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„Das hat fast manische Züge“

Die Expansionsoffensive von Kaufland betrachtet Dr. Hermann Langness mit sachlicher Gelassenheit. Von Wettbewerbszugzwang lässt sich der Bartels-Langness Chef grundsätzlich nicht beeindrucken.

Dr. Hermann Langness
Dr. Hermann Langness führt das Familienunternehmen in dritter Generation. Fotos: C. Edelhoff
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Von Linda Schuppan

Herr Langness, in wenigen Wochen steht die Bundestagswahl an. Wissen Sie schon, wem Sie am 22. September Ihre Stimme geben?
Langness: Ja. Allerdings genieße ich mein Wahlrecht im Stillen.

Wie zufrieden sind Sie als Unternehmer mit der aktuellen Bundesregierung?
Langness: Deutschland steht wirtschaftlich im europäischen und internationalen Vergleich ausgesprochen gut da. Das ist sicher auch ein Verdienst der Bundesregierung. Jeder Wähler hat doch ein großes Interesse an guter Sachpolitik. In dieser Hinsicht sind wir von der amtierenden Bundesregierung gut behandelt worden.

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Regierung?
Langness: So weitermachen, wie bislang. Mit dem Fokus der diplomatischen Weiterentwicklung Europas.
Welche wirtschaftspolitischen Themen brennen Ihnen als Unternehmer besonders unter den Nägeln?
Da sehe ich ein großes Hauptthema: die Steuergesetzgebung. Das permanente Drehen an Steuerschrauben führt zu nichts – zumindest nicht zum Vorteil der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Viele Bundesbürger vertrauen dem Staat in dieser Hinsicht blind. Wie bewerten Sie das?
Langness: Für mich ist es faszinierend, dass eine Mehrheit der Bevölkerung für Steuererhöhungen ist und offenbar glaubt, dass der Staat das besser regeln kann, als das Individuum. Dieser Meinung bin ich ganz und gar nicht.

Was halten Sie als Unternehmer und als Wähler von der europäischen Vision einheitlicher Standards?
Langness: Die EU ist eine Institution, die neben dem Bund und den Ländern als Gesetzgebungsebene hinzugekommen ist. Das ist meiner Meinung nach eine Hierarchie-Ebene zu viel.

Wie bewerten Sie die Brüsseler Aktivitäten rund um die neue Lebensmittelverordnung?
Langness: Es geht nicht an, dass wir jedes Jahr von Gesetzen umzingelt werden, die in der Praxis nicht sinnvoll sind. Mir scheint, der Gesetzgeber hat den Eindruck, dass der Verbraucher als solcher dumm ist und reagiert in der Folge mit immer neuen Vorschriften. Ich sehe die neue Lebensmittelverordnung als Belastung für die Hersteller. Die Kosten dafür muss am Ende der Verbraucher tragen.

In Kiel werden Sie neuerdings stark von Kaufland umzingelt. An einem Standort setzt sich Kaufland gar direkt neben Famila. Wie bewerten Sie das?
Langness: Nun, ich würde sagen, das hat durchaus manische Züge.

Das ist eine interessante Betrachtung. Aber: Wie reagieren Sie als Unternehmer?
Langness: Gar nicht.

Warum nicht?
Langness: Eine Unternehmensstrategie sollte sich nie gegen den Wettbewerb richten. Zumindest dann nicht, wenn sie funktionieren soll. Eine Unternehmensstrategie gilt immer dem Unternehmen selbst. Famila ist hier gut aufgestellt.

Wer sind Ihre Hauptwettbewerber?
Langness: Edeka und Aldi, an die wir allerdings häufig untervermieten.

Das klingt nach dem Motto: Wenn schon Aldi, dann am liebsten als Mieter…
Langness: Richtig. Bei der Omnipräsenz eines Aldi ist es mir deutlich lieber, aus dem Wettbewerb einen Mieteinnahmen-Vorteil zu schöpfen.

Hat das Vertriebssystem Discount seinen Zenit erreicht?
Langness: Die Discounter mussten ihre offensive Rolle aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs über die Jahre hinweg sukzessive abgeben und sind nun aufgrund schwindender Quadratmeterleistungen im Zugzwang. Auf der Suche nach zusätzlichen Umsätzen dehnen sie ihre Verkaufsflächen aus und bestücken ihre Sortimente mit immer mehr Markenartikeln. Dies wiederum führt langfristig zu einer Kostensituation, die ein Umschwenken der Sortimentspolitik nach sich ziehen wird.

Wie meinen Sie das konkret?
Langness: Höhere Warenbestände führen zu höheren Abschriften und erfordern höhere Personalkosten. So bleibt am Ende nur noch die Auslistung vieler Markenartikler.

