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„Vor Dayli habe ich keine Angst “

Dem Start von Neu-Mitbewerber Dayli sieht dm-Chef Erich Harsch mit Gelassenheit entgegen. Zu kleine Flächen, zu spät, zu optimistisch – so schätzt er die Visionen des Österreichers Rudolf Haberleitner ein. Mit Dauerniedrigpreisen und Fachpersonal hält Harsch dagegen.

Erich Harsch
Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung
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Von Danica Hensel

Ihr Mitbewerber Dayli will in Deutschland eine Nahversorgerlücke schließen – auch mit Drogeriewaren. Glauben Sie, dass das Haberleitner-Konzept erfolgreich sein kann?
Harsch: 
Ich glaube, dass es für Dayli nicht einfach werden wird. Allein schon wegen der viel zu kleinen Flächen und des geplanten, sehr breiten Sortiments. Deshalb sehe ich dem Start mit Gelassenheit entgegen.

Dayli will nicht nur Drogeriewaren und Lebensmittel anbieten, sondern auch Services wie Autovermietungen und  Poststationen. Wie finden Sie das, wenn Dayli plötzlich mehr kann als dm?
Harsch:
 Auch darüber mache ich mir keine Sorgen. Bereits vorhandene Internetservices auch in Filialen anzubieten, ist eine relativ einfache Übung. Auch wir hätten die Technik, um dies jederzeit tun zu können.

Können Sie sich vorstellen, dass derartige Dienstleistungen Kunden anziehen?
Harsch: 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das für Verbraucher zum entscheidenden Argument wird eine Filiale aufzusuchen. In der Regel ist heute in jedem Haushalt ein PC mit Internetzugang vorhanden. Warum sollten die Leute sich dann ihren Mietwagen nicht von zu Hause aus bestellen?

Rudolf Haberleitner sagt, die deutschen Drogeriemärkte hätten die schlechtesten Marketingstrategien überhaupt. Was sagen Sie denn dazu?
Harsch: Er soll es erst einmal besser machen…

Außerdem will er versuchen, seine Märkte auch an Sonntagen zu öffnen… 
Harsch:
 Ich bin auch Österreicher und auch ich bin manchmal sehr optimistisch, aber so optimistisch bin ich dann auch wieder nicht. Ich glaube, es wird einerseits schwierig für ihn, die Sonntagsöffnung durchzusetzen. Andererseits finde ich persönlich Sonntagsöffnungszeiten auch weder erstrebenswert noch notwendig.

Der Preis spielt laut Haberleitner im deutschen Handel eine viel zu große Rolle, am Faktor Emotionalität mangele es. Was sagen Sie dazu?
Harsch
: Meiner Meinung nach geht es nicht ums „entweder oder“, sondern ums „sowohl als auch“.  Der Kunde erwartet günstige Preise, kombiniert mit einer emotionalen Ansprache. Ich denke, dass wir mit unseren günstigen Dauerpreisen, der Atmosphäre in unseren Märkten und mit unseren Mitarbeitern durchaus in der Lage sind, Emotionen und Rationalität sinnvoll miteinander zu kombinieren. 

Es gibt Gerüchte, Sie würden aufgrund des immer stärker werdenden Konkurrenzkampfs von Ihren Dauerniedrigpreisen abrücken…
Harsch: 
Das stimmt nicht, wir werden an der Dauerpreis-Strategie weiter fest halten.

Seit Anfang des Jahres können Rossmann-Coupons auch bei dm eingelöst werden, dabei sprechen Sie sich eigentlich gezielt gegen Rabatte aus. Warum?
Harsch:
 Zu unserer Unternehmenskultur gehört es, dass unsere dm-Märkte vor Ort ihre Kunden so bedienen können, wie sie es für richtig halten. Wenn sich also ein Filialleiter dafür entscheidet, hier kulant zu agieren, dann ist das völlig in Ordnung. Das ist von unserer Seite aus weder angewiesen noch verboten. 

Wie viele Ihrer dm-Märkte machen das schon?
Harsch: 
Das wird nicht erfasst, von daher kann ich das leider nicht beantworten.

Kam ein großer Aufschrei von Rossmann, als das in den Medien bekannt wurde?
Harsch: 
Mir gegenüber zumindest nicht. (lacht)

Wer hat in Deutschland am meisten vom Schlecker-Untergang profitiert? 
Harsch:
 Schlecker-Kunden haben in der Regel deshalb bei Schlecker eingekauft, weil der Laden direkt um die Ecke lag. Daher sind viele Kunden einfach zum nächstgelegenen Markt gewechselt. Die  Umsätze haben sich relativ breit verteilt. Die Drogeriemärkte haben dabei sicherlich ein großes Stück vom Kuchen abbekommen.

Mal ehrlich. Wer ist der große Sieger, Rossmann oder dm?
Harsch: 
Wir haben bestimmt einen ordentliche Teil der freigewordenen Umsätze übernehmen können. So ist es auch zu erklären, dass wir im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2012/2013 ein Umsatzplus von 16,2 Prozent erzielen konnten. Rossmann hat natürlich auch profitiert, das wird sich in etwa die Waage halten.

Welchen Teil hat das Schlecker-Aus zu Ihrem Umsatzplus von 16,2 Prozent beigetragen?
Harsch:
 Rund fünf Prozentpunkte dürften darauf zurückzuführen sein.

Wie viele Ihr-Platz-Märkte haben Sie von Schlecker übernommen und wie entwickeln sich diese?
Harsch: 
Wir haben 24 Märkte von IhrPlatz übernommen. Im Schnitt sind wir mit deren  Entwicklung sehr zufrieden.

Wie viele ehemalige Schlecker-Mitarbeiter arbeiten inzwischen bei Ihnen?
Harsch: Unsere internen Erhebungen haben ergeben, dass wir knapp im vierstelligen Bereich liegen.

Der Drogeriemarkt konzentriert sich auf immer weniger Anbieter. Sehen Sie diese Konzentration als Vor- oder Nachteil?
Harsch: 
Weder noch. Drogeriewaren werden schon immer in vielen verschiedenen Vertriebsschienen verkauft. Schlecker hatte bereits über mehrere Jahre eine große Erosion zu verzeichnen und an Attraktivität verloren. Insofern hat sich jetzt nicht kurzfristig das ganze Marktgeschehen verändert. Trotzdem sind durch das Schlecker-Aus vor allem in ländlichen Gegenden Versorgungslücken entstanden, die geschlossen werden müssen. Wir werden in diesem Geschäftsjahr daher auch mehr Märkte eröffnen, als wir selbst prognostiziert haben.

Wie viele Märkte planen Sie?
Harsch:
 Wir sind im letzten Herbst von 90 zusätzlichen Märkten ausgegangen. Inzwischen gehen wir davon aus, dass wir um die 130 Märkte eröffnen werden. 

Rossmann will ebenfalls Versorgungslücken schließen. Was unterscheidet dm von Rossmann?
Harsch:
 dm hat im Unterschied zu anderen Drogeriemärkten das kompetenteste drogistischte Sortiment, da wir wenig auf drogeriefremde Sortimentsbereiche setzen. Zu unserer drogistischen Kompetenz gehört auch die gute und umfassende Ausbildung unserer Mitarbeiter. Außerdem zechnet uns aus, dass wir den Kunden und seine Wünsche immer an erster Stelle sehen. Das zeigt sich in den Sortimenten, der Atmosphäre in den Märkten und bei den Mitarbeitern, die die Kunden freundlich und kompetent beraten.

Woher wissen Sie denn, was der Kunde will?
Harsch:
 Der Kunde zeigt uns seine Bedürfnisse durch sein Einkaufsverhalten. Darüber hinaus gewinnen wir unsere Kenntnisse natürlich auch aus Studien unserer Industriepartner. 

Welche Rolle spielt Facebook dabei?
Harsch: 
Facebook ist ein dialogisches Medium, bei dem wir sehr rasches und unmittelbares Feedback bekommen. Das bietet uns die Möglichkeit, unsere Kunden besser kennenzulernen und uns als Unternehmen weiterzuentwickeln. 

Welches Feedback bekommen Sie am meisten?
Harsch: 
Die häufigste Frage ist: „Warum gibt es bei uns noch keinen dm-Markt?“

Auch Lebensmittelhändler wollen sich mit Drogerie profilieren. Sehen Sie hier eine ernst zu nehmende Konkurrenz?
Harsch: Nein, die meisten unserer Standorte befinden sich bewusst in unmittelbarer Nähe zu einem Lebensmittelhändler. Hier zählt für uns vor allem die Kunden-Sicht. Für den Kunden ist es bequem, wenn er an einem Standort einen Lebensmittelhändler und einen Drogeriemarkt vorfindet und dadurch seine Einkäufe miteinander verbinden kann. 

Der Lebensmittelhandel tut sich beim Verkauf von Drogeriewaren ohnehin schwer. Warum?
Harsch:
 Einerseits mangelt es oft an einer angenehmen Atmosphäre. Dafür tun wir hingegen sehr viel: Angefangen bei den breiten Gängen, durch die auch Zwillingskinderwägen passen bis hin zu der Beleuchtung, durch die wir eine angenehme Atmosphäre schaffen. Ein weiterer Faktor sind die Mitarbeiter.  Wenn man sich spezialisiert hat, wie wir auf Drogeriewaren, kann man besser und kompetenter beraten.

Ihr Ausbildungskonzept gilt in der Branche als vorbildlich. Was kann der Lebensmittelhandel sich von Ihnen abgucken?
Harsch: 
Man muss die jungen Menschen ernst nehmen und bereit sein, für deren Ausbildung Geld in die Hand zu nehmen. Langfristig gesehen wird der Handel nicht darum herumkommen, um junge Leute zu werben. Das setzt attraktive Ausbildungskonzepte voraus, die mehr bieten als ein Basisprogramm. Das machen wir schon jetzt und daher haben wir auch jedes Jahr rund 40.000 Bewerbungen für unsere Ausbildungsplätze.

Dann können Sie sich ja die Rosinen herauspicken…
Harsch: Nicht unbedingt, auch wir haben Standorte, an denen wir uns schwer tun. Trotzdem haben wir es natürlicher leichter als andere Handelsunternehmen. In einem Ranking des Manager Magazins sind wir soeben, zusammen mit Amazon, als beliebtester Arbeitgeber im Handel ausgewiesen worden. Das ist für ein Handelsunternehmen schon eine Besonderheit, da der Handel bei zahlreichen Berufseinsteigern leider immer noch nicht als so attraktiv wahrgenommen wird. 

Stichwort Amazon: Sie haben im Februar angekündigt, Ihre Kooperation mit Amazon zu überdenken.  Haben Sie bereits eine Entscheidung gefällt?
Harsch: 
Wir haben im Zuge der Diskussion über die Arbeitsbedingungen bei Amazon natürlich einen kritischen Blick auf die Kooperation geworfen. Amazon hat uns versichert, dass die Verhältnisse verbessert werden sollen. Von daher werden wir bei den ersten Schwierigkeiten nicht gleich das Handtuch werfen. Wir bleiben bei der Kooperation und geben unserem Partner die Chance, die Situation zu verbessern.

Wie läuft das Online-Geschäft?
Harsch:
 In unserem Bereich tun sich alle Anbieter schwer, auch Amazon. Das Geschäft entwickelt sich bislang eher zäh.

Könnten Sie sich einen eigenen Online-Shop vorstellen? 
Harsch:
 Vorstellen können wir uns das sicherlich. Klar ist ja, dass das Thema Online künftig immer wichtiger werden wird. Gleichzeitig ist das Online-Geschäft aufgrund der geringen Margen betriebswirtschaftlich schwierig. Das hat sich leider in den vergangenen Jahren nicht viel getan und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Trotzdem kann es natürlich sein, dass perspektivisch eine Verlagerung hin zu Online stattfinden wird.

Haben Sie schon konkrete Pläne für einen Online-Shop?
Harsch:
 Ich möchte es so formulieren: Wir sind gerüstet und könnten, wenn wir wollten, jederzeit online gehen.

Ihr stärkster Mitbewerber ist schon online. Haben Sie keine Angst, den Anschluss zu verpassen?
Harsch: 
Selbst diejenigen, die seit Jahren einen Online-Shop betreiben, können bislang noch keine großen Erfolge verbuchen. Eher im Gegenteil. Ich vergleiche das gerne mit dem Wellenreiten, auch hier kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an. Wenn man zu früh dran ist, wird man von der Welle erschlagen. Wenn man zu spät dran ist, dann verhungert man. Um den richtigen Punkt zu finden, braucht es unternehmerische Qualität und ein Fünkchen Glück.

Erich Harsch
Erich Harsch
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