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Store-Check: Migros Bridge in Zürich - Urbane, schöne neue Welt

Ein Lebensmittelmarkt als Plattform für Unternehmen und Dienstleister im Foodbereich? Migros hat dieses Konzept für Bridge direkt neben dem Hauptbahnhof in Zürich entwickelt.

Im Eingangsbereich präsentiert Migros Bridge in Zürich klassisch Obst und Gemüse unter dem Motto „meetpflückvombaum“.
Von Martina Kausch | Fotos: Love Weber für Interstore | Schweitzer

Der Name als Programm – das jedenfalls ist die Idee, die hinter dem neuen Lebensmittelmarkt der Migros in Zürich steht. Bridge nennt das Unternehmen das neue Konzept seines Standortes, durchaus in Anspielung auf Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler. Der habe sich als Brückenbauer gesehen, stellt die Migros selber in ihrem Infomaterial fest. Er hat immer wieder auch polarisiert, aber eben auch erfolgreiche neue Formate entwickelt – und dies versucht das Unternehmen nun direkt neben dem Hauptbahnhof der Stadt an der Limmat.

Lebendig oder im Luxusschlaf?

Sowohl Konzept als auch Standort in der Europaallee sind durchaus besonders: Nicht nur das Nebeneinander von Gastro und Retail, auch der Plattformgedanke zur Präsentation von Partnern und das Interieur im ausgepräg-
ten Industrial Look samt beweglicher Regalmodule sucht seinesgleichen.

Die Europaallee ist Teil eines städtischen Entwicklungsplans, der das ehemalige Bahn-Areal rund um den  Hauptbahnhof in Zürich in ein lebendig-urbanes Quartier verwandeln soll. Seit 2020 sind alle Gebäude fertig, in monotonen Straßen und Innenhöfen residieren Schweizer Banken, Google, ein Hotel und Hochschulen neben einem Kino und – Migros Bridge: 8.000 Arbeitsplätze und 400 Wohnungen wollen versorgt sein.

An einem frühen Nachmittag im September lässt sich nicht repräsentativ feststellen, ob das Viertel lebt oder sich im Luxusschlaf befindet. Sucht man zwischen den monotonen Fassaden und Höfen des Viertels nach Bridge und erwartet irgendeine Art von Schriftzug, der auf ein außergewöhnliches Etablissement hinweist, sucht man vergeblich. An der Hausnummer 22 stehen Stühle auf der Straße wie nebenan auch. Ist das nun ein Bistro? Ein Café? Und wo ist der Eingang? Das schwarze Logo an einer weißen Fassade weist auf den ersten Blick nicht auf eine Adresse für Lebensmittel hin. Unter einem auf dem Rücken liegenden „B“ steht klein „meetfood“. So viel Understatement muss man sich (in Zürich) leisten können.

Überraschung ist Programm

Bunte Rohrstühle mit hellblau-pinkfarbiger Bespannung stehen auf der Straße neben einigen Pflanzkübeln und farblich passenden Sonnenschirmen. Dann durchschreitet man eine kleine Arkade, in der ein Lastenrad einigen Platz einnimmt. Für den ganz großen Ansturm ist dieses Entree definitiv nicht gemacht.

Die mit einem Muster durchbrochene Metalltür erwartet man eher im Foyer eines Appartementhauses, die Überraschung ist hier Programm. In der Unternehmensmitteilung der Migros liest man: „Das innovative Konzept bietet einen Mix aus Gastronomie, Supermarkt und Events – alles unter einem Dach und an zentralster Lage. Bridge baut Brücken zwischen Menschen und Food.“

Über Mensch und Food

Die Brücke zwischen Mensch und Food baut ja nun im besten Fall jeder Lebensmittelmarkt. Im Eingangsbereich ist das besondere Bridge-Konzept insofern zu spüren, als man zwischen einigen Obst- und Gemüseregalen aus Holzkisten auf dunklen Stahlbeinen vor einer Infowand und einer Holz-Stahl-Treppe steht. Hier informieren Pins über Veranstaltungen und besondere Angebote im Markt. Ansonsten beginnt der Rundgang sehr klassisch mit einer Obst- und Gemüseabteilung.

Wie bereits vor dem Eingang wird es zwischen den Ständen, die wie auf einer Art Marktplatz gruppiert sind, bald eng. Die Enge erschwert wahrzunehmen, was hier für tolle Produkte angeboten werden, beispielsweise von der Zürcher Patisserie Pan de Miel. Einen Platz hat auch der Kultbäcker Seri Wada, der, statt seine Karriere in der Finanzwirtschaft weiter zu betreiben, erfolgreich dem Geheimnis der perfekten französischen Patisserie auf der Spur ist und laut gaultmillau.ch schon das beste Baguette der Stadt macht. Allerdings: Das schwarze Schild mit der Aufschrift Seri über dem Stand sagt das nicht aus – Zürich insight eben.

