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Digital Link – Kanal zum Kunden

Knapp 50 Jahre nach seiner Einführung neigt sich die Ära des eindimensionalen Strichcodes ihrem Ende zu. Mit seinem Nachfolger, einem 2D-Code, betritt der Handel digitale Welten, in denen jede Cola-Dose und jeder Kopfhörer über einen virtuellen Zwilling mit jedem Kunden kommunizieren kann. Und nicht nur das.

Foto: Adobe Stock/Julian
Von Anke Pedersen | Fotos: Adobe Stock/Julian

Probieren geht über studieren! Das weiß auch Oliver Püthe von der GS1 Germany, dem offiziellen Anbieter von Barcodes in Deutschland. Wenn er also jemandem das ungeheure Potenzial des „GS1 Digital Link“ verdeutlichen will, der Weiterentwicklung des Strichcodes in 2D, dann lädt er zum Aha-Erlebnis.

Wie ein Magier präsentiert Püthe dann ein Glas Nutella und bittet sein Publikum, den darauf befindlichen QR-Code mit dem Smartphone zu sannen – drei Mal hintereinander. „Was sehen Sie?“, fragt er nach dem ersten Mal: Auf dem Handy poppt eine Promo-Aktion von Ferrero auf: das Nutella-Sommer-Gewinnspiel 2022. „Und jetzt?“ Diesmal führt der QR-Code zu einem Nutella-Sonderangebot bei Kaufland. „Und jetzt noch einmal!“ Aha, Rezeptideen rund um die Nussnougatcreme.

Moment mal! Haben Sie den QR-Code gerade ausgetauscht? Ja und nein. Den Code selbst hat Püthe nicht verändert, erklärt er sichtlich zufrieden, wohl aber die Informationen, die darüber kommuniziert – also ans Smartphone geschickt – werden sollen. Zum besseren Verständnis ruft der GS1-Manager eine simple Eingabemaske auf, den sogenannten GS1 Germany Resolver. Hier sind untereinander verschiedene Webadressen (URLs) gelistet, die sich mit nur einem Klick scharfschalten oder deaktivieren lassen, sodass jeder „Besucher“ genau die Infos erhält, die für ihn vorgesehen sind


"Man muss das Produkt als Kanal verstehen, über den sich unterschiedliche Informationen ausspielen lassen."

Oliver Püthe, Lead Industry Engagement, GS1 Germany


Abgelaufene Wurst? Die Kasse piept

Der neue 2D-Code enthält also nicht nur die Artikelnummer des Nutella-Glases. Über den GS1 Digital Link erzeugt er auch dessen digitalen Zwilling im Internet. Und mit diesem lässt sich künftig kommunizieren: Im Web bleibt die Adresse des Nutella-Glases immer dieselbe. Auf welchem Weg (URL) jemand zu Besuch kommt, entscheidet jedoch darüber, welche Antworten der Web-Zwilling gibt. Oliver Püthe: „Man muss das Produkt als Kanal verstehen, über den sich unterschiedliche Informationen flexibel und bedarfsgerecht ausspielen lassen.“

Weil der 2D-Code mit dem GS1 Digital Link deutlich „informationsstärker“ ist als der bisherige eindimensionale Strichcode, kann er nicht nur mit Kunden kommunizieren, sondern auch mit Kassen. „Die Programmierer auf der Handelsseite können den Resolver aufrufen und mehrere Infos für ein Produkt aneinanderketten“, erklärt Püthe, „zum Beispiel bezüglich seines Mindesthaltbarkeitsdatums. An der Kasse piept es dann, und der Kunde kauft kein Produkt, das schon abgelaufen ist.“

Alternativ könnten abgelaufene Artikel an der Kasse automatisch rabattiert werden; dann müsste man sie nicht länger händisch aus den Regalen in eine gesonderte Theke räumen und auch noch manuell etikettieren. Als Kanal funktioniert das Produkt freilich nicht nur gen Kunde oder Kasse.

Nicht zuletzt zur Absicherung reibungsloser Warenströme werden künftig auch all jene mit dem Nutella-Glas kommunizieren können, die Teil seiner Lieferkette sind. Logistikpartner „sehen“ über ihren Kanal dann den Zielmarkt des Glases, Händler ihre Nutella-Lagerbestände.

Das ist ein Wendepunkt im Extended Packaging, wirbt der GS1-Manager Oliver Püthe. „Mit dem bisherigen 13-stelligen Produktstandard – EAN13 bzw. GTIN (Global Trade Item Number) – lässt sich ein einzelnes Produkt nicht nachverfolgen, weil individuelle Information oder Informationen auf der Ebene der Charge fehlen.“

Dagegen erlaube die digitale Produktkennzeichnung sowohl Chargennummern, über die sich zum Beispiel verfolgen lässt, über welchen Vertriebskanal das Produkt verkauft wurde, als auch Seriennummern für jedes einzelne Produkt. Und genau das ermöglicht es auch Händlern, Kaufland-, Rewe- oder Edeka-spezifische Inhalte anzubieten. 
 

Spracherkennung mit GS1 Digital Link

Natürlich wollen auch Hersteller ein oder zwei Wörtchen mitreden. Diese treffen heute auf Kunden mit einem stark gewachsenen Informationsbedürfnis. Kunden, die mehr wissen wollen zu Herkunft, Allergenen oder Verarbeitungsweise eines Produkts, und die ihre Kaufentscheidung davon abhängig machen, wie und ob sie diese Infos bekommen. An diesem Punkt schlägt nicht nur die Stunde des GS1 Digital Link, der Kunden genau da absetzen kann, wo Hersteller ihm antworten können. 

Gefragt sind künftig auch Marketingexperten und Spezialisten für Einkaufserlebnisse – sie werden die entsprechenden Kanäle schaffen und gestalten müssen. Kanäle freilich, die idealerweise auch international miteinander verknüpft sind. Damit zum Beispiel ein Bayer im Italienurlaub automatisch auf die deutsche Seite eines Medikaments geleitet wird, das er in Rom gerade scannt. Aha-Erlebnis!

Dass ein Produkt schließlich im Warenkorb landet, sei heutzutage jedoch längst keine Garantie mehr dafür, dass Kunden es – auch öffentlich – positiv bewerteten und ihm treu blieben, weiß GS1-Magier Oliver Püthe. Statt Nutella präsentiert er jetzt einen Joghurt: „Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass sich QR-Codes auch auf der Innenseite eines Deckels befinden? Weil man nach dem Kauf ein anderes Informationsbedürfnis hat und zu Hause etwa Rezepte oder eine Bedienungsanleitung haben will.“ Voilà: Der innenliegende GS1 Digital Link öffnet auch diesen Kanal zum Hersteller. 


"Unser Ziel ist es, dass bis 2027 weltweit alle Kassen im klassischen Handel POS 2D-ready sind."

Oliver Püthe, Lead Industry Engagement, GS1 Germany


Platz da!

Noch hat freilich der gute alte Strichcode nicht ausgedient. Doch weil er eindimensional und damit endlich ist, führt an seiner Transformation in den leistungsstärkeren 2D-Code kein Weg vorbei. „Wir rechnen mit einer Übergangsphase“, sagt GS1-Repräsentant Püthe. Ziel sei es, dass bis „2027 weltweit alle Kassen im klassischen Handel POS 2D-ready sind“. Spätestens dann dürfte noch ein weiterer Vorteil des neuen Standards sichtbar werden: Die aktuell mit Produktinformationen, Inhaltsstoffen, Anwendungsbeispielen, regulatorischen Hinweisen, Artikelnummern, Seriennummern, Strichcodes für Handel und Logistik, Prüfcodes für Inspekteure und QR-Codes von Promotionen überfüllten Verpackungen werden alle verschwunden sein – im neuen GS1 Digital Link QR-Code. Aha!


Vorteile des smarten Strichcodes

 

1. In der Umsetzung

  • Systemkompatibilität: Bestehende Codes behalten ihre Gültigkeit. Das erleichtert die Migration.
  • Internetfähigkeit: Jeder Artikel erhält eine verlässliche, webfähige ID.
  • Verknüpfbarkeit: Daten und Prozesse in Lieferketten, im Handel und für Kunden werden verknüpft. 

2. In der Interaktion mit Kunden

  • Ein Scan liefert Kunden die gewünschten Informationen. Für Marken öffnet sich über ihr Produkt ein neuer Kommunikationskanal. 
  • Besserer Verbraucherschutz dank höherer Transparenz bei Herkunft und Lieferkette. 
  • Unterstützung des stationären Handels durch neue Einkaufserlebnisse.
  • Kosteneffizentere Erfüllung regulatorischer Anforderungen, die nicht zwingend am Produkt abgedruckt sