Artikel

Jörg Fritze, Oettinger

Wie steht es um den Biermarkt? Ausführliche Statements von Jörg Fritze, Vertriebsleiter Oettinger.

zur Bilderstrecke, 3 Bilder
Von Linda Schuppan | Fotos: Unternehmen

Herr Fritze, noch mehr Werteverlust bei Bier ist kaum möglich. Nun hat Krombacher seine Preiserhöhung zurückgezogen, was viele ziemlich sprachlos zurücklässt. Was sagen Sie?
Dass der Marktführer 7 Wochen nach Ankündigung eine Preiserhöhung zurücknimmt hat ganz sicher nicht nur mich sehr überrascht und klingt für mich eher nach einer Bankrotterklärung. Das zeigt die mehr als angespannte Marktsituation, wo es offensichtlich nach wie vor nur darauf ankommt, Hektoliter und Marktanteile zu sichern.

Ist das auch eine Bankrotterklärung in Sachen deutschem Unternehmertum?
Gute Frage. Die inhabergeführten Brauereien haben alle Freiheiten und könnten sich mittel- und langfristig nachhaltig positionieren, denn wir haben in der Mehrzahl. keine Quartalsjunkies, die uns im Nacken sitzen.

Wo wird die Reise also hingehen?
Ich weiß es nicht. In diesem Jahr wurde ja schon die nächste Rakete gezündet: Nicht nur Aktionspreise nicht selten um die 10 Euro sind die Regel, auch gratis Sixpacks on top machen flächendeckend die Runde. Die Aktionspreise dürften also nochmals deutlich nachgeben. Der Markt wird auch weiter rückläufig sein. Seit 2002 ist er um 18 % im Volumen geschrumpft. Allerdings ohne alkoholfreies Bier und Biermischgetränke.

Was tut denn Oettinger für mehr Wertschöpfung?
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir sind in den letzten Jahren um ca. 25 % mit den Preisen nach oben gegangen.. Viele unserer Wettbewerber um ca. 25 % nach unten.

Das dürfte ja auch betriebswirtschaftliche Gründe gehabt haben.
Sicher. Das verneinen wir auch nicht. Aber es war auch eine bewusste Entscheidung, um die Marke zu stärken. Wir waren das Billigbier, heute sind wir eine Marke im Preiseinstieg. An diesem Weg werden wir festhalten.

Was heißt das für Oettinger genau?
Wir können uns glücklich schätzen, dass unser damaliger Chef Dirk Kollmar unser Unternehmen mit 5 Divisionen breit aufgestellt hat: die Marke, den Export, die Handelsmarkendivision, Lizenzproduktion und die Dienstleistungen. Wenn wir diese Divisionen nicht hätten, kann man sich ausmalen, wie es aussehen würde. Dann hätten wir nicht viel zum Abfedern. Aber so ist es gelungen, das Unternehmen weiterzuentwickeln, obwohl die Marke  Oettinger die letzten Jahre verloren hat.

Alkoholfrei wächst. Was tut Oettinger?
Dort wachsen wir auch. Der Knaller sind unsere Fassbrausen. Damit sind wir zwar spät gestartet, aber wir wachsen in einem rückläufigen Markt mit über 50 % zum Vorjahr.

Wie sieht es da preislich aus?
Das ist nahezu 100 % Normalgeschäft. Das ist Wertschöpfung pur für den Handel.

Was halten Sie vom Craft-Trend?
Wir sehen Craft grundsätzlich positiv. Das tut der Branche gut. Aber wir glauben, das bleibt eine Nische. Für Oettinger passt das jedenfalls nicht. Wir brauchen Menge, kein Kleinklein. Aber die Craft-Szene spielt vielen  gut in die Karten, weil sie die Polarisierung zwischen handwerklich traditionell gefertigten Bieren und industrialisierten zu Tage fördert.

Hat die Craft-Szene das Image der Großen wieder poliert?
Sie sind dabei. Jetzt müssten nur noch andere Große ihre Hausaufgaben machen. Da sie aber genau das Gegenteil tun, reißen sie das wieder ein, was an positivem Image aufgebaut wird.

Was müssten die anderen denn tun?
Ihre Marke stärken, auch über entsprechend vernünftige Preise und Aktionsanteile.

Wie lange kann das mit den Preisen noch so weitergehen?
Das wird so lange weitergehen wie die Schmerzen auf beiden Seiten noch nicht groß genug sind. Warum die Branche sich so verhält wie sie sich verhält hat ja nun auch damit zu tun, dass es den Brauereien wirtschaftlich noch sehr gut geht. Und solange der Handel das Spiel mitmacht, läuft es so weiter.

Und der Handel dreht munter weiter an der Preisschraube.
Wenn eine marktführende Brauerei den Handel mit einer Preissteigerung von 12 Euro je Hektoliter konfrontiert, ist das Geschrei natürlich erstmal groß. Aber die Hoheit der Abgabepreise liegt nun mal bei der Industrie.

Was wäre denn ein Ausweg?
Man muss bei den Abgabepreisen Konsequenz an den Tag legen. Das ist das einzige was der Industrie bleibt. Die Verantwortlichen müssen das Risiko eingehen, Mengen und Marktanteile zu verlieren. Wer dazu nicht bereit ist, kann weiter zuschauen, wie seine Marken weiter an Markenimage verlieren.

Zumal die Beliebtheit der TV-Biere ja weiter abnimmt.
Die TV-Biere haben laut Nielsen noch eine Markenloyalität von 22 bis 25 %. Da klingeln doch bei jedem Marketingmann die Alarmglocken. Ich weiß nicht, wo bei den Kollegen die Schmerzgrenze ist. Im Ergebnis sind die Marken immer austauschbarer.

Wie lautet Ihr Appell an den Handel?
Genauer zu schauen welches Produkt unter Berücksichtigung der Aktionsanteile – die liegen ja weit über 70 % bei TV-Bieren - die beste Flächenproduktivität aufweist. Das findet gegenwärtig zu wenig Berücksichtigung. Wenn Fernsehbiere einen Promoanteil von 75 % und mehr haben, dann läuft im Umkehrschluss zum Normalpreis fast nichts mehr. Warum muss ich dann zum Normalpreis eine Palette Ware stehen haben. Da reicht doch eine Reihe aus.

Spüren Sie denn ein Umdenken beim Handel?
Ich denke schon. Aber am Ende ist es wie immer: Man fängt an den neuen Weg zu beschreiten aber es ist ein langer Weg. Die Konsumgewohnheiten ändern sich und somit wird die Sortimentsbreite immer größer.. Auch bei uns. Die Regionalität nimmt zu und der Handel braucht Platz.

Welche Wünsche haben Sie an Ihre Mitbewerber?
Dem eigenen Markenanspruch nicht nur in bunten Bildern und Worten zu entsprechen, sondern auch mit dem eigenen Handeln in Einklang zu bringen.

Was sehen Sie in 10 Jahren bei Bier?
In 10 Jahren werden wir diese Aktionitis nicht mehr haben. Wir werden dann ein anderes Preisniveau bei Bier erleben.

Müssen?
Die Spreu wird sich vom Weizen trennen. Wir werden erleben, dass sich Marken wieder preislich abkoppeln. Dahin müssen sich die TV-Biere entwickeln, wenn sie überleben wollen.

Und was tut Oettinger?
Wir haben einen langen Atem, haben unsere Hausaufgaben gemacht und werden nahtlos an dieser Strategie festhalten.

Jörg Fritze, Oettinger

Artikel teilen

Gut informiert durch die Krise