Als Grenzgänger zwischen Tradition und Moderne? Nein, so sieht Jürgen Brandstetter seinen Job wirklich nicht. Die Absatzlage für das Wicklein-Sortiment aus der Lebkuchen-Schmidt-Gruppe ist grundsolide. Herausforderungen hat auch er zu bestehen: „Bestimmte Zutaten wie Schokolade, Eier und Zucker sind zwischen 60 und 200 Prozent teurer geworden. Auch die Energiepreise liegen noch immer um ein Vielfaches höher als vor dem Ukrainekrieg, und aufgrund der ideologiegetriebenen Energiepolitik der Bundesregierung wird sich das wohl nicht mehr ändern.“ Innovationen finden also eher in kleineren Schritten statt.
Weihnachten als sichere Bank
Weihnachten ist für einen Lebkuchenhersteller eine sichere Bank. „Noch immer erzielen wir rund zwei Drittel unseres Jahresumsatzes von September bis Heiligabend, und diese Zeit wird immer unsere Hauptsaison bleiben“, sagt der gebürtige Augsburger Jürgen Brandstetter, der mit seiner Herkunft aus einer Bäckerfamilie nach einer Bäckerlehre ein Wirtschaftsstudium in St. Gallen abschloss. Seit 2018 ist er als Geschäftsführer für Wicklein verantwortlich. Gefragt sei dort einerseits der Geschmack der Kindheit: „Wenn Sie eine Packung Schokoladen-Elisen öffnen, dann fühlen Sie sich sofort an die Weihnachtsfeste von früher erinnert. Solche Emotionen mit einem Produkt erzeugen zu können, ist ein großes Privileg. Deshalb werden wir auch an diesen Rezepten nichts ändern.“
Die Stategie: Ostern, bio, vegan
Die Innovationskraft richtet sich auf neue Produkte. „Wir wollen neben dem klassischen Weihnachtsgeschäft auch unser Angebot an hochwertigen Oster- und Ganzjahresgebäcken ausbauen. Wir wachsen stetig im Bereich Bio und Vegan, und wir setzen auf originelle Verpackungen“, so Brandstetter. Vegane Lebkuchen herstellen – damit habe Wicklein Erfahrung. „Wir waren schon vor Jahren der wohl erste Lebkuchenhersteller, der eine vegane Variante auf den Markt gebracht hat. Heuer kommen etwa vegane Nuss-Sterne oder sogar ein veganes Lebkuchen-Bastelhaus zum Sortiment hinzu.“ Auch wenn es sehr anspruchsvoll sei, den authentischen Geschmack ohne die Verwendung etwa von Honig zu erzeugen, sei man stolz auf die inzwischen zehn Spezialitäten umfassende Vegan-Linie.
Und was sagt der Manager zum Thema Nachhaltigkeit? „Der gesamte Komplex der Nachhaltigkeit ist für uns sehr wichtig. Wir verstehen das aber nicht als klangvolles PR-Thema, sondern als einen der relevantesten Punkte in unserem unternehmerischen Werteleitbild. Dabei definieren wir Nachhaltigkeit mehrschichtig: sozial, gesellschaftlich, aber natürlich auch ökologisch.“ Am Wicklein-Standort in Nürnberg setze man vollständig auf Strom aus regenerativen Energien, reduziere kontinuierlich Verpackungsmaterial, verwende ausschließlich Schokolade aus Fairtrade-Anbau und habe auf dem Werksgelände eine Heimat für Bienen geschaffen. „Aber Nachhaltigkeit bedeutet für uns eben auch, die Gesundheit unserer Beschäftigten zu fördern oder Benefits wie Dienstfahrräder oder günstige Ladesäulen für E-Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen.“
Aus Nürnberg in die Welt
Neben der Strategie in Richtung Ganzjahresgebäcke in Europa hat Brandstetter auch die Welt im Blick: „Wir setzen auf den Export und wollen in Nordamerika und Asien weitere Handelspartner finden, um dort noch mehr Verbraucher für traditionelle Nürnberger Gebäckspezialitäten zu begeistern.“