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„Ich bin nie zufrieden“

In Deutschland leben rund eine Million Veganer und acht Millionen Vegetarier. Die Zielgruppe wächst, immer mehr Unternehmen steigen auf den Vegan-Zug auf. Jan Bredack gilt mit seinen veganen Märkten als Vorreiter. Jetzt ist die Idee gescheitert – ans Aufgeben denkt er trotzdem nicht.

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Foto: Christoph Petras
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Von Alexandra Stojic

Noch vor wenigen Jahren waren vegane Lebensmittel überwiegend im Biomarkt und im Reformhaus erhältlich. Veganz- Gründer Jan Bredack holt mit seinen hippen, veganen Märkten die Tierfrei- Produkte aus der Öko-Ecke und macht sie für jedermann zugänglich. Das Unternehmen wächst. Doch die Lebensmittelindustrie und der LEH schlafen nicht – immer mehr Hersteller springen auf den Vegan-Zug auf und der Handel schafft für die Kategorie Regalplätze frei. Soja, Tofu und Co. kauft der Verbraucher nun auch im LEH – das Konzept des veganen Supermarkts geht nicht mehr auf. Die Umsätze sinken. Bredack lässt in einem Insolvenzverfahren fünf von zehn Flächen schließen.

Herr Bredack, noch vor einem Jahr haben Sie erzählt, die Leute würden Ihnen die Bude einrennen. Nun sind Ihre Märkte insolvent. Was ist passiert?
Das Geschäftsmodell hat sich verlagert. Unsere Supermärkte waren nur die ersten zwei oder drei Jahre unser Kerngeschäft . Wir haben 2014 damit angefangen, auch den LEH zu beliefern und unsere eigenen Produkte zu entwickeln.

Dann haben Sie damit doch eigentlich Ihre eigenen Märkte beerdigt.
Wir mussten handeln. Der Umsatzanteil im LEH lag bei über 90 Prozent. Unsere Filialen haben gerade noch fünf Prozent abgeworfen.

Und deswegen haben Sie …
… rein betriebswirtschaftlich entschieden. Bevor die Läden weiter Verluste mitfinanzieren, haben wir für diesen Teil der Gesellschaft ein Planinsolvenzverfahren gestartet, aus dem jetzt hervorgegangen ist, dass wir fünf Filialen geschlossen haben.

Sie sind in der Branche als extrem ambitionierter Siegertyp bekannt. Wie gehen Sie mit dieser Niederlage um?
Mir geht es damit auf der einen Seite sehr gut. Ich bin Unternehmer und denke wirtschaftlich. Wenn fünf Prozent meines Umsatzes 80 Prozent meiner Verluste darstellen, dann ist die Entscheidung naheliegend. Emotional hat es mich aber mitgenommen.

Wie meinen Sie das?
Nun ja, ich habe die Filialen selbst aufgebaut, ich kenne alle Mitarbeiter. Wir haben viele Mitarbeiter freistellen müssen. Das war hart. Aber rein rational betrachtet war es die notwendige und richtige Entscheidung.

Was glauben Sie, wieso das Geschäftsmodell „veganer Supermarkt“ am Ende doch nicht funktioniert hat?
Die Verfügbarkeit von veganen und vegetarischen Produkten im LEH ist gestiegen. Immer mehr Händler schaffen Platz im Regal für das Fleischlos-Segment. Wegen der Sojamilch kommt keiner mehr zu uns.

Ihre Produkte sind mittlerweile nicht nur in Drogeriemärkten, sondern auch im LEH gelistet. Sind Sie mit der bisherigen Distribution Ihrer Produkte zufrieden?
Wir haben europaweit mehr als 9.000 Distributionspunkte. In Deutschland sind wir quasi flächendeckend gelistet – damit sind wir insgesamt sehr zufrieden.

Ihre Beziehung zur Edeka hat in der vergangenen Zeit allerdings etwas gelitten. Von unbezahlten Rechnungen in Höhe von 2,5 Millionen Euro war die Rede und auch die rund 300 gelisteten Veganz-Produkte sollen sich nicht ganz zu Ihrer Zufriedenheit verkauft haben.
Das Problem waren nicht die Listungen.

Sondern?
Wir haben mit Edeka eine Gesellschaft gegründet und es sind Businesspläne erstellt worden. Dazu gehören auch entsprechende Volumina. Die nicht gekommen sind.

Wie ist das Verhältnis zu den Blau-Gelben denn mittlerweile?
Wir sind sehr zufrieden. Mittlerweile machen wir besonders mit den selbstständigen Kaufleuten sehr gute Geschäfte. Gerade die schaffen immer mehr Platz im Regal für vegetarische und vegane Produkte.

Das führt aber auch dazu, dass der Wettbewerb für Sie immer größer wird. Die Rügenwalder Mühle ist mit ihrer fleischfreien Range sehr erfolgreich.
Die sehe ich nicht als Wettbewerber an. Rügenwalder hat 99 Prozent vegetarische und aktuell nur zwei vegane Alternativen.

