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„Zu komplex ist schwierig“

Der Rewe-Einstieg beschert der Wasgau Sicherheit – vor allem auf Sortimentsebene und im Preiseinstieg. Von mehr System wollen die Pirmasenser allerdings nichts wissen. Das würde das Credo der „Einfachheit“ torpedieren. Wohin die Wasgau in Zeiten großer Personalwechsel hinsteuert – wir haben nachgefragt.

Dr. Eugen Heim
Dr. Eugen Heim
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Herr Kettern, Sie gehen Ende des Jahres in den Ruhestand und es ist immer noch unklar, wer Ihren Posten übernimmt.  Warum zieht sich das so?
Kettern: Nun, diese Entscheidung ist ja nicht Sache des Vorstandes, sondern die des Aufsichtsrates.  Die Klärung ist für den 8. Oktober terminiert. Das ist doch eine klare Route.

Von außen sieht es allerdings schon so aus, als ob man die Entscheidung vor sich herschiebt…
Kettern: Nein, das stimmt nicht. Mit Herr Johns ist ja erst kürzlich ein neuer Mann zu uns gekommen. Man muss den Leuten ja auch erst einmal die Möglichkeit geben, hier anzukommen.

Gutes Stichwort: Herr Johns kommt aus dem Controlling. Ein Ressort, das auch Sie als Vorstandsvorsitzender verantworten. Wenn man 1 und 1 zusammenzählt, dann müsste er Ihr Nachfolger werden…
Kettern: (lacht) Das sind reine Spekulationen.

Herr Heim, Sie sind seit 1997 an Board der Wasgau und selbst auch ein Kandidat für den Vorstandsvorsitz. Warum sind Sie der richtige Mann dafür?
Heim: Ich halte es für wenig angebracht, mich an dieser Stelle vermarkten zu wollen.
Kettern: Ich könnte das ja schon mal eher bewerten: Weil er schon viele Jahre im Unternehmen ist und einen Wissensvorsprung hat.

Mit Herr Eberl kam ein ehemaliger Toom-Mann zur Wasgau. Mit Johns ein Ex-Pro-Markt-Mann. Ist die Wasgau die Personalverwertungsgesellschaft der Rewe?
Kettern: Überhaupt nicht. Da ist keiner abgeschoben worden. Im Gegenteil. Herr Eberl ist nicht über die Rewe zu uns gekommen. Wir haben ihn abgeworben. Ich war damals auf der Suche nach einem guten Mann. Letztlich haben ihm unsere Aufgaben mehr zugesagt als die, die die Rewe für ihn vorgesehen hatte.
Heim: Er ist ein Vollblutvertriebler. Wir sind froh, dass wir ihn an Board haben. Herr Eberl sagt heute von sich selbst: Ich bin Wasgauer.

Herr Kettern, mit Ihnen und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Mayer geht der Wasgau jede Menge DNA verloren. Was macht Sie sicher, dass Wasgau auch Wasgau bleibt?
Kettern: Gehen Sie davon aus, dass der Stiftungszweck der Familie Hornbach der Region dient und dass damit auch vertraglich geregelt ist, dass Wasgau auf lange Sicht Wasgau bleibt.

Man bekommt allerdings schon den Eindruck, dass das Rewe-Gewicht immer größer wird…
Kettern: Wenn das so wäre, würde die Wasgau im Rewe-Konzern konsolidiert mitbilanzieren. Aber dem ist nicht so. Wir waren immer Wettbewerber am Markt – und das bleibt auch so.
Verträge können ja nun auch geändert werden…
Kettern: Ach herrje, nein, das sehe ich anders. Verträge sind dazu da, sie zu unterschreiben, in die Schublade zu legen und sich zu vertragen.

Wie  verträgt sich die Rewe mit der Wasgau? Was hat sich seit dem Einstieg der Rewe in Pirmasens verändert?
Kettern: Intern hat sich sicher am wenigsten verändert. Von außen sind positive Elemente dazugekommen, die die Wasgau stärken. Wir können heute preislich ganz anders agieren. Das hat uns sehr positive Umsatzzuwächse gebracht.

Heim: Wir haben jetzt ein festes Dach über dem Kopf und können uns den Flächen widmen, den Sortimenten und neuen Konzepten.

A propos neue Konzepte. Vor Jahren haben Sie die 100-Markt-Grenze angepeilt. Über die 80er-Grenze sind Sie allerdings nie rausgekommen. Warum?
Kettern: Wir haben festgestellt, dass wir bei den Größen umdenken müssen. Wir haben mal gesagt, kleiner als 1500 Quadratmeter machen wir nicht, mussten dann aber feststellen, dass wir auch Kompromisse eingehen müssen. Das hat im Portfolio eher zu Bereinigungen geführt als zu neuen Standorten.
Heim: Wir wollen nicht auf Gedeih und Verderb 100 Märkte umsetzen, sondern sinnvoll expandieren.

Wie interpretieren Sie sinnvoll?
Kettern: Dort zu sein, wo noch Wachstum herrscht. Nur: Wo bitteschön ist das?


Rhein-Main ist ja jetzt nicht so unattraktiv…

Kettern: Wir sind ja schon vor den Toren – mit Mommenheim und Nieder-Olm.

Sie wollten allerdings auch mal nach Mainz und Frankfurt…
Kettern: Dort wollen wir auch heute noch hin.

Sie haben also keine  Angst vor Großstädten?
Kettern: Nein, nur vor den dortigen Mieten.

Sie haben mal gesagt: „Das notwendige Kapital für die Expansion in einer Genossenschaft zu schöpfen, dauert sehr lange.“
Kettern:
Deshalb sind wir ja auch eine Aktiengesellschaft – mit allen Rechten und Pflichten. 

Die Wasgau genießt ja nun mit der Rewe auch die Vorteile einer Genossenschaft…
Heim: Natürlich. Daran ist ja auch nichts verwerflich. Die Genossenschaftsidee ist ja eine tolle Idee… 
Kettern: …ohne die wir heute nicht da wären, wo wir stehen. Nur eben im Hinblick auf den Kapitalmarkt sehe ich die Genossenschaft eher als ein schwieriges Instrument an.

Gerade eine AG  bringt doch auch harte Pflichten mit sich, ganz zu schweigen vom kurzfristigen Denken…
Heim: Das war nie unser Ansatz. Und es steht ja auch nirgends, dass eine AG so handeln muss. 
Kettern: Wir sind ja weder im DAX noch im MDAX gelistet, sondern im geregelten Markt. Unser Kurs verläuft anhaltend stabil  -  auch unsere Dividenden sind stabil. Für uns ist die AG das Richtige.

In Ihren Märkten sieht man seit dem Rewe-Einstieg immer mehr Rewe-Eigenmarken. Ist das für die Wasgau-Kunden nicht verwirrend?
Heim: Die meisten Kunden nehmen das gar nicht so stark wahr. Für uns ist das eine wichtige Sortimentsergänzung, denn wir brauchen die „Aldinative“ als Preiseinstieg. 

Damit sprechen Sie von „ja“. Wie sieht es mit den Rewe-Premiumeigenmarken aus wie Beste Wahl?
Heim: Warum sollten wir am Discountprinzip teilnehmen und das Wertschöpfungsprinzip auslassen? Wir entscheiden von Fall zu Fall, was für uns Sinn macht.

Macht denn etwa ProPlanet für Wasgau Sinn?
Heim: Nein, das eher nicht. Unser USP liegt in der Regionalität – darüber spielen wir letztlich auch Nachhaltigkeitsthemen. Ergo brauchen wir auch keine Marke, die dieses Feld ausschließlich bespielt.
Kettern: Letztlich muss ja auch das Absatzvermögen in Relation zur Mindestbestellmenge passen. Nur in Kategorien, in denen das gegeben ist, nehmen wir Rewe-Eigenmarken auf.

Stichwort Regionalität: Die spielt heute ja quasi jeder. Laufen Ihnen Edeka und Co. nicht längst den Rang ab?
Kettern: Das glaube ich nicht. Wir stellen jede Woche eine andere Sortimentsgruppe in den Fokus und informieren über die Erzeuger. Da wollen wir in Zukunft noch eine Schippe drauf legen.
Heim: Ich denke, die Frage stellt sich so gar nicht für die Wasgau. Unser Unternehmen ist eine Regionalmarke. Andere – wie die Edeka – sind das nicht.

Das dürften die Edeka-Regionalgesellschaften ganz anders sehen…
Heim: (lacht) Das kommt immer auf den Blickwinkel an. 
Kettern: Und auf die Definition.

Wie definieren Sie denn Regionalität?
Kettern: Eine klare Bekenntnis zu den Erzeugern. Transparenz. Ehrlichkeit, Frische und hohe Qualitäten.