Industrielook und seine Tücken

Anthrazitfarbenes Stahlrohr in Kombination mit Holz scheint die gestalterische Grundidee im Bridge zu sein, aber gleich beim Obst- und Gemüsestand am Eingang zeigen sich die Brüche. Die Kühlung für die Beeren passt sich nicht in die Holzoptik ein, die bunten Tomatenstiegen, original vom Produzenten, noch viel weniger. Die Beschriftungen am Stahlgitter tragen Begriffe wie „meetpflückvombaum“ oder „meetdirektvomfeld“. Dekoleistung: hoch, Informationsleistung: minimal.

Beschriftung und Orientierung sind Themen, die im Migros Bridge keine zentrale Rolle spielen. Man bewegt sich über die Erdgeschossfläche und freut sich überrascht an dem, was es so alles gibt. Dabei entsteht durchaus Kauflust auf dies und das. Ob man auch Freude am Einkaufen hat, wenn man eine Einkaufsliste abarbeiten will? Nein, einfach fürs Auffüllen des heimischen Lagers ist Migros Bridge nicht gemacht. Das Angebot im Supermarktbereich umfasst zu 70 Prozent Eigenmarken der Migros. Dazu kommt viel Bio und Regionales aus der Schweiz.

 

Das Neue im Migros Bridge ist das Plattformkonzept. Hier bedeutet es: Auf vielen der insgesamt 2.000 Quadratmeter können sich Unternehmen präsentieren. Drittanbieter nennt Migros die Partner im Bridge, in den ersten Monaten nach der Eröffnung im April sind es mit Seri, Vicafe, Flour & Water (Pizza), Tokyo Express (japanische Küche), Smith & Smith (Wein) fünf Drittanbieter, allesamt hippe Zürcher Trendunternehmen. Am Vicafe, einer Schweizer In-Kaffeebar, kann man zum schwarzen Lustgetränk unter dem Motto „Wähle deine Milch“ Bio-Vollmilch, Milch laktosefrei, Magermilch, Soja- und Hafermilch ordern.

Das Bistro wird separat bespielt, hier wechseln die Küchen und die Köche aktuell alle zwei Monate. Gestartet wurde klassisch italienisch, mittlerweile wurde auch schon Mexikanisches zubereitet und zu peruanischer und Balkanküche durch profilierte Kochspezialisten eingeladen.

In der oberen Ebene tritt das Lebensmittelangebot zugunsten der Gastronomie in den Hintergrund. Anthrazitfarbene, sehr bequeme Stühle, ansprechende Holztische und angenehme Beleuchtung durch die innen goldfarbene Beschichtung der Lampenschirme vermitteln eine einladende Atmosphäre. Durch die bodentiefen Fenster fällt der Blick aufs Gleisgeschehen – Bridge liegt direkt neben dem Bahnsteig.

Erst Flipchart, dann Flugente

Zum Konzept des Migros Bridge gehört eine Eventlocation für bis zu 50 Personen namens Foodlab, in der rund um vier Kochinseln mit Durchreiche zu einer Vorbereitungsküche Veranstaltungen verschiedenster Couleur
stattfinden können. Erst Flipchart, dann Flugente – hier ist es möglich. Man kann als Privatmensch eine Party schmeißen, aber auch die Drittpartner des Hauses geben ihr Wissen weiter. Ob Tastings, Cocktailmix- und
Kochkurse – hier ist der Platz dafür.

Ermöglicht wird das Konzept mit Verzahnung von Retail, Gastro und Events auch durch die flexiblen Regalsysteme und multifunktionalen Elemente. Interstore Schweitzer hat hier erstmals in größerem Stil angewendet, was Flächen unter dem Stichwort „Retailization“ vielerorts neue Nutzungen ermöglichen soll.

Der LEH auf dem Weg zum Dienstleister

Laut Geschäftsbericht erzielte die Migros-Gruppe 2020 einen Umsatz von 29,95 Milliarden Schweizer Franken (rund 27,4 Mrd. Euro) und ein Plus von 4,4 Prozent. Der E-Commerce-Umsatz der Gruppe erreichte erstmals die Zehn-Prozent-Marke. Er wuchs um 31 Prozent auf knapp drei Milliarden Schweizer Franken. Nach einem Besuch im Zürcher Migros Bridge klärt sich die Frage nach Zukunftskonzepten für Lebensmittelhändler an zumindest innerstädtischen Standorten spätestens, wenn man sich die Facebook-Seite der Location anschaut. Dort steht in der Info-Rubrik: „Bridge: Lokaler Dienstleister · Lebensmittelgeschäft · Restaurant“.

MARKTDATEN

Migros Bridge, Zürich
Adresse: Europaallee 22, 8004 Zürich/Schweiz
Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 9 bis 21 Uhr, Donnerstag bis Samstag 9 bis 22 Uhr
Eröffnung: 08.04.2021
Verkaufsfläche: 2.000 m² auf zwei Ebenen
Zahl der Mitarbeiter: 90 (inkl. Drittpartner)
Parkplätze: keine
Artikelanzahl: ca. 8.000
Besonderheit: Enge Durchmischung von Retail, Gastronomie und Events

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