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„Wir glauben an Marktkauf“

96 Prozent selbstständige Kaufleute im Verbund – der Edeka Nord bleibt nicht mehr viel Spielraum für Regie. Wäre da nicht der Fall Marktkauf. Mit einem neuen Profilierungskonzept soll das Defizitärgeschäft bald Vergangenheit sein. Ein Interview mit Casten Koch, Geschäftsführer und Sprecher der Edeka Nord.

Carsten Koch, Geschäftsführer Edeka Nord, Foto: C. Edelhoff
Carsten Koch, Geschäftsführer Edeka Nord, Foto: C. Edelhoff
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Von K. Mehler, F. Zieglmayer

Herr Koch, 733 Ihrer 765 Flächen werden von selbstständigen Kaufleuten betrieben – nur noch 32 sind regiegeführt. Geben Sie Regie komplett auf?
Koch: Nein. Das machen wir nicht. Wir stehen zur Regie und halten sie für zwingend erforderlich. Sie hat Kernfunktionalitäten. Wir können so Standorte sichern und auch Neues testen. Und: Ohne Regie wären wir nicht in der Lage gewesen, Marktkauf-Häuser erfolgreich zu integrieren.

Was sind die Kernfunktionalitäten von Regiemärkten?
Koch: Nur mittels Regie können wir Märkte verantwortungsvoll und im Interesse der Mitarbeiter weiterführen, die von einem selbstständigen Kaufmann abgeben werden mussten. Außerdem haben wir über die Regie die Möglichkeit zu experimentieren und tragen die Risiken als Großhandlung. 

Experimentieren müssen Sie auch mit Marktkauf. Hat Marktkauf überhaupt noch Zukunft?
Koch: Eindeutig hat Marktkauf eine Zukunft. Derzeit ist Marktkauf bei uns defizitär. Unser Ziel ist es, künftig schwarze Zahlen zu schreiben. Dabei sehen wir uns auf einem guten Weg. Wir glauben fest an die Zukunft von Marktkauf. Wenn das Konzept mit einer gewissen Wertigkeit unterlegt ist – nicht zu verwechseln mit teuer – dann hat Marktkauf auch seine Berechtigung im Markt.

Immerhin 20 Ihrer insgesamt 32 Regiemärkte sind Marktkauf-Häuser. Warum haben Sie Marktkauf nicht auf E Center umgeflaggt? Wäre das wirtschaftlich nicht sinnvoller gewesen?
Koch: Marktkauf ist bei unseren Kunden ein geübtes Format. Unsere E Center selbst hören zudem bei 3500 bis 4000 Quadratmeter auf. Bei diesen Flächengrößen fängt Marktkauf erst an.

Bauen Sie künftig überhaupt noch neue Marktkauf-Häuser?
Koch: Wir haben konkrete Pläne. Lassen Sie sich überraschen.

Inwieweit profitieren Marktkauf und E Center voneinander?
Koch: Beide Formate profitieren von der gemeinsamen Warenbeschaffung und der Eigenmarkenführung. In Sachen Nonfood hat Marktkauf einen Know-how-Vorsprung. Diese Kompetenzstärke werden wir forcieren und in diesem Zuge noch wertiger gestalten.

Wo sehen Sie noch Potenzial für Ihre Handelsorganisation?
Koch: Wir können intern noch besser für unsere Kaufleute werden. Das Endprodukt bei uns ist die Gesamtheit der Dienstleistungen für den selbstständigen Kaufmann. Im Großhandel müssen wir die Verantwortlichkeiten untereinander noch besser verzahnen, so dass noch mehr Verantwortungssinn für dieses Endprodukt entsteht. Die Ideen gehen uns da nicht aus.

Auch andere Handelsunternehmen haben Ideen. Kaufland etwa will in Ihrer Region expandieren. Wie bereiten Sie Ihre Kaufleute darauf vor?
Koch: Das müssen wir nicht. Unsere Kaufleute sind so dicht am Kunden! Zentral gesteuerte, vertriebliche Aktionen zur Abwehr von Kaufland wären zum Scheitern verurteilt.

Und was machen Sie anders als Bartels-Langness und Coop?

Koch: Es ist das gewisse Quäntchen, das aus der Motivation eines selbstständigen Kaufmanns vor Ort kommt. Diese Leistung ist nicht kopierbar.

Bartels-Langness setzt auf Kleinflächen unter 800 Quadratmetern. Was tun Sie?
 
Koch: Wir haben kein schematisches Vertriebskonzept für Kleinflächen. Entscheidend für uns ist nicht die Größe einer Verkaufsfläche, sondern die Wirtschaftlichkeit im Sinne unserer selbstständigen Kaufleute.

Wie groß muss aus Ihrer Sicht ein Supermarkt sein, um sich von Discountern abheben zu können?

Koch: Wer Frische zeigen und leben will, braucht in der Regel mehr Fläche als die Discounter. Und: Die Fläche muss handhabbar sein – für die Kunden und für unsere Kaufleute. Im Einzelfall kommen wir allerdings auch mit kleineren Flächen zurecht. Das ist sehr standortabhängig.

Stichwort Discount: Fördern Sie Netto?
Koch: Generell ja, aber netto Marken-Discount ist nicht die Kernaufgabe der Großhandelsbetriebe. Netto ist eine Beteiligung der Edeka Zentrale, die wir gemeinschaftlich beschlossen haben.


Bereitet Ihren Kaufleuten Netto Sorgen?
Koch: Von der Bündelung der Konditionen und den damit verbundenen Synergien profitieren auch unsere Kaufleute. Natürlich stehen Edeka und Netto auch im Wettbewerb. Hier gilt es, im Einzelfall sorgfältig abzuwägen und den selbstständigen Kaufmann gegebenenfalls zu unterstützen.