A propos Frische. Sie haben hier Anteile, von denen die Rewe träumt. Können die Kölner hier noch etwas von Wasgau lernen?
Kettern: Die Frage ist, ob Lernen das richtige Wort ist. Sicher gefällt der Rewe unser hoher Frischeanteil. Herr Souque beobachtet das schon sehr genau, ich denke aber auch, dass er weiß, dass so eine Performance nicht mit jedem Konzept leistbar ist. 
Heim: Das geht nur in einem regionalen, mittelständischen und auch überschaubaren Unternehmen. Wenn das System zu komplex wird, wird es schwierig.

Kann es sich die Wasgau mit einer Rewe an der Seite überhaupt noch leisten, einfach zu denken – und eben nicht komplex?
Kettern: Wir müssen uns das leisten. In der Einfachheit liegen ja letztlich gerade auch unsere Wettbewerbsvorteile. Was muss gewährleistet sein, damit die Wasgau fit für die Zukunft bleibt?
Heim: Wir bekennen uns ganz klar zur Bedienung. Und zum Menschen als Vertrauensbotschafter. Daran darf sich nichts ändern.

Sie probieren ja auch online ein paar Dinge aus – mit Wein und etwa Kaffee. Kommt da noch mehr in Zukunft?
Heim: Das wollen wir nicht ausschließen, aber zum jetzigen Zeitpunkt sind wir genau richtig aufgestellt.
Die Rewe sieht das etwas anders und tüftelt am E-Commerce-Durchbruch. Ist der Online-Virus noch nicht in Pirmasens angekommen?
Kettern: Wir sehen das etwas gelassener. Wir haben Erfahrungswerte und könnten morgen neue Sortimente aufschalten.

Sie haben also keine Angst, dass der stationäre Handel durch E-Commerce in Gefahr gerät?
Kettern: Nein. Den Lebensmittelmarkt wird man sicher nie ad absurdum stellen – alleine schon aus dem Frischeaspekt. Ich sehe also keine Gefahr. Es wird sicher einen Mix geben, aber nie das eine oder das andere.

Die Rewe ist gerade mit Weinfreunde.de online gegangen. Haben sich die Kölner bei Ihnen Rat geholt?
Kettern: Nein. Sie scheinen sich das Miteinander enger vorzustellen, als es ist. Wir sind Wettbewerber.
Wie viel Wettbewerbsdenken kann sich die kleine Wasgau in einem Markt leisten, der von Konsolidierung geprägt ist?
Heim: Wir haben schon viele turbulente Zeiten hinter uns. Ich bin optimistisch, dass die Wasgau die 100 Jahre locker schafft. Konsolidierung hin oder her.

In diesem Jahr sind es schon 90. Ist das die Umsatzgoldgrube für 2015?
Kettern: Wir spielen da natürlich einiges, aber das Wachstum speist sich nicht nur daraus.

Der Markt bereinigt sich immer mehr. Herr Kettern, Sie sind seit 51 Jahren im Handel unterwegs. Wie bewerten Sie denn solche Präzedenzfälle wie aktuell Tengelmann?
Kettern: Es ist jammerschade, dass es zu dieser Konzentration gekommen ist. Aber daran trägt auch das Kartellamt ein gutes Stück Schuld. Als wir damals einen Kooperationsantrag gestellt haben, um mit der Rewe einkaufen zu können, hat man das 1,5 Jahre lang torpediert. Der Antrag zur Fusion wurde nach vier Wochen freigegeben. Das soll ein Mensch verstehen.

Sie scheinen sie nicht zu verstehen…
Kettern: Ich schüttle dabei nur noch mit dem Kopf. Da sind viele Fehler gemacht worden, aber die sind heute eben unwiderruflich.

Lidl gibt mächtig Gas mit seiner neuen Kampagne. Muss sich die Branche jetzt warm anziehen?
Kettern: Das ist nicht die erste Kampagne, die solchen Wind verursacht. Ich sehe das gelassen. 
Heim: Die Discounter müssen etwas tun, um weiter wachsen zu können. Ich glaube allerdings auch nicht, dass das zu riesigen Umsatzveränderungen beiträgt.

Herr Kettern, in 6 Monaten ist Schluss mit dem Handel. Wie fühlt sich das an?
Kettern: Gut und schlecht. Ich freue mich auf das, was danach kommt, werde aber sicher auch einiges vermissen.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Kettern: Auf all die Dinge, die ich vernachlässigt habe, auf die Natur und auf etwas mehr Ruhe.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?
Kettern: Er sollte immer nah an den Mitarbeitern sein. Denn das Schlimmste ist, wenn der Tross nicht mehr den Kommandanten sieht.

 

Alois Kettern und Dr. Eugen Heim
Alois Kettern und Dr. Eugen Heim
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Alois Kettern
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