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„Wir brauchen eine filialisierte Freiheit“

25 Jahre Sky in diesem Herbst, 115 Jahre Coop im kommenden Jahr und ein Zukunftsprogramm für die rund 180 Verbrauchermärkte der Kieler Handelsorganisation. Coop-Vorstand Gerd Müller und Geschäftsführer Rainer Thomas erklären, wo sie ansetzen.

Coop-Vorstandssprecher Gerd Müller und Vertriebsgeschäftsführer Rainer Thomas
Coop-Vorstandssprecher Gerd Müller und Vertriebsgeschäftsführer Rainer Thomas im von Plaza auf Sky- XXL umfirmierten SB-Warenhaus in Kiel.
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Herr Müller, es wird regelmäßig ­darüber spekuliert, wann Coop in die Rewe Group übergeht. Wann ist es soweit?
Müller: Dazu gibt es keinerlei Überlegungen. Wir als Coop arbeiten mit Hochdruck an der Weiterentwicklung von Sky. 

Wie erklären Sie sich, dass immer wieder Übernahmegerüchte aufkommen?
Müller: Die vergangenen Jahre haben 
gezeigt, dass die verbreiteten Spekulationen nicht der Realität entsprechen. Woher diese Gerüchte kommen, das entzieht sich unserer Kenntnis. 

Die Übernahmegerüchte stehen regelmäßig im Zusammenhang mit einer angespannten Ertragslage Ihrer Genossenschaft. Was sagen Sie dazu?
Müller: Wir haben sowohl eine extrem gute Vermögenslage als auch eine extrem gute Finanzierungslage. 

Ist Sky wirtschaftlich schwarz oder rot?
Müller: Es gibt sicherlich wie in jeder Handelsorganisation eine Handvoll Standorte, die sich entwickeln können und müssen. Insgesamt ist Sky schwarz und unsere Großflächen sind es auch. Die Herausforderung ist es, Wege zu finden, wie wir die Vorteile eines selbstständigen Kaufmanns auf die Filialisierung übertragen können. Also wie viel Freiheiten ein Marktleiter braucht, um so agieren zu können wie ein selbstständiger Kaufmann. Wir brauchen die filialisierte Freiheit.

Können Sie sich vorstellen, Marktleiter in die Selbstständigkeit zu führen?

Müller: Denkbar ist ein solches Modell. Es gibt jedoch keine Festlegungen, einen derartigen Schritt vorzunehmen. 

Was ist dran an den Gerüchten, dass Kaufland Ihre Großflächen übernimmt?
Müller: Es ist in einer freien Wirtschaft legitim, Interesse zu äußern. Faktisch stehen keine Übernahmen an. 

Welchen Einfluss hat die Rewe Group auf Ihre Strategie? 
Müller: Es gibt keinen Austausch zu der Strategie der Coop eG. Daher besteht kein Einfluss der Rewe Group.

Sie bündeln die Warenbeschaffung Rewe-seitig. Brauchen Sie noch einen eigenen Einkauf?
Müller: Absolut. Unser Einkauf verhandelt nach wie vor mit regionalen und nationalen Lieferanten. Wir werden auf den Konditionsbestandteil, den unser Einkauf verhandelt, doch nicht verzichten. Wir feiern im Herbst 25 Jahre Sky, im kommenden Jahr 115 Jahre Coop. Wir brauchen allerdings eine Beschaffungsplattform, die über ein eigenes Warengeschäft in nennenswerten Größenordnungen verfügt. Als regional agierende Handelsorganisation sind wir auf eine Beschaffungsgröße angewiesen, um uns gegen die Lieferantenmacht zu stemmen.

Einige Handelsorganisationen sind zur Markant zurückgekehrt, um ihre Eigenständigkeit zu wahren. Das würde manche Spekulation zunichte machen?…
Müller: Hierzu steht uns keine Bewertung zu. Eine Kooperation mit der Markant im Rahmen einer Zentralregulierung ist jedoch kein Thema. Wir sind mit der Leistung der Rewe Group, bei Wahrung unserer Eigenständigkeit, zufrieden.

Sie führen auch „ja!“-Produkte der Rewe. Warum nutzen Sie nicht das gesamte Rewe-Eigenmarken-Portfolio für Ihre Märkte? 
Müller: Die Frage ist berechtigt. Wir haben mit „ja!“ und „Unser Norden“ zwei starke Eigenmarken. Zum relevanten Wettbewerb fehlt uns aber ein Baustein zwischen Preiseinstieg und Regionalität. Es gibt dazu ein Projekt in unserer Organisation. Wir sind noch im Entscheidungsprozess.

Wie erklären Sie Ihren Mitarbeitern die Zukunft der Coop?
Müller: Wir sind ein regionales Unternehmen, welches seit 115 Jahren eine starke Bedeutung in der Region hat. Wir haben es in der Hand, diese Bedeutung zu wahren. 


Wie erklären Sie Ihren Lieferanten die Zukunft der Coop?
Müller: Genauso wie unseren Mitarbeitern. Wir haben die warenwirtschaftliche Bündelung mit der Rewe Group und 
agieren ansonsten in unserer Region frei und eigenständig. 

