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KI ist einfach überall!

Künstliche Intelligenz ist längst fast überall in unserem Leben angekommen. Auch im Supermarkt ist die Technologie nahezu unbemerkt zu einem Werkzeug für viele Anwendungen geworden.

Von Gunnar Brune | Fotos: Adobe Stock/Iftikhar alam

Künstliche Intelligenz ist aus vielen Anwendungen und nicht zuletzt unseren Telefonen nicht mehr wegzudenken. Wir können daher problemlos sagen: Wo Menschen sind, ist auch KI. Somit lässt sich diese Thematik auch aus der Welt der Supermärkte nicht mehr wegdenken, vor allem seit die Technologie Ende 2023 mit Launch des frei verfügbaren ChatGPT final in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Doch KI ist mehr als ChatGPT. KI ist zu einem Erfolgsfaktor für alle Bereiche der Wirtschaft geworden und hilft in allen Stufen der Wertschöpfungskette, effizienter und innovativer zu arbeiten. 

KI erkennt vor allem eines: Muster

Um Künstliche Intelligenz besser zu verstehen, müssen wir uns von dem Missverständnis verabschieden, KI sei so etwas wie ein menschenähnlicher Roboter wie aus einem Kinofilm. KI ist vielmehr ein Werkzeug in Form von Software, das ganz bestimmte Dinge gut kann. Mustererkennung ist hier das vielleicht wichtigste Stichwort. Dafür arbeiten sich die Software-Algorithmen, auf denen KI basiert, fleißig durch riesige Datenmengen und erkennen Muster. Optische Muster oder typische Zusammenhänge in einer großen Statistik. Oder Wörter, Sprache, Texte, Bedeutungen.

Das ist auch einer der Gründe, warum KI in der Bilderkennung besonders weit fortgeschritten ist. KI kann Menschen auf unserem Smartphone erkennen – aber erst, wenn wir sie darauf trainiert haben. Und sie erkennt Packungen in einem Regal. Ein paar Schritte weitergedacht wird klar, dass sie einfache Routinen – die uns banal erscheinen – für uns ausführen kann. Sie kann Rechnungen lesen, sortieren und für die Bezahlung vorschlagen. Sie kann Verkehrsschilder erkennen. Sie kann auch QR-Codes lesen und Informationen aus mit ihnen verknüpften Quellen abfragen. 


"Wenn ich jetzt nicht in Künstliche Intelligenz investiere, dann kann es sein, dass das mein letzter entscheidender Fehler war."

Prof. Dr. Ulf Brefeld, Leuphana Universität Lüneburg


KI ist Spiegel unseres Denkens

Neben diesen einfachen Dingen, die bisher Teil der menschlichen Arbeit waren, kann Künstliche Intelligenz aber noch mehr: Sie erkennt Muster und Zusammenhänge, die wir als Menschen vielleicht nie erkennen würden. Das kann ein Zusammenhang zwischen Wetter, Feiertagen und Kalender, den Aktionen der Vorwoche und dem Erfolg der regionalen Fußballmannschaft sein, der bisher allen verborgen geblieben war. KI kann, weil sie quasi unendlich viele Faktoren in Algorithmen integrieren kann, besonders gute Vorhersagen treffen.

Um ihre Talente ausspielen zu können, muss KI von Menschen trainiert werden. KI-Experten sprechen oft lieber von „Machine Learning“ als von Künstlicher Intelligenz. Die KI ist in vielen Fällen ein Spiegel unseres Denkens, unseres Wissens, aber auch unserer Vorurteile und Fehler. Selbst wenn sich KI in Zukunft selbst trainiert – sie wird bis auf Weiteres in irgendeiner Weise auf Training durch Menschen beruhen. Sie tut, was wir ihr beibringen, und sie spiegelt uns als Menschen und Menschheit.

So sehr sie eine Vorhersagekraft haben kann, ihre Daten beruhen auf Wahrscheinlichkeiten und dem Blick in die Vergangenheit. Sie „erfindet“ nicht und ist nicht „kreativ“, sie wiederholt, kopiert und variiert. Zusammengefasst können wir mit dem Werkzeug KI einfache Aufgaben automatisieren und komplexe Aufgaben vereinfachen. Beide Anwendungen finden wir im System Supermarkt in großer Zahl. In den Bereich der Automatisierung einfacher Aufgaben fallen eine ganze Reihe von Anwendungen.