Wen sehen Sie als Wettbewerber an?
Was die Rügenwalder Mühle hat, sind eine extreme Marketingmaschinerie und Regalplätze. Wie gesagt, die sehen wir nicht als Wettbewerber an. Bei dm wiederum ist es deren Biomarke. Da stehen wir nebeneinander, teilweise mit den gleichen Produkten. Unser größter Wettbewerber sind aber die Handelsmarken.

Mit welcher Strategie wollen Sie sich in Zukunft gegen die Eigenmarken behaupten?
Wir setzen auf Nachhaltigkeit und produzieren weitgehendst ohne Zucker, Palmöl, ohne chemische Zusatzstoff e. Und mittlerweile wissen die Einkäufer bei den Handelsunternehmen, was funktioniert. Unsere Marke ist präsent. Außerdem sind wir sehr glaubwürdig.

Das war aber nicht immer so. Die Veganszene war zu Beginn sehr kritisch, hat Ihnen auch schon die Schaufenster eingeworfen. Hängt Ihnen das Image des kapitalistischen Daimler-Managers nicht mehr nach?
Damit haben wir keine Probleme mehr. Was aber stimmt: Wir haben sehr viele Widerstände gehabt, weil wir den Veganismus aus dem Nukleus seiner Protestbewegung rausgeholt und ihn für die breite Masse verfügbar gemacht haben. Mittlerweile hat sich das aber gelegt. Es ist alles sehr viel ruhiger geworden.

Trifft das auch auf Sie zu?
Ja. Veganz ist mittlerweile ein Team von vielen Denkenden, Mitarbeitenden, Mitunternehmern. Operativ bin ich so gut wie gar nicht tätig. Ich bin immer noch der Geldonkel. Denn in den letzten Jahren haben wir sehr viel Geld verbrannt.

Wie viel haben Sie verbrannt?
Millionen. Wir waren noch nie rentabel, weil wir wahnsinnig gewachsen sind. Unser Ziel ist aber jetzt, diese Schwelle der Profitabilität zu überschreiten, weil man langfristig am Markt sonst nicht bestehen kann.

Und so langsam sind Sie und das Unternehmen ja auch den Start-up-Schuhen entwachsen ...
Dieser Nimbus ist zwar schön, aber am Ende des Tages überzeugt man Investoren und Gesellschafter nur, indem man zeigt, was aus ihrem Geld geworden ist. Das ist der Lauf der Dinge. Wir konzentrieren uns aber jetzt darauf, unsere Produkte in den Handel zu bringen.

Welche Pläne haben Sie für die nächsten zehn Jahre?
Also, unser Kernziel ist, unsere Marke erst mal nach Europa und dann langfristig gesehen auch in die USA zu bringen. Das haben wir schon einmal versucht, haben das Projekt aber anschließend wieder gekillt.

Warum?
Ganz einfach: Wir haben uns übernommen. Wir haben in den USA eine Firma gegründet. Wir sind sehr verdrahtet, haben sehr viele Lieferanten dort und haben festgestellt, der Markt tickt da noch mal anders und die Anstrengungen, die notwendig gewesen wären, um unsere Produkte an den US-Markt zu adaptieren, wären immens gewesen.

Das heißt, Sie wollen Ihre Hausaufgaben erst mal in Deutschland beziehungsweise in Europa machen. Das ist der Plan. Und ich glaube, damit werden wir auch in der nächsten Zeit beschäftigt sein.

Und wenn Sie Deutschland und Europa „geschafft“ haben, was kommt danach?
Wir haben das Wachstum deutlich verlangsamt. Wenn Sie mich nach Zielen fragen, geht es jetzt in den nächsten zwei Jahren darum, die Unternehmung profitabel zu machen.

Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Wir setzen auf Marketing in allen Kanälen und darauf, uns als Umbrella-Brand festzusetzen. Da sind wir noch nicht. Wir haben es zwar in die Regale geschafft, aber wir müssen dieses Regalbild mit unserer Marke absichern.

Das sind ganz schön ehrgeizige Pläne. Setzt das Sie und Ihre Mannschaft nicht wahnsinnig unter Druck?
Klar. Aber den machen wir uns zum Teil selbst, weil wir uns in unserer DNA verpflichtet haben, innovative pflanzliche, gut schmeckende Produkte auf den Markt zu bringen. Das treibt uns an.

Wenn Sie Ihre bisherige berufliche Laufbahn als Unternehmer Revue passieren lassen: Würden Sie heute rückblickend irgendwas anders machen?
Nee. Ich würde das genauso wieder tun. Klar gibt es viele Fehler, die ich gemacht habe. Aber wenn ich schaue, was wir alles erreicht haben, ist das ja toll.

Dann kann man sagen, Sie sind zufrieden?
Ich glaube, vom Charakter her bin ich kein Mensch, der jemals zufrieden sein kann.

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Foto: Christoph Petras
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