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RUNDSCHAU Round Table Fleisch & Wurst: Mehr Wohl für Mensch und Tier

Die Deutschen verändern sukzessive ihren Bezug zu Fleisch. Unsere Experten diskutieren über den aktuellen Zustand der Branche, den Stellenwert von Tierwohl und die Chancen von Alternativprodukten.

Von Mirko Jeschke | Fotos: RUNDSCHAU, Unternehmen

THESE 1: KONSUMVERHALTEN

Der Fleisch- und Wurstkonsum wird in den nächsten Jahren deutlich sinken – auch aufgrund der Corona-Krise.

Friedrich Büse (Endori): Dieser Trend wird sich fortsetzen, insbesondere weil es immer mehr andere Angebote gibt. Je mehr die Akzeptanz des Verbrauchers für Alternativprodukte steigt, desto stärker wird der Konsum von klassischen Fleisch- und Wurstwaren zurückgehen. Der Megatrend Gesundheit trägt zu dieser Entwicklung bei. Corona war ein Brennglas, weil viele Menschen gezwungen waren, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Wenn Corona wieder abebbt, wird all das aber nicht wieder zurückgedreht, das wird nicht passieren.

Jens Wiele (Rügenwalder): Diese Brennglasfunktion hat auch unsere Sortimente betroffen. Weitgehend hatten wir eine stabile Entwicklung mit einem leichten Plus im klassischen Bereich. Im vegetarisch-veganen Bereich sind wir aber an unsere Grenzen geführt worden. Viele nennen das ein Luxusproblem, aber es bleibt ein Problem, und zwar ein großes. Frische wurde in Corona-Zeiten automatisch zu einem signifikanten Faktor in der Einkaufsgestaltung. Somit haben gute Alternativen zu klassischen Produkten häufiger den Weg in den Kühlschrank gefunden. Allerdings wird das eine das andere nicht ablösen. Trotz des Veggie-Trends ist der Wurstmarkt nicht tot.

Hubert Kelliger (Westfleisch): Mit den vegetarischen Produkten ist ein alternatives Sortiment geschaffen worden, das viele Konsumenten ausprobieren, gerade junge Leute. Die Fleischwarenindustrie hat sich darauf eingestellt. Es gibt kaum noch einen namhaften Hersteller, der nicht alternative Produkte mit im Sortiment hat. Es gibt gute, aber auch einige, die man nicht zum zweiten Mal kauft. Und ja, der Fleischabsatz ist spürbar unter Druck geraten im medialen Hype, dem die ganze Fleischwarenindustrie, vor allem die Schlachtindustrie, in den vergangenen zwölf Monaten ausgesetzt war. Die Frage ist: Was hat die Branche für ein Angebot, wie kommuniziert sie dazu und vor allem: Was bewirkt sie in Sachen Tierhaltung? Hier ist mit der Initiative Tierwohl vieles auf den richtigen Weg gebracht worden.

Anja Grunefeld (Livekindly): Schaut man sich die Entwicklung von Alternativen in der Milchindustrie an, wurden die Produkte anfangs auch von vielen mit Skepsis betrachtet. Nun sieht man, wie stark sie sich entwickelt haben. Das ist eben bei den Fleischalternativen genauso. Natürlich liegt der Marktanteil noch bei einem Prozent, aber es ist sehr viel Bewegung drin, und die Qualitäten sind gut. Bei den Treibern für pflanzliche Produkte ist klar zu beobachten, dass der Deutsche sehr stark tierwohlmotiviert ist. Das erste Motiv ist also Animal Welfare, dann kommt Gesundheit. Über diese Themen haben sich die Menschen gerade in der Corona-Krise noch einmal neu definiert.

Ingo Stryck (Wiesenhof): Die Herausforderung in der Pandemie war ja nicht der sinkende Pro-Kopf-Konsum, sondern der Shift von vermehrter Nachfrage im Handel zu weniger Nachfrage in der Gastronomie. Im Geflügelsegment hatten wir im letzten Jahr allerdings einen Rekordverbrauch. Der rückläufige Fleischkonsum resultiert lediglich aus der Abnahme im Schweinefleischbereich. Auch Geflügelwurst verzeichnete 2020 ein Plus von 9,2 Prozent. Fakt ist: Pflanzliche Alternativen wachsen, und darin liegt auch noch viel Entwicklungspotenzial. Wir sind aber der Meinung, dass sich beide Geschäftsbereiche wunderbar parallel entwickeln können.

Guido Empen (Aktiv-Markt Gebauer's): Wir liegen bei 100 bis 150 Prozent Wachstum bei vegetarischen und veganen Produkten, das ist aber hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass wir jetzt in der Lage sind, durch den Ausbau der Kühltechnik und der Kühlflächen die Produkte überhaupt richtig zeigen zu können. Da wir durch den Gesetzgeber gezwungen wurden, von der alten Kühltechnik auf neue CO2-Technik umzustellen, haben viele Handelsbetriebe das in den letzten Jahren auch gemacht. Wir haben entsprechende Baumaßnahmen in vier von fünf Märkten umgesetzt, wodurch sich die Kühlfläche um ein Vielfaches erweitert hat.

Roland Verdev (The Family Butchers): Die Kühlfläche ist insgesamt größer geworden. Der Handel und vor allem die Discounter zeigen eine enorme Produkttiefe und Varianten, die den Platz in den jeweiligen Aktionen benötigen. Die Verpackungsgewichte dieser verringern sich und gehen zulasten der Standardware. Das zieht eine Abschmelzung der Mengen nach sich bei nahezu gleichen Kaufakten. Auch dadurch dürfte der Schweinefleischkonsum in den nächsten Jahren deutlich sinken. Gerade in Corona-Zeiten hat sich gezeigt, dass Schweinefleisch mit den Themen ASP, Tierwohl und Arbeitsbedingungen in der Schlachtbranche beim Verbraucher zur Abneigung geführt hat.

Jan Seidel (Wolf Wurst): Wir stellen fest, dass in diesem Corona-Jahr speziell Regionalität und BBQ, aber auch das Thema Convenience deutlich an Relevanz gewonnen haben. Zum einen, weil die Endverbraucher sich zu Hause Gedanken gemacht haben, was ihnen wirklich wichtig ist. Andererseits werden Ready-to-eat-Produkte zunehmend nachgefragt.

THESE 2: TIERWOHL

Tierwohl und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger. Die Branche muss noch mehr tun, um „Billigfleisch“ aus dem Markt zu drängen.


Kelliger: Anfang der 2000er-Jahre, nach BSE, wollte niemand mehr Rindfleisch haben. Zunächst ging noch etwas über den Preis. Dann kamen zusätzliche Qualitäten ins Spiel. Heute kennt jeder zahlreiche...

 

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