KI erkennt Muster – auch im LEH

Mit der Bilderkennung können Dokumente, erfasst und digitalisiert werden. So werden Lieferdokumente und Eingangsrechnungen automatisch erfasst, weiterverarbeitet und für die Zahlung vorgeschlagen. Kameras, die auf der Gegenseite des Gangs montiert werden, erkennen die Packungen und die Bestände im Regal. In voll digitalisierten Supermärkten erkennen Kameras, wie die Kunden sich am PoS bewegen und Produkte aus den Regalen in die „Warenkörbe“ legen. Immer werden hier Muster in Bildern erkannt, dazu zählen Barcodes und QR-Codes genauso wie die Packungen oder die Silhouetten von Menschen am PoS.

Der Wareneingang von unverpackten Waren in den Zentrallagern kann ebenfalls mit dieser Technologie beschleunigt werden. Über die Kamerabilder erkennen moderne Systeme die Größe und die Qualität von Früchten wie Äpfeln, Tomaten oder Orangen und erlauben so eine präzisere Qualitätsbestimmung als bei manuellen Stichproben mit geringer Fallzahl. Sogar KI-Baristas gibt es schon, bei ihnen steuert die KI Roboterarme, die den Kaffee-Halbautomaten bedienen und kunstvoll mit dem Espresso Herzmuster in die Milch oder den aufgeschäumten Barista-Haferdrink zaubern. Die Roboterarme bewegen sich dabei gar nicht so zackig, wie man es sich vorstellen mag, sondern weich wie eben bei einem guten Barista. Warum? Ganz einfach, die KI hat nicht die Bedienungsanleitung oder mathematische Formeln verinnerlicht, sondern tatsächlich von Videoaufnahmen menschlicher Baristas die Bedienung gelernt!


"Künstliche Intelligenz wird schon bald in praktisch allen technischen Lösungen in irgendeiner Form ihre Rolle spielen."

Prof. Dr. Andreas Timm-Giel, TU Hamburg


KI steigert die Effizienz

Mit der Automation von einfachen Aufgaben kann die Technologie Künstliche Intelligenz Prozesse und ganze Unternehmen effizienter machen. Aber ihre „Intelligenz“ ist hier quasi unausgelastet. Die Stars der KI sind Systeme, die komplexe Aufgaben vereinfachen. Ein Mensch ist in der Lage, die Zusammenhänge von wenigen Einflussfaktoren in eine Entscheidung einzubeziehen. Der KI ist die Zahl der Einflussfaktoren fast egal. Sie versucht auch meistens gar nicht erst, eine exakte mathematische Formel zu bestimmen, sie sucht einfach nach wahrscheinlichen Ergebnissen auf Basis der Muster, die sie beobachtet. Mit diesen Methoden kann sie komplexe Voraussagen treffen. 

Experten gehen etwa davon aus, dass sie 80 Prozent des Sortiments einer Warengruppe in einem spezifischen Markt automatisiert aufstellen könnte. Der Mensch übernimmt dann die Feinsteuerung. Neben dem Sortimentsmanagement auf Filialebene finden potente KI-Vorhersagen in der Planung von Aktionen eine neue Rolle. Hersteller können Aktionsmengen und Preise präziser steuern, wenn mehr Faktoren in die Planung eingehen.

Auch Wetterdaten und die Wettervorhersage gehen in die Absatzprognosen ein. Diese „Predictions“ helfen nicht zuletzt in der Disposition von frischen Lebensmitteln, Out-of-Stock, Out-of-Shelf oder auch Verderb zu minimieren. So hat sich zum Beispiel für Bäckereien ein hart umkämpfter Spezialmarkt für verschiedene Anbieter von KI-gestützter Prognosesoftware entwickelt. Noch komplizierter als Brot sind natürlich Obst- und Gemüsesortimente zu steuern, aber selbst hierfür bestehen als 
Zusatzleistung in den Category-Management-Systemen schon Angebote im Markt. 

KI optimiert die Produktqualität

Frisches Obst und Gemüse bieten überraschend viele Anwendungen von Künstlicher Intelligenz. Ein schönes Beispiel dafür, wie allgegenwärtig KI schon in Wertschöpfungsketten ist, ist ausgerechnet die Banane. KI kommt im Anbau, in der Ernte, in der Weiterverarbeitung und bis zur Reifung zur Anwendung. Theoretisch können alle Daten aus dem Leben einer Banane – vom Wetter im Anbaugebiet über Erntezeitpunkte bis zur Kühlhistorie – in die Algorithmen der Präzisionsreifung „Softripe“ Eingang finden. Wärme und Ethylen können so präziser zur Reifung eingesetzt werden. Präziser gereifte Bananen sind preiswerter gereift und haben ein besseres Shelf-Life – im Store und im Shopper-Haushalt. Der Effizienznutzen liegt im zweistelligen Prozentbereich.

Ähnliches gilt für Mangos, Avocados und Kiwis: KI hilft, präziser und effizienter zu reifen, um den Shoppern bessere Qualitäten bei geringeren Kosten anzubieten. Die bereits angesprochenen Kühlketten sind ein ganz eigener Bereich für den Einsatz von KI. Mit entsprechend trainierten Modellen ist es dem Unternehmen Axino möglich, jederzeit aus der permanent gemessenen Kühlhistorie auf die Kerntemperatur von Lebensmitteln zu schließen. Damit entfallen invasive Temperaturmessungen, und weniger Lebensmittel müssen, „um sicherzugehen“, vernichtet werden. Die Technologie ist bereits in der Schweiz im Einsatz.

KI hilft, Personal zu finden

Eine der größten aktuellen Herausforderungen für die Wirtschaft ist der Fachkräftemangel. KI-Services helfen, neue Kräfte zu gewinnen. Die in Folge beschriebenen Lösungen werden voraussichtlich auch bald im LEH zur Anwendung kommen, um die Belegschaften zu stärken. Plattformen wie jobmatch.me finden Abkürzungen für Bewerbungsprozesse. Beschäftigungssuchende und Unternehmen kommen über innovative Jobmatch-Algorithmen zusammen.

Nach der Einstellung kann das Verhalten in der Bedienung mit KI-Werkzeugen trainiert werden. Dabei erkennt etwa die Software Retorio KI-unterstützt, wie das Serviceverhalten verbessert werden kann und gibt Individualtrainings. Die so ausgebildeten Kräfte sollen natürlich im Unternehmen gehalten werden. KI kann bei der Dienstplanerstellung für Teams mit sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten und Schichtwünschen relevante Unterstützung leisten.

Nicht zuletzt sind hohe Standards in der Personalführung entscheidende Faktoren für die Zufriedenheit in der Belegschaft. Dazu erhalten Führungskräfte und Fachkräfte spezifische Unterstützung durch KI. Spielerisch können von den Fachkräften etwa Lob und Beurteilungen eingefordert werden, während die Führungskräfte Unterstützung in der respektvollen und wertschätzenden Personalführung von der Software Flowit erhalten.

Es lohnt sich also, sich über die Large Language Modelle (LLM) wie GPT hinaus mit KI zu beschäftigen. Diese Modelle sind erstaunlich leistungsfähig im „Schreiben“ verschiedenster Texte. GPT in der Variante ChatGPT ist dabei das bekannteste Produkt. Wer Experten und Nutzer befragt, stößt dabei auf eine erstaunliche Geschichte. ChatGPT ist eine Variante von der dritten Generation des LLMs GPT des Unternehmens Open AI. Diese Version war im Herbst 2022 schon knapp zwei Jahre professionell im Einsatz, das heißt Unternehmen haben das Modell lizensiert und in ihre eigenen Produkte eingebunden. Die Variante vier stand kurz vor der Veröffentlichung.