Viele Markenartikler beobachten die Eigenmarkenaktivitäten Ihres Verbundes mit Sorge. Was sagen Sie dazu?
Koch: Wettbewerb tut gut. Wir wollen dem Verbraucher bei der Auswahl Vielfalt bieten. Nur so entsteht am Ende für den Verbraucher das Optimum. Marken sind dabei identitätsstiftend. Ergänzend dazu brauchen wir auch unsere Eigenmarken. Der Verbraucher entscheidet.

Mit „Gutfleisch“ und „Unsere Heimat - echt & gut“ führen Sie Ihre eigenen regionalen Eigenmarken. Welchen Stellenwert hat das Thema Regionalität?
Koch: Regionalität und Lokalität sind für uns kein Modethema. Unsere selbstständigen Kaufleute haben schon immer ihre Sortimente lokal – nicht nur regional – dazu gekauft. Wir wollen, dass unsere Kaufleute diese Form von lokaler Beschaffung weiterführen können.

Werden Sie Ihre Regionalmarken weiter ausbauen?
Koch: Ja, wir müssen allerdings aufpassen, dass wir dabei unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Regionalität muss von den Verbrauchern nachvollzogen werden können. Milch aus Eiderstedt etwa ist für unsere Kaufleute aus Lüneburg nicht regional.

Stichwort Effizienzsteigerung: Edeka versucht seit Jahren bundesweit Lunar zu etablieren. Mittlerweile haben Sie die erste Version in Betrieb genommen – erste Erfahrungen …
Koch: In der Großhandelswarenwirtschaft ist das System seit einigen Jahren im Einsatz und wird stetig weiterentwickelt. In der Einzelhandelswarenwirtschaft wird das System derzeit in Pilotmärkten erprobt.

Warum ist es so schwer, Lunar flächendeckend in der Edeka-Gruppe umzusetzen?
Koch: Wer sagt denn, dass es schwer ist? Wir sind ein komplexer Verbund und entsprechend komplex ist die Umsetzung. Unser Anspruch ist es, dass alle Bausteine ineinandergreifen. Lunar schafft schon heute mehr Transparenz und vereinfacht zahlreiche Prozesse.

Können Ihre Kaufleute von Lunar wirtschaftlich auf längere Sicht profitieren?
Koch: Ja. Die Kaufleute profitieren zum einen von effizienteren Abläufen in den vorgelagerten Stufen. Zum anderen bringt Lunar aber auch direkten Nutzen auf der Fläche, etwa durch die automatisierte Disposition. Die Informationen, die Lunar detailliert zur Verfügung stellt, befähigen unsere Kaufleute dazu, sich noch besser auf die Wünsche ihrer Kunden einzustellen.

Wie wollen Sie Ihre Kaufleute von Lunar überzeugen?
Koch: Mit Zahlen, Fakten und positiven Erfahrungswerten. Wir machen deutlich, welchen Nutzen Lunar für das Tagesgeschäft bringt. In Hamburg gibt es überdies den „Markt der Zukunft“ – eine Präsentationsfläche, auf der die technischen Lösungen von Lunar praxisnah demonstriert werden.

Stichwort Logistikzentrum: Sie haben das Lager in Schenefeld geschlossen und  investieren zurzeit in das Logistikzentrum in Zarrentin. Was versprechen Sie sich davon?
Koch: Wir werden damit den steigenden Sortimentsanforderungen der Verbraucher noch besser gerecht – in punkto Lagervolumen, Artikelanzahl und Liefergeschwindigkeit. Dazu brauchen wir große Läger und modernste Technologien.

Edeka Südwest ist in Sachen E-Commerce mit edeka24.de oder eworld.de Vorreiter-Region. Gibt es diesbezüglich auch bei Edeka Nord Pläne?
Koch: Wir sind noch in der Sondierungsphase.

 

Auch das Thema Social Media gewinnt zunehmend an Bedeutung: Unterstützen Sie ihre Kaufleute dabei, ihre eigene Facebook-Seite aufzubauen?
Koch: Das ist ein wichtiges Thema für uns. Im Fokus der Aktivitäten steht die übergreifende Unternehmensmarke Edeka, die bereits seit mehr als einem halben Jahr auf Facebook präsent ist. Wenn ein Kaufmann Interesse hat, selbst aktiv zu werden, beraten wir ihn selbstverständlich. Dabei gilt es, die richtige Balance zwischen individueller Freiheit, dem Gruppeninteresse und der Markenpflege zu finden.

Was haben ihre Kaufleute davon?
Koch: Unternehmenskommunikation ist eine Frage der Markenbildung, ganz einfach.

Herr Koch, die erste Hälfte des Jahres ist vorbei, wie sieht Ihre Halbjahres-Bilanz aus?
Koch: Das erste Halbjahr ist gut gelaufen. Der von selbstständigen Kaufleuten geführte Einzelhandel beweist sich erneut als Wachstumsmotor und hat die positive Umsatzentwicklung des Vorjahrs im ersten Halbjahr 2012 fortgesetzt. Trotz Eurokrise rechnen wir für das Gesamtjahr damit, dass wir unsere Planungen übertreffen.

Was haben Sie im 2. Halbjahr vor?
Koch: Viele Märkte befinden sich im Prozess der Neuaufstellung bzw. im Neubau. Einen dieser Märkte im Norden Hamburgs werden wir als Null-Energie-Markt ausgestalten. Auch hier wollen wir Profil zeigen.

Carsten Koch

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