Die Hamsterkäufe aufgrund der Corona-Pandemie erreichten nach den Erkenntnissen des Marktforschungsunternehmens IRI in der zweiten Märzwoche im deutschen Lebensmitteileinzelhandel ihren bisherigen Höhepunkt. Die Wachstumsrate der gesamten FMCG-Umsätze betrug +35,4 Prozent im Vergleich zur Vorjahreswoche. Laut dem „IRI Corona Tracker“ schnellte das FMCG-Umsatzwachstum erstmals in der letzten Februarwoche mit +16 Prozent in den zweistelligen Bereich und erhöhte sich nach der Erklärung von COVID-19 zur Pandemie in der Kalenderwoche elf noch einmal um mehr als das Doppelte. In dieser Kalenderwoche wurden in Deutschland auch die ersten Todesfälle gemeldet; die Ausgangssperre in Italien wurde auf das ganze Land ausgeweitet.
Am stärksten gehamstert wurde in der zweiten Märzwoche laut IRI in Bayern mit einem Umsatzplus von 42 Prozent im Vergleich zur Vorjahreswoche. Es folgen Baden-Württemberg (+40 %) und das von IRI unter „Mitte“ zusammengefasste Gebiet bestehend aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit +39 Prozent. In NRW bewegen sich die Umsätze zwar ebenfalls im überdurchschnittlichen Bereich im Vergleich zum Vorjahr, liegen im Ländervergleich aber am Ende des Rankings. IRI erklärt diese Tatsache unter anderem mit der unterschiedlichen Lage von Karneval, dem Ausfall vieler Karnevalsveranstaltungen aufgrund des Wetters und dem damit einhergehenden Kauf bzw. Nicht-Kauf von Alkohol. Zudem nahm Corona einigen Karnevalisten wahrscheinlich bereits die Feierlaune.
Überall in Deutschland waren es auch in Kalenderwoche elf wieder die Desinfektionsmittel und -tücher, die am stärksten gehamstert wurden. Die Umsätze der Warengruppe „feuchte Reinigungstücher“ lagen in der zweiten Märzwoche um 475 Prozent über denen der Vorjahreswoche. Hygiene- bzw. Sanitärreiniger machten ein Plus von 251,3 Prozent. Zusammen mit der „Seife“ gehören die zuvor genannten Warengruppen zu den unangefochtenen Top-3-Warengruppen mit den stärksten Wachstumsraten im Lebensmitteleinzelhandel – seit Wochen.
Nudeln erlebten in der elften Kalenderwoche einen besonders deutlichen Umsatzanstieg und kletterten von +94 Prozent in Kalenderwoche zehn auf +218 Prozent. Auch Teilfertiggerichte und Fertiggerichte legten ordentlich zu und wanderten in der zweiten Märzwoche dreimal so häufig in die Warenkörbe der Verbraucher wie noch in der Vorwoche.
Im stationären Handel zeigt sich weiter ein recht einheitliches Bild über alle Vertriebsschienen hinweg mit Zuwachsraten zwischen 30 und 40 Prozent. Spitzenreiter sind in Kalenderwoche elf die Verbrauchermärkte mit einem Plus von rund 38 Prozent. Der Lebensmitteleinzelhandel insgesamt legte im Vergleich zur Vorwoche um 20,7 Prozentpunkte zu und generierte 35,4 Prozent mehr Umsatz als in der vergleichbaren Woche des Vorjahres.
„Wir rechnen für die Kalenderwochen zwölf und 13 mit weiteren Anstiegen. Danach dürften die Hamsterkäufe im Wesentlichen getätigt sein, aber die Umsätze werden weiter zweistellig über Vorjahr liegen – zumal der Außer-Haus-Konsum durch höheren In-Haus-Konsum wenigstens zum Teil kompensiert wird. Maßnahmen wie Einlasskontrollen oder geregelte Abgabemengen werden sich aber in den Zahlen widerspiegeln. Spätestens zu Ostern müssen sich die Händler dann aber wieder auf eine erhöhte Nachfrage einstellen,“ vermutet Christoph Knoke, Geschäftsführer IRI Deutschland. Aufgrund der sich verschärfenden Wirtschaftslage rechnet Knoke damit, dass viele Verbraucher künftig preissensibler werden und verstärkt zu günstigeren Marken und/oder Eigenmarkenprodukten greifen. Die Entwicklungen in Italien, das schon seit Anfang Februar mit dem Corona-Ausbruch zu kämpfen hat, zeigen aber auch, dass angesichts der unsicheren Zukunft für die Konsumenten einerseits mit steigenden Käufen von Eigenmarken und Preiseinstiegsmarken sowie andererseits mit dem vermehrten Griff zu vertrauten, starken Marken zu rechnen ist.
Auch online beobachtet IRI weiterhin steigende Verkäufe, allerdings bewegen sich diese seit Kalenderwoche neun auf einem relativ konstanten Niveau mit plus 17 Prozent in der neunten Kalenderwoche und jeweils plus 18 Prozent in Kalenderwoche zehn und elf. Da im IRI-Bericht zum Online-Handel aber vornehmlich Non-Food-Händler betrachtet wurden, ist davon auszugehen, dass das tatsächliche Plus deutlich höher ausfallen dürfte für den Schwerpunkt Lebensmittel. „Die Deutschen bestellen jetzt verstärkt auch Lebensmittel online, bisher hatten Lebensmittel am E-Commerce nur einen Anteil von rund ein bis zwei Prozent“, erklärt Christoph Knoke. Das Corona-Virus gibt dem Online-Geschäft mit Lebensmitteln deutlich Schwung und der Lebensmittel-Kauf über das Internet wird von dieser Dynamik sicherlich auch über die Zeit von Pandemie und Kontaktsperre hinaus profitieren“, so Knoke.