In der Sprache des LEH könnte gesagt werden, GPT-3 war wie eine leicht angebräunte Banane am Ende ihres Shelf-Lifes, während die frischen grüngelben Bananen schon im Lager bereitliegen. Was passiert in so einem Moment? Die Ware wird verauktioniert. Im Fall von GPT wurde die Software frei verfügbar gemacht. Um einem möglichst großen Kreis potenzieller Kunden zu zeigen, wie gut die Software ist, wurde ein Chatmodul als Eingabeschnittstelle gewählt, und „ChatGPT“ war geboren. Was dann passierte, hat niemand erwartet. Millionen von Menschen haben die Software ausprobiert und waren begeistert. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat eine Technologie so schnelle Verbreitung gefunden wie das LLM GPT über die ChatGPT. Kein Experte hatte damit gerechnet.

Die Experten hatten auch nicht damit gerechnet, was das GPT-Produkt mit einer Chat-Schnittstelle alles können würde: Wir wissen jetzt, selbst Software kann mit ChatGPT geschrieben werden. Die Experten waren erschrocken – das erklärt zum Teil, warum aktuell ausgerechnet einige der Protagonisten der KI zu stärkerer Regulierung aufrufen.


248,9 Mrd. US-Dollar wurden zwischen 2013 und 2022 alleine in den USA in KI-Unternehmen investiert. In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum gerade einmal 6,99 Milliarden US-Dollar. 

Quelle: Statista


KI revolutioniert die Kundenberatung

Aber zurück zum LEH. Es muss nicht GPT oder die neue Version GPT-4 sein. Ein gut mit dem Wissen eines Unternehmens oder Markts des LEH trainiertes LLM kann als Chatbot in bisher nicht gekannter Weise präzise – und mit minimiertem Risiko der gefürchteten „Halluzination“, die von LLMs bekannt ist – Kundenfragen beantworten.

Auch der LEH wird damit einen Qualitätssprung in der Kundenberatung erleben. Warenkunde, Rezepte, Kochen, Backen, allgemeines Haushaltswissen, Hygienethemen und vieles mehr können in inspirierende und vertrauenswürdige Trainings für die Fachkräfte oder automatisierte Kundengespräche eingehen. Mit dem Einsatz von KI wird auch der LEH Kosten senken und neue Umsatzchancen entwickeln.

Auf dem Weg dorthin hilft KI, indem sie die Geschwindigkeit, Innovationskraft und Effizienz der Unternehmen des LEH verbessert. KI macht Unternehmen leistungsfähiger. Aber vor allem werden solche Unternehmen davon profitieren, die rechtzeitig umstellen und konsequent digitalisieren. Oder mit den Worten von Prof. Dr. Ulf Brefeld von der Leuphana Universität in Lüneburg: „Wenn ich jetzt nicht in Künstliche Intelligenz investiere, dann kann es sein, dass das mein letzter entscheidender Fehler war.“


INFO

Potenziale von KI im LEH

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz bietet dem Handel viele Vorteile. So kann sie beispielsweise über Kameras die Bestände im Regal erfassen, Laufwege von Kunden am PoS erkennen und erfassen, welche Produkte sie aus den Regalen in die „Warenkörbe“ legen. Auch die Größe und die Qualität von Früchten wie Äpfeln, Tomaten oder Orangen kann so erfasst werden, was eine präzisere Qualitätsbestimmung erlaubt. 

KI kann zudem komplexe Voraussagen treffen und wäre in der Lage, 80 Prozent des Sortiments einer Warengruppe in einem spezifischen Markt automatisiert aufzustellen. Neben dem Sortimentsmanagement spielen KI-Vorhersagen in der Planung etwa von Aktionen eine Rolle. Solche Absatzprognosen können in die Disposition von frischen Lebensmitteln verbessern und damit helfen, Verderb zu minimieren.

KI kann Bewerbungsprozesse optimieren und vereinfachen oder durch Individualtrainings das Service-verhalten des Personals verbessern. KI kann bei der Dienstplanerstellung helfen, dabei sehr individuelle Anforderungen berücksichtigen und so die Mitarbeiterzufriedenheit steigern.
Chatbots können präzise Kunden-fragen beantworten, die etwa Warenkunde, Rezepte, Kochen, Backen, allgemeines Haushaltswissen und Hygienethemen umfassen.


Buchtipp

Unser Autor Gunnar Brune stellt in seinem Buch „Künstliche Intelligenz heute“ praktische Anwendungen von KI aus Wirtschaft, Medizin und Wissenschaft vor. 
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