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Babynahrung und -pflege: Tipps für den Handel

Die Hersteller von Babyprodukten haben es wirklich nicht leicht. Die Geburtenrate sinkt, die Chancen auf Wachstum sind begrenzt. Auch der Lebensmittelhandel tut sich mit dem Verkauf der Kategorie Baby schwer. Ein Interview zum Thema mit Reiner Tafferner, Marketingleiter im Hause Hipp.

Von Danica Hensel

Warum wird die Kategorie Baby so viel besser über Drogeriemärkte verkauft als über den LEH? 
Tafferner: 
Der Stellenwert der Kategorie ist im Drogeriemarkt wesentlich größer. Immerhin macht die Babynahrung hier rund zehn Prozent des Umsatzes aus. Entsprechend werden die Produkte hier stärker forciert. Jeder Drogeriemarkt bewirbt die Kategorie, viele haben eigenen Babyclubs. Außerdem bieten viele ein kompetentes, umfassendes Sortiment – mit vielen Spezialprodukten. Die Beratungskompetenz ist in den Drogeriemärkten wesentlich höher, die Mütter fühlen sich in diesem Umfeld wohler als in kleinen Supermärkten mit wenig Auswahl oder in großen SB-Warenhäusern mit einer viel zu großen Auswahl.

Hat der Lebensmittelhandel das Problem erkannt? 
Tafferner: 
Ich denke ja. Die Rewe arbeitet ja beispielsweise an ihrer Drogerieabteilung.

Haben Sie einen Tipp an selbstständige Lebensmittelhändler? 
Tafferner: 
Wichtig ist, dass der Händler ein relevantes Sortiment anbietet. Es bringt nichts, wenn er nur 30 Gläschen führt. Neben der Auswahl müssen Orientierung und Struktur stimmen. Der Händler sollte die Kategorie mit Aktivitäten, Aktionen  und Ideen stärker forcieren. Aktionswochen rund ums Baby oder Coupons können die Verbraucher auf das Sortiment aufmerksam machen.

Wo im Markt sollte die Kategorie Baby platziert werden? 
Tafferner: 
Die Kategorie Baby ist aus unserer Sicht auch für den Lebensmittelhandel eine strategische Produktgruppe. Es gibt Untersuchungen, dass junge Familien im Wert einen dreimal höheren Warenkorb haben als der Durchschnittskonsument. Daher sollte die Kategorie Baby auch im Lebensmittelhandel einen guten Platz innerhalb der Drogerieabteilung haben. Uns ist es wichtig, dass die Kategorie auffällt,  dass der Verbraucher eine große Auswahl – ohne Regallücken – vorfindet und er sich leicht orientieren kann.

Warum setzen alle Hersteller neuerdings auf Produkte für Schwangere? 
Tafferner: 
Unsere Zielsetzung ist klar: Hier geht es um frühe Markenbindung. Wir als Hersteller bekommen über Produkte wie Pflegelotionen oder Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere den ersten Kontakt zur Zielgruppe. Unsere Intention ist es dabei, die schwangeren Frauen von Anfang an von uns zu überzeugen, damit sie unserer Marke treu bleiben. Das funktioniert auch.

Gibt es Studien, die diese These belegen? 
Tafferner: 
Ja, es  gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass die mentale Markenwahl nicht erst bei der Geburt, sondern bereits zwischen dem 7. und 8. Schwangerschaftsmonat stattfindet. Hier haben die Mütter Zeit, sie informieren sich im Internet, in Broschüren und Büchern und treffen anschließend die Entscheidung, welche Marke sie später kaufen werden.

Wo sollte ein Lebensmittelhändler solche Produkte platzieren? 
Tafferner: 
Erfolg versprechen vor allem entsprechend gekennzeichnete, separate Mütter/Schwangeren-Regale, wie sie beispielsweise dm hat. Hier können sich schwangere Frauen und Mütter am besten orientieren. Hat ein Händler nicht genügend Platz für ein solches Regal, empfehlen wir eine Warengruppen-Platzierung – also beispielsweise  Pflegeprodukte für Mütter platziert ins Körperpflege-Regal oder Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere zu OTC.

Wie hoch ist der Erwachsenenanteil bei der Babypflege? 
Tafferner: 
Zwei Drittel des Umsatzes von Babypflege geht an Konsumenten, die gar kein Baby haben. Besonders häufig greifen Frauen mit sensibler Haut zu milden Babyprodukten. Viele Verbraucher benutzen die Babyprodukte aber auch für die Altenpflege.

Wie hoch ist der Erwachsenen-Anteil bei der Babynahrung? 
Tafferner: 
Wir schätzen, dass jedes fünfte Gläschen von Erwachsenen verzehrt wird. Hauptverwender sind dabei junge Frauen. Ihre Argumentation: die Qualität der Produkte stimmt, sie sind gesund und haben wenige Kalorien. Da sie nicht gekühlt werden müssen lassen sich die Gläschen im Vergleich zu Joghurt auch mitnehmen.

Warum führen Sie dann nicht bewusst Gläschen für Erwachsene oder für Senioren ein? 
Tafferner: 
Das haben wir uns schon oft überlegt, aber: Die Umsetzung scheitert an der Platzierung. Eigentlich müssten die Gläschen ins Kühlregal, aber da ist der Platz begrenzt und teuer. Würden wir die Produkte im Babynahrungsregal platzieren, ginge dies zu Lasten unseres Kernsortiments.  Das wollen wir in keinem Fall.

Produkte für Kleinkinder, für Schwangere, vielleicht sogar für Senioren: Würden Sie all diese Überlegungen führen, wenn es mit der Geburtenraten besser aussehen würde? 
Tafferner: 
Sicherlich nicht in dem Maße. Unser Hauptproblem ist, dass die die Geburtenzahlen weiter zurückgehen. Die politischen Initiativen haben keine Effekte gebracht. Deswegen müssen wir natürlich kreativ werden, um weiter zu wachsen. Neben der Zielgruppenausdehnung sehen wir aber auch im Auslandsgeschäft noch großes Potenzial.

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