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Eine Portion mehr Lebenszeit

Ein harmloser Satz als Schmährede: „Das ist doch nur ein Tier.“ Nein, ist es nicht. Denn die Umsatzzahlen für Tiernahrung zeigen, dass Vierbeiner heute sehr viel mehr sind: Familienmitglied, Kindersatz. Und der wird nicht einfach nur gefüttert, sondern gesund und nachhaltig ernährt. Ein Markt mit Chancen.

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Von Dominique Snjka

Die Zeiten, als Konsumenten nur zwischen Trocken- und Feuchtfutter, Belohnungs- und Zahnpflegesnacks entscheiden konnten, sind lange vorbei. „Snacks ohne Gesundheitspositionierung finden sie heute kaum noch auf dem Markt“, sagt Dieter Meyer, Marketingleiter bei Vitakraft.

Snacks als Wertschätzung

Das liegt vor allem daran, dass sich der Stellenwert von Hund und Katze deutlich verändert hat. „Snacks sind ein Zeichen der Wertschätzung“, glaubt Ralf Heilig Sales-Experte von Nestlé Purina Petcare. Auf dem Markt für Tiernahrung wächst das Segment Snacks am stärksten. Für Fertignahrung gaben die Kunden im vergangenen Jahr etwa 3 Milliarden Euro aus. Das geht aus der Statistik „Deutscher Heimtiermarkt 2014“ des Industrieverbandes Heimtierbedarf und des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands hervor.

Zum Vergleich: 2013 waren es noch knapp drei Milliarden Euro für Fertignahrung, der Zuwachs lag bei 1,2 Prozent, 2012 lag der Zuwachs bei 2,5 Prozent. Dabei kaufen Verbraucher weiterhin bevorzugt im Lebensmittelhandel – inklusive Discount – ein. Mit einem Marktanteil von 66 Prozent erwirtschaftete der im vergangenen Jahr zwei Milliarden Euro, gefolgt vom Fachhandel mit gut einer Milliarde Euro (Marktanteil 34 Prozent). Durch alle Kategorien hinweg vorne: Hunde-Snacks. Sie spülten 453 Millionen Euro in die Kassen. Umsatzzuwachs: satte 5,8 Prozent.

Belohnung mit Potenzial

Bei Katzensnacks lag der Umsatz 2014 bei 238 Millionen Euro, das entspricht einem Umsatzplus von 4,8 Prozent. „Der Bereich Snacks bietet nach wie vor viel Potenzial“, sagt Christian Kleissner, Category Development Director bei Mars Petcare. Der Trend zu Snacks mit funktionalem Zusatznutzen sei ungebrochen. Bei der Marke Pedigree ist das zum Beispiel „Gelenk Aktiv“, ein Snack der die Beweglichkeit von Hunden verbessern soll. Der Kitekat-Snack Knusperfit ist mit Vitaminen und Taurin angereichert. Die Marktforscher von Information Ressources (IRI) prognostizieren, dass der Trend genau in diese Richtung geht: „Der Kunde zieht ein Produkt mit Zusatznutzen vor.“

Trends aus der Humanindustrie

Wenn gesunde Nahrung das Leben eines Menschen verlängern kann, warum sollte das nicht bei Tieren funktionieren. Die Verkaufszahlen steigen jedenfalls. „Verbraucher folgen den Trends, die wir auch aus der Humanindustrie kennen“, sagt Meyer. Da wäre zum Beispiel Nachhaltigkeit oder biologische Ernährung. In Denn´s  Biomarkt in Rastatt gibt es Tierfutter vom Biobauern aus eigenem Anbau, verspricht der Slogan. Dahinter steht die Bio-Marke Demeter. Denn´s führt Trocken- und Nassfutter für Hunde und Katzen. „Der Umsatz hat sich gut entwickelt“, so die Filialleitung. Die Liste der Trends, die aus der Lebensmittelindustrie herüberströmen, lässt sich fortschreiben: Futter ohne Konservierungsstoffe, künstliche Aroma- oder Farbstoffe.

Die veränderte Rolle von Haustieren hat dem Segment auch noch unter einem anderen Aspekt einen Schub verliehen: „Aufgrund der zunehmend emotionalisierten Mensch-Tier-Beziehung wächst auch die Nachfrage nach Belohnungssnacks“, sagt Kleissner. Immer mehr Konsumenten setzen bei ihren Tieren auf eine Mischfütterung und mehrere Portionen am Tag. Das spiegelt sich dann auch in den Umsätzen wider.

Gewinner oder Verlierer?

Trockenfutter für Hunde legte mit 3,9 Prozent nicht ganz so stark zu wie Feuchtfutter (+5,4 Prozent), Trockenfutter für Katzen verzeichnete ein Minus von 2 Prozent. Katzen-Feuchtfutter legte dagegen um 2,6 Prozent zu. Von Gewinnern und Verlierern könne im Vergleich zwischen Trocken- und Nassfutter aber keine Rede sein, so die Einschätzung des Industrieverbandes Heimtierbedarf – die Entwicklung geht hin zu einer Kombination verschiedener Futtersorten. „Tierhaltern ist ein Gesamtpaket wichtig, das den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen bestmöglich entspricht“, erläutert Kleissner. Das aber gilt nicht nur für die Zusammenstellung im Napf: „Die Bedeutung von Nahrung mit einem gesundheitlichen Nutzen für verschiedene Lebensphasen wird weiter zunehmen“, ist auch Heilig von Nestlé Purina Petcare überzeugt.

