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Geflügelwirtschaft will Tarifvertrag für die ganze Branche

Die deutsche Geflügelwirtschaft strebt einen Tarifvertrag für die gesamte Branche an und setzt dabei auf eine starke Sozialpartnerschaft und Flexibilität. Von Seiten der Politik sei der jüngste Vorstoß laut dem Verband ZDG positiv aufgenommen worden.

Geflügelwirtschaft ZDG Tarifvertrag
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Von Mirko Jeschke | Fotos: ZDG

In der Diskussion um Arbeitnehmerschutz in der Fleischwirtschaft macht die deutsche Geflügelwirtschaft der Politik ein nach eigenen Angaben weitreichendes Angebot. "Wir wollen einen Tarifvertrag für die gesamte Branche", so Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) auf dem heutigen digitalen Politischen Frühstück des Verbands. Der jüngste Vorstoß werde von der gesamten deutschen Schlachtgeflügelbranche getragen und habe in der Bundespolitik eine sehr positive Resonanz seitens der Parlamentarier ausgelöst.

Tarifvertrag sichert Beschäftigten effektiven Arbeitnehmerschutz

Aus Sicht des ZDG ist der allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag gegenüber dem Gesetz die klar stärkere Lösung: Er biete den Beschäftigten durch umfassende Regelungen effektiven Arbeitnehmerschutz und sichere überdies den Unternehmen die dringend nötige Flexibilität durch Arbeitnehmerüberlassung, also Leiharbeit. "Der Tarifvertrag bietet die Chance, die zahlreichen Vorschläge zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Detail festzuschreiben", sagt ZDG-Präsident Ripke. "Das wollen wir gemeinschaftlich anpacken, wir stehen zu unserer Verantwortung!" Das sektorale Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung hält der ZDG nach wie vor für verfassungswidrig. Gleichwohl hat die Branche den Verzicht auf Werkverträge ab Januar 2021 erklärt. "Die Arbeitnehmerüberlassung als wichtiges Instrument für saisonale Absatzspitzen aber brauchen wir", betont Ripke. "Hier bitten wir die Politik um klare Differenzierung und wichtige Unterstützung."

Tarifvertrag kann mehr als Gesetz - schneller, umfassender, detailreicher

Warum ist der Tarifvertrag im Vergleich zu einem Gesetz die klar bessere Lösung? Eine umfassende juristische Würdigung hierzu gab Prof. Dr. Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, beim Politischen Frühstück. "Der Tarifvertrag kann deutlich mehr als ein Gesetz - er ist schneller, umfassender, detailreicher und hat effektivere Kontrollregelungen", sagt Thüsing. Aktuelle Überlegungen, außer Werkverträgen auch die Arbeitnehmerüberlassung zu verbieten, seien hingegen nicht mehr als ein "politischer Reflex" und in der Sache unbegründet, so Thüsing: "Durch die intensive Regulierung der Leiharbeit zum Beispiel mit Equal Pay ist ein erheblicher Arbeitnehmerschutz gewährleistet. Für ein Verbot gibt es europa- und verfassungsrechtlich keine hinreichenden Gründe."

"Ohne Flexibilität hat die Geflügelfleischerzeugung in Deutschland keine Zukunft"

Für die Wirtschaftsgruppe der Geflügelschlachtereien im ZDG schilderte Präsidiumsmitglied Paul-Heinz Wesjohann eindringlich die dramatischen Auswirkungen eines möglichen Verbots der Arbeitnehmerüberlassung auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Geflügelfleischerzeugung. In der Grillsaison von März bis August seien die Geflügelschlachtereien auf 20 bis 25 Prozent mehr Mitarbeiter angewiesen, um die saisonal deutlich höheren Aufträge aus dem Lebensmitteleinzelhandel bewerkstelligen zu können. "Wenn wir diese Nachfrage nicht bedienen können, kommt die Ware aus dem Ausland – und dann hat unsere fortschrittliche deutsche Geflügelfleischerzeugung mit den tierwohlorientierten Geflügelhaltern keine Zukunft mehr", richtete Wesjohann einen klaren Appell an die Politik. "Wir wünschen uns einen Tarifvertrag, aber wir brauchen Ihre Hilfe bei der Flexibilität."

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