Das klingt nach einem Wettbewerbsvorteil für Vollsortimenter, die der Markenartikelindustrie letztlich mehr Verlässlichkeit bieten können…
Langness: Richtig. Bei Famila etwa sind abrupte Sortiments- und Strategieänderungen nicht zu erwarten. 

Wie sieht Ihr Verbrauchermarktverständnis aus?
Langness: Nun, ich habe ein Famila-Verständnis. Das besteht aus großen Sortimenten, einer großen Auswahl, aus erstklassiger Qualität, günstigen Preisen und fachkundigen und freundlichen Mitarbeitern. All das dient dem Ziel, aus Sicht der Bevölkerung der beste Anbieter zu sein. Hier im Norden sind wir das Heimatunternehmen par excellence. Das können nicht viele von sich behaupten.

Die Coop sagt das auch. Was unterscheidet dann einen Sky-Kunden von einem Famila-Kunden?
Langness: (lacht) Der Famila-Kunde ist mir wesentlich sympathischer.

Wie sieht aus Kundensicht die ideale Famila-Fläche aus?
Langness: Der Kunde muss sich wohlfühlen. Das ist das A und O. Das fängt schon bei der Farbgestaltung an. Die Fläche darf zudem nie zu vollgestellt sein. Der Kunde muss mit dem Einkaufswagen auch mal umdrehen können, ohne gleich mit einem anderen Kunden zu kollidieren.

Wann gilt ein Flächenkonzept für Sie als veraltet und muss renoviert werden?
Langness: Wir bauen dann um, wenn wir das im Sinne unserer Kunden für sinnvoll halten. Selbst wenn das manchmal fernab der kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Vorteile ist. Und: Was der Kunde nicht gut findet, ändern wir wieder. Die Tatsache, dass unsere Standorte meist Eigenobjekte sind, ist für uns ein großer Vorteil.

Können Sie sich für Famila auch ein City-Konzept vorstellen?
Langness: Nein. Das passt nicht zu uns. Mit unserer Vertriebslinie Nah&Frisch besetzen wir bereits eine Nahversorgerposition. Damit fahren wir gut.

Wie bewerten Sie Ihre Nonfood-Kompetenz: als Wachstumssortiment oder als Warenhausersatzfunktion?
Langness: Unsere Kernkompetenz ist Food, wir können allerdings auch Nonfood. Sogar mit Zuwächsen.

Was machen Sie anders?
Langness: Im Nonfoodgeschäft kommt es maßgeblich auf die Qualität und auf die Sortimentsausrichtung an. Und: Man muss das, was man bewirbt auch im Laden haben. Das ist das große Problem einiger Discounter.

Wie sieht Ihre Eigenmarkenstrategie aus?
Langness: Wir sind mit den Eigenmarken der Markant gut aufgestellt und decken hier vor allem den Preiseinstieg ab. Unsere Eigenmarke „Hofgut“ hat eine regionale Ausrichtung und kommt gut bei den Kunden an. Glaubwürdigkeit ist hier unser oberstes Ziel. Der Zusatz „aus Norddeutschland“ steht nur dann drauf, wenn auch Norddeutschland drin steckt.

Das handhabt ein anderes Kieler Handelsunternehmen bei seinen Eigenmarken etwas unorthodoxer…
Langness: Nun, das bleibt jedem selbst überlassen. Wichtig ist doch, dass man als Marke beim Kunden glaubwürdig bleibt.

Wie ist Ihre Eigenmarke „Hofgut“ preislich positioniert?
Langness: Unter der Topmarke aber in Top-Qualität.

Welche Vorteile ziehen Sie aus der Kooperation mit Markant?
Langness: Die liegen auf der Hand. Wir haben durch die Markant bessere Konditionen, ziehen aus den mannigfaltigen Services viele Vorteile und werden durch den Dienstleistungsbereich der Markant auf ganzer Linie gestärkt.

Wenn Sie einen Wunsch an die Markant hätten, welcher wäre das?
Langness: Konsequent so weiterzumachen wie bisher.

Als Regionalmatador sind Sie im Norden gut vertreten. Bleibt da noch Platz für Expansionspläne?
Langness: Unser Absatzgebiet reicht von Bremen bis hin an die polnische Grenze und ist damit so groß wie Holland und Belgien zusammen. Wir erreichen hohe Marktanteile und wollen unsere Aktivitäten sinnvoll erweitern. Wir haben eine kontinuierliche Entwicklung bei Famila aber auch bei unseren Markant-Märkten und in der Vermarktung über unsere selbstständigen Einzelhändler.

