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Frisch aufgetischt: Gastro-Konzepte im LEH

Von Rinderbraten mit Kraut bis Kaffee in Barista-Qualität – Handelsgastro professionalisiert sich in Angebot und Gastlichkeit. Heute werden auch eher ländliche Gegenden zu Top-Standorten wie in Kulmbach bei Edeka Seidl.

Küchenkonzept im fränkischen Kulmbach: Bei Edeka Seidl wird täglich mit frischen Zutaten aufgekocht.
Von Sibylle Menzel | Fotos: Edeka Seidl, Hans-Rudolf Schulz, Santiago Engelhardt, Globus

Er startete mit einer der größten Unverpackt-Abteilungen in einem Supermarkt und installierte ein Indoor-Gewächshaus: Edeka-Kaufmann Michael Seidl hält im fränkischen Kulmbach seine Kunden mit Innovativem auf Trab. Dagegen scheint die letztjährige Entscheidung, ein bestuhltes Gastroangebot im Markt auf der Fläche zu eröffnen, weniger spektakulär, dennoch hatte Seidl Respekt: „Im Ländlichen ist ein solches Angebot noch nicht sehr verbreitet.
Aber Gastro ist Trend, das ist die Zukunft.“

Zwei Märkte, zwei Konzepte

Seidl führt zwei Märkte mit unterschiedlichen Gastroangeboten. Während eines auf Klassiker wie Döner, Burger, Panini bis zur Pizza setzt, sind im Markt „Am Goldenen Feld“ Mittagsgerichte zum Vor-Ort-Verzehr hinzugekommen.
Auf der wöchentlich wechselnden Speisekarte stehen Deftiges aus der Region, Nudelgerichte, Vegetarisches. Vorausgegangen sind eine genaue Standort- und Zielgruppenanalyse.

Überraschungen gab es dennoch: Wird im Markt Veganes/Vegetarisches gut gekauft, läuft der Absatz vegetarischer Burger hingegen schleppend. Bei der Marktverpflegung bevorzugt das Klientel in Kulmbach eben überwiegend Fleisch.

Mehr als ein Appetithappen

Seidls gesamtes Konzept beruht auf eigener Entwicklung, alle Speiseangebote stammen bis zu den Soßen aus eigener Herstellung, abgesehen von den Pizzaböden. Eine „saubere“ Zutatenliste, Frische und Handwerk lautet
das Credo. Damit trifft Seidl den Nerv der Zeit.

Die Handelsforschung erkennt einen deutlichen Trend zur Qualitätssteigerung mit Blick auf Speisen und Getränke sowie auf Ausstattung und Ambiente. Wie aus der EHI-Studie „Handelsgastronomie in Deutschland 2020“ weiter hervorgeht, macht der Markt Kasse: Rund zehn Millarden Euro wurden im Einzelhandel erwirtschaftet (EHI 2019).
Den größten „Kuchen“ sicherte sich der LEH mit Angeboten in der Vorkassenzone wie auf der Fläche.

Auch die wichtigsten Kaufaspekte für Verbraucher bei frischen verzehrfertigen Speisen hat eine EHI-Studie gemeinsam mit den GfK-Marktforschern untersucht. Die Top drei: Hygiene und Sauberkeit, gutes Preis-Leistungs-
Verhältnis sowie Frische bei Zutaten und Zubereitung. Rund 80 Prozent der Kunden lassen durchschnittlich sechs Euro an der Kasse, bei 20 Prozent geht der Durchschnittsbon weit darüber hinaus.

Nichtsdestotrotz: Über die Rentabilität eines Gastroangebots hält man sich in Händlerkreisen eher bedeckt. Michael Seidl: „Ich bin sehr zufrieden. Wirklich Geld verdient man damit aber nicht.“

Gastro in Zeiten von Corona...

Convenientes, Snacks, Salate und Bowls in Vintage-angehauchtem Ambiente, inspieriert von internationalen Metropolen: Edeka-Kauffrau Silke Brehm konzeptionierte ihren Gastrobereich am Markteingang in Berlin Zehlendorf detailliert und aufwendig. Kurz nach Markteröffnung im vergangenen Jahr musste das neue Gastroangebot coronabedingt schließen.

Obgleich im LEH die Umsatzeinbußen im Vergleich zur Nonfood-Gastro – ganz zu schweigen zur Außer-Haus-Gastronomie – laut EHI relativ moderat ausfielen – vielerorts läuft der Betrieb nicht rund. Bei Edeka Seidl bleiben Stand Anfang August 2021 die Stühle auf der Fläche nach Behördenvorgabe immer noch unbesetzt.

... und die Suche nach Personal

Außerdem fehle es akut an Personal, die Pandemie hat die Arbeitsmarktsituation verschärft, so Seidl. Mit Folgen: „Wir suchen aktiv und versuchen, den Personalmangel zu überbrücken. Gelingt es uns nicht mehr, werden wir punktuell das Angebot am Nachmittag reduzieren müssen.“

Grundsätzlich verfolgt Seidl nach Expertenmeinungen die richtige Strategie, indem er auf Fachpersonal setzt, um die Küchenkompetenz des Marktes zusätzlich zu unterstreichen. Geregelte Arbeitszeiten und -bedingungen im Handel sind für Mitarbeiter aus klassischer Gastronomie attraktive Aspekte, die Kaufleute besonders ausspielen können. Vorteile für Servicepersonal und Köche – und auch für ausgebildete Baristas, die etwa bei Edeka-Kaufmann Raphael Dirnberger in Regensburg Shopper mit Kaffeespezialitäten aus der eigenen Rösterei verwöhnen.

Mehrwert Gastro

Kundenbindung fördern, Aufenthalt erhöhen: Gastro dient im LEH vielen Zwecken. Zusätzliche Mehrwerte, die etwa Globus in St. Wendel mit Front-Cooking und einzigartigem Panorama-Restaurant generiert: gestärkte Eigenmarken und -herstellung, profitabel eingebundene Marktaktionen und Symbiose aus Einkaufsstätte
und sozialem Treffpunkt.

Erfolgskriterien

Authentizität, freundlicher Service, hochwertige Zutaten zählen zu den wichtigsten Kriterien für Erfolgskonzepte. Frank Wagner, Präsident des FCSI, der Spezialisten der Gastronomie vertritt, sieht Nachhaltigkeit im Fokus, relevant sowohl bei Verpackungen to go als auch bei der Auswahl der Zutaten: „Regionalität und Herkunft spielen eine Rolle.“

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