Bei den Verpackungsgrößen liegen Einzelportionen im Trend, besonders bei Katzen. Hinter ihrem großen Erfolg sieht Heilig vor allem den Convenience-Gedanken. Kleinere Packungen sind auch bei Hundefutter gefragt, dann aber für kleinere Rassen. Im Gegensatz zu den beiden großen Segmenten Hund und Katze sind die Zuwächse bei Nagern, Vögeln und Fischen deutlich geringer, Tendenz sinkend.

Weniger Kleintiere

Zierfischfutter erwirtschaftete mit 62 Millionen Euro ein Plus von 1,6 Prozent, Ziervogelfutter verlor dagegen 2,1 Prozent (Umsatz: 46 Millionen Euro). Futter für sonstige Heimtiere legte um 0,8 Prozent leicht auf 125 Millionen Euro zu. Auf dem Kleintiermarkt sind die Bedingungen laut Industrieverband Heimtierbedarf schwieriger geworden. Meerschweinchen, Hamster und Kaninchen sind typische Einsteiger-Haustiere für Kinder und werden häufig von Familien gehalten. Doch diese klassische Familie wird seltener – und damit auch die Nager-Population.

Unter dem Strich boomt der Markt für Tiernahrung – für den LEH wird allerdings die Konkurrenz aus dem Internet größer. Nach Experten-Schätzungen erwirtschaftete er im letzten Jahr 420 Millionen Euro (2013: 400 Millionen Euro).

Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Konzept & Markt hat ein Fünftel der deutschen Online-Shopper Tiernahrung und -zubehör im Internet gekauft. Fressnapf und Zooplus seien die beliebtesten Adressen. Im Vergleich zu anderen FMCG-Produkten hat Tiernahrung den größten Onlinemarktanteil. Ralf Heilig erwartet, dass er weiter steigt. „Allerdings ist das eine Tendenz, die man auch nicht überbewerten sollte.“ Was der Handel tun kann, um gegen den Internethandel zu bestehen  „Er muss noch lernen, Trends flexibler zu folgen.“

Interview

mit Christian Kleissner Category Development Director, Mars Petcare Deutschland.

Welche Basisregeln sollten am Regal eingehalten werden?
Kleissner:
 Grundlegend für Erfolg mit der Kategorie Heimtiernahrung sind Produktvielfalt, die Identifizierung von Schnelldrehern und die Vermeidung von Out-of-Stocks. Zudem müssen die Kunden die Produkte am Regal schnell finden, denn die Kategorie wird aufgrund ihres hohen Plankaufcharakters gezielt aufgesucht und routiniert gekauft.

Wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf im Regal?
Kleissner: Die Basis für den Erfolg einer Kategorie bildet immer zuerst das richtige, auf den Shopper und seine Bedürfnisse ausgerichtete Sortiment. Im Regal kommt es vor allem auf die Struktur an: Eine einfache Orientierung in einer komplexen Kategorie trägt nachgewiesen zu einem positiven Einkaufserlebnis und einer höheren Zufriedenheit bei.

Wie erreicht man mehr Klarheit in den Abteilungen?
Kleissner: Wie eine optimale Struktur aussieht, hängt eng damit zusammen, an welchem Standort ich mich befi nde und wie viel Platz für die Kategorie Heimtiernahrung zur Verfügung steht. Für Kleinflächen eignen sich Markenblöcke besonders gut. Für Großflächen mit besonders breiten Sortimenten bieten sich Segmentblöcke an. Die Produkte sollten dann innerhalb der einzelnen Segmente ebenfalls nach Marken geordnet sein.

Lassen sich erfolgreiche Konzepte wie die Erlebniswelten im Fachhandel auch auf den Einzelhandel übertragen?
Kleissner: Ja, attraktive Zweitplatzierungen mit weiterführenden Produktinformationen, emotionalem Design sowie Waren und Gratis-Zugaben zum Anfassen bieten eine Möglichkeit, den Kauf auch im Einzelhandel zum Erlebnis werden zu lassen.

Was kann der deutsche Markt sich von Tiernahrungsabteilungen in Ländern wie China abschauen?
Kleissner: Was insbesondere in China gut gelingt, ist, die Kategorie Tiernahrung emotional in Szene zu setzen. Die Aufbauten sind aufmerksamkeitsstark und geben eine klare Struktur und damit gute Orientierung.

Fotos: Masterfile, Unternehmen, RU
Fotos: Masterfile, Unternehmen, RU
Fotos: Masterfile, Unternehmen, RU
Fotos: Masterfile, Unternehmen, RU
Christian Kleissner, Category Development Director, Mars Petcare Deutschland
Christian Kleissner, Category Development Director, Mars Petcare Deutschland
Christian Kleissner, Category Development Director, Mars Petcare Deutschland
Christian Kleissner, Category Development Director, Mars Petcare Deutschland

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