Was verstehen Sie genau unter einer sinnvollen Erweiterung Ihrer Aktivitäten?
Langness: Die Unternehmensstrategie, die wir verfolgen, ist das, was man neu-deutsch als Multi-Channel-Strategie bezeichnet: Wir betreiben Vollsortimenter, haben verschiedene Beteiligungen, beliefern rund 1500 selbstständige Kaufleute und weitere Handelsunternehmen. Wir bleiben damit immer nah an unserem Kern – dem Warengeschäft.

Wie schlagkräftig und wendig ist das Expansionsschiff Bartels Langness? 
Langness: Als mittelgroßes Unternehmen müssen wir mit unserer Kraft haushalten. Wo wir allerdings Chancen sehen, greifen wir zu. Immer nach der Devise eines tintenfleckartigen, dynamischen Wachstums und nach dem Prinzip: Besser klein und erfolgreich, als groß und notleidend.

Sie haben den Bäckereifilialisten „Dat Backhuus“ gekauft und sind Teilhaber von Futterhaus. Warum investieren Sie in Backfilialen und Tierfachmärkte?
Langness: Als Bäckereigroßhändler kennen wir das Geschäft seit vielen Jahren. Nachdem wir  Dat Backhuus bereits als Finanzinvestor unterstützt hatten, lag eine Übernahme nahe. Mit Logipet sind wir zudem Tiernahrungsgroßhändler. Auch hier liegt der Synergieeffekt nahe.

Können Sie sich etwa auch vorstellen, einen Brunnen zu kaufen?
Langness: Nein. Wir müssen mit unseren Investitionen haushalten. Produktionsbetriebe zu erwerben macht in unserer Größe keinen Sinn. Die Investition in Brot, Fleisch und Wein hingegen schon, da wir auf diese Weise kostengünstig bessere Qualitäten erzielen können als der Wettbewerb.

Sie beliefern Ihre Ware nach Dresden – nicht gerade Ihr nahgelegenstes Umfeld. Warum tun Sie das?
Langness: Weil wir es können und weil unsere Sortimentsleistung ideal zu Konsum Dresden passt. In der Belieferung von Systemkunden sind wir heute schon national ausgerichtet.

Wie beurteilen Sie die Zukunft von Konsum Dresden?
Langness: Konsum Dresden ist ein Unternehmen, dem wir uns freundschaftlich verbunden fühlen. Das Unternehmen wird eine erfolgreiche Zukunft haben, denn man sollte den Mittelstand nicht unterschätzen. Der Markt ist immer in Bewegung und auch die Großkonzerne sind nie unangefochten. Hinzu kommen ausländische Engagements, die den Markt bereichern.

Das ist interessant. Sie sehen das als Bereicherung an, was andere als Gefahr bewerten…
Langness: Wo liegt die Gefahr? Nicht einmal Walmart hat obsiegt. Man sollte einfach immer die Entwicklung des eigenen Unternehmens im Auge behalten. Daran tut man gut. Wir sind nicht darauf erpicht wie eine Aktiengesellschaft  Erfolgsmeldungen zu verbreiten, die keine Erfolge sind.

Ist Bescheidenheit ein Erfolgsfaktor?
Langness: Ich persönlich bin der Meinung, dass es mehr Unternehmer gibt, die zu viel gemacht haben, als solche, die zu wenig gemacht haben. Übertriebenes Wachstum hat bereits so manchem den Kragen gekostet.
Ist das Thema Food online für Sie ein Wachstumsgeschäft?
Lebensmittel online zu verkaufen ist für uns kein Geschäftsfeld, dem wir uns primär widmen. Ich glaube nicht daran, dass die Bäume hier in den Himmel wachsen. Ich betrachte das alles mit zoologischem Interesse –  nicht mehr und nicht weniger.

Wo sehen Sie die größten Zukunftsherausforderungen für Ihr Unternehmen?
Langness: In möglichst allen Bereichen Erfolg zu haben. 

Wie wird es weitergehen mit Bartels Langness? Sitzt die nächste Generation schon in den Startlöchern?
Langness: (lacht) Meine Kinder scharren bereits mit den Hufen…

…aber Sie halten die Zügel fest in der Hand?
Langness: (lacht) Nein, ganz und gar nicht. Alles hat seine Zeit. Mein ältester Sohn sammelt  seine Erfahrungen derzeit in anderen Handelsunternehmen, bevor er ins Unternehmen einsteigt.

Wie muss man sich die Stabsübergabe im Hause Langness vorstellen?
Langness: Ich lasse Menschen gerne Entfaltungsmöglichkeiten und behalte mir dabei lediglich die Möglichkeit vor, meine Meinung zu sagen und punktuell Einfluss zu nehmen. Jede Generation sorgt für Veränderung. Das ist gut so, sonst bleibt man stehen.

Dr. Hermann Langness
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