insbesondere die jungen Biertrinker sind hier völlig anders „sozialisiert“, konstatiert Florian Klaus: „Die sogenannte Generation X und die viel beschriebenen Babyboomer halten dem Bier weiter die Stange, teils nach wie vor als gewohnheitsmäßige ‚Kastenschlepper‘. Sie haben Verhaltensroutinen erlernt und in ihr Repertoire übernommen, die so schnell nicht verloren gehen, darunter das Feierabendbier, den Stammtisch et cetera. Aus vielerlei Gründen, darunter der gesellschaftliche Wandel, Makro-Herausforderungen unserer Zeit und die ‚Ineffizienz‘ von Bier als Rauschmittel, sieht das Leben jüngerer Gruppen ganz anders aus. Stellen Sie sich einen heute 20-Jährigen vor, der ganz prägende Jahre im Lockdown verbracht hat. Woher soll da eine Bier-Routine mit Freunden kommen? Viele Branchenvertreter sind in den alltäglichen Lebensrealitäten solcher Zielgruppen ehrlicherweise nicht besonders präsent.“ 

Eine Frage des Alters

Wie aus der K&A-Bierstudie hervorgeht, greifen Ältere überwiegend zu Altbewährtem aus der Region, während Jüngere offen sind für Neues, was mit Ernährungstrends, dem Geldbeutel sowie der Digitalisierung zusammenhängt. Für die Gen X (Jahrgang 1965 – 79) spielen die Aspekte Regionalität, Handwerklichkeit und Charakter eine deutlich stärkere Rolle als bei den Generationen Y und Z.

Bei letzterer, also Konsumenten, die 1995 und später geboren wurden, nehmen dagegen kalorien-/alkoholreduzierte Biere, günstiges Standbier sowie maximale Qualität durch High-Tech-Automation/Robotik einen höheren Stellenwert ein als bei der älteren Verwenderschaft. Und: Das Reinheitsgebot ist, so ein weiteres Ergebnis der Studie, mehr als der Hälfte der Gen Z in der jetzigen Form schlichtweg egal! Viel mehr als die Beschränkung der Zutaten ist immer mehr Biertrinkern offenbar deren Qualität deutlich wichtiger.

Die Rückkehr der Dose?

Hinsichtlich der Gebinde spüren viele Brauereien seit einigen Jahren eine steigende Nachfrage nach Dosenbier. Rewe-Kaufmann Ulrich Budnik: „Wir verkaufen teilweise Dosen für sechs bis sieben Euro. Der Vorteil dabei ist auch, dass die für die Aromen zuständigen Hopfenöle nicht durch das Licht zerstört werden. Zudem bietet die Gestaltung des Etiketts für die Hersteller deutlich mehr Möglichkeiten.“ Dieser Trend dürfte manchen nicht ungelegen kommen, zumal Glasflaschen zuletzt deutlich teurer geworden sind. Laut dem Deutschen Brauer-Bund sind die Kosten für Neuglas seit Anfang 2022 um bis zu 140 Prozent gestiegen, die für Kronkorken und Etiketten um bis zu 50 beziehungsweise 35 Prozent. 
 

Drei zentrale Outcomes

Sicher ist: Das Thema Bier bleibt – auch ohne nationale und internationale Krisen – mehr als herausfordernd. Doch welche Lehren lassen sich nun aus den beschriebenen Erkenntnissen ziehen? Die K&A-Bierstudie hat drei zentrale Ergebnisse identifiziert: 

  1. Verbraucher-Kontexte als Basis für Marktchancen: Im Fokus stehen hier individuell hergestellte Biere (etwa „Exklusiv für mein Jubiläum“.), der gezielte Einsatz von Kontexten (Ostern, Geburtstag, DIY, neue Kontexte), Events (Tastings, Brauereiführungen, Biermessen, Brauereigaststätten) sowie die bestmögliche und „merk“-würdige Integration in den Alltag (worüber Verbraucher „stolpern“, was hängen bleibt). 
     
  2. Die Weiterführung/Neuinterpretation laufender Trends: Diese umfassen Hellbier (weg vom weißblauen Einheitsbrei hin zu neuen Ideen), Biermix (das Erfrischungsgetränk für Erwachsene mit etwas Alkohol) und Alkoholfrei (vom Bier ohne Alkohol zur Limo mit Biergeschmack). 
     
  3. Das Anknüpfen an Megatrends: Dies beinhaltet das Thema nachhaltige Natürlichkeit (beispielsweise Kräuter- oder Fruchtbiere), die Frage nach einem funktionalen Zusatznutzen, lokale Biere aus dem eigenen Ort/Hinterhof sowie die nachhaltige Produktion plus maximale Convenience.

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