Sie haben Ihre Plaza-Märkte auf Sky umgestellt. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen? 
Thomas: Wir haben rund 180 Sky-Verbrauchermärkte und elf SB-Warenhäuser, die bislang unter Plaza firmierten. Eine Marke strategisch vernünftig für elf Standorte richtig weiterzuentwickeln, ist verhältnismäßig aufwendig. Wir haben ­deshalb die Marke Sky auf unsere Großflächen übertragen, um daraus zusätzliche sinnvolle Synergien in der Werbung und in der Organisation zu erzielen. Auf dieser Basis haben wir unsere Dachmarken-Strategie neu definiert – mit dem Fokus auf Sky-Verbrauchermärkten und einer entsprechend modularen Werbung und Sortimentsgestaltung für größere Häuser. 

Warum haben Sie Ihre Plaza Märkte nicht gleich auf Rewe Center umgestellt?
Müller: Warum? Mit unserer Dachmarkenstrategie bündeln wir das Beste von Plaza und Sky im Sinne all unserer Gäste. 

Passt denn das gewachsene Plaza-Konzept überhaupt zu Sky?
Thomas: Das Beste von Plaza und Sky ist Sky-XXL. In den einstigen Plaza-Häusern haben wir die Frische-Kompetenz von Sky mit einem komplett neuen Nonfood-Konzept vereint. Wir haben Nonfood völlig neu positioniert und uns dazu erfolgreiche Ansätze von Möbelhäusern zu eigen gemacht. Wir übernehmen damit die Funktion der einstigen Warenhäuser in den Innenstädten.

Setzen Sie in Sachen Nonfood auf bekannte Marken?
Thomas: Wir setzen auf das so genannte Arena-Prinzip. Vorne Preiseinstieg, in der Mitte Sortimentsbreite, hinten sichtbar die Fachhandelsmarken.

Was haben Sie in der Food-Welt Ihrer Großflächen verändert? 
Thomas: Wir haben das bestehende Plaza-Food-Konzept mit einigen Sky-Modulen perfektioniert. So haben wir zum Beispiel auch unser Markenfleisch „Landklasse“ dort eingeführt. 

Haben Sie sich die neue Generation der Rewe Center in Hessen schon angesehen?
Thomas: Die Rewe-Verantwortlichen haben sich unsere Nonfood-Welten angeschaut. Sie waren begeistert.

Sie führen auch einen Sky City Markt in der Innenstadt von Kiel. Ist das der Prototyp für weitere City-Märkte? 
Müller: Es ist ein selbstständiger Kaufmann, der auf 300 Quadratmetern überaus erfolgreich wirtschaftet. Die Flächenproduktivität des Sky City Marktes liegt weit über dem Durchschnitt. 

Also weitere City-Märkte?
Müller: Ausschließen können wir es nicht. Interessante Standorte dazu gibt es. Konkrete Pläne haben wir dazu allerdings noch nicht ausgearbeitet.

Was haben Sie mit Ihren Plaza-Baumärkten vor?
Thomas: Unsere Baumärkte firmieren weiterhin unter Plaza und wirtschaften damit überaus erfolgreich.

Sky wird in diesem Jahr 25 Jahre jung.  Welche Aktionen sind anlässlich des Jubiläums geplant? 
Thomas: Wir werden das Jubiläum im Herbst in unseren Sky-Märkten und mit entsprechenden Werbeleistungen feiern. Wir werden dabei für unsere Gäste ein attraktives Werbepaket schnüren. Lassen Sie sich einfach überraschen. 

Sie haben Ihr Sky-Konzept mehrfach verändert. Wie sieht das aktuelle Sky-Markt-Konzept aus?
Müller: Auch der VW Golf hat sich im Laufe der Jahre immer weiterentwickelt. Auch wir haben Sky in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und inzwischen ein einheitliches Konzept erreicht. Wir entwickeln jetzt unsere 
Frische, Regionalität und Lokalität durchgängig weiter. 

Welche größeren Investitionen planen Sie in näherer Zukunft?
Müller: Wir eröffnen bis zum Jahresende neun neue Sky-Standorte?…

… mit filialisierter Freiheit oder mit einem Kaufmanns-Modell? 
Müller: Wir sind dazu noch in der Entscheidungsfindung. Es gibt zwar Interessenten für ein Kaufmanns-Modell, aber noch keinen entsprechenden Beschluss, ein solches Modell zu etablieren. 

Wie stehen Sie zum Food Online-Markt? Steht das Thema derzeit bei Ihnen auf der Agenda?
Thomas: Ein wachsender, aber risikobehafteter Markt. Wir werden zum jetzigen Zeitpunkt keinen Online-Shop eröffnen, können uns allerdings Smartphone-Lösungen zum Beispiel für unsere Mitarbeiter und Mitglieder vorstellen. //



Über die Zukunft der Coop eG wird seit Jahren spekuliert. Von einer angespannten Ertragslage bis hin zur kompletten Integration in die Rewe Group ist dabei die Rede. Gerd Müller hält dagegen. Er will vielmehr die derzeit 180 Sky-Verbrauchermärkte und elf Großflächen stärken. Letztere hat er dazu auf Sky-XXL und Sky-Center umgestellt, den Nonfood-Auftritt dort überarbeiten lassen. Zudem investiert er in neue Verbrauchermarkt-Standorte, allein acht neue Sky-Märkte sollen bis Jahresende eröffnet werden. 2014 feiert die Coop eG ihr 115-jähriges Bestehen.

Rainer Thomas
Vertriebsgeschäftsführer Rainer Thomas
Gerd Müller, Coop
"Rewe-Verantwortliche haben sich unsere Nonfood-Welten angeschaut. Sie waren begeistert." Gerd Müller, Coop
Gerd Müller, Coop
"Rewe-Verantwortliche haben sich unsere Nonfood-Welten angeschaut. Sie waren begeistert." Gerd Müller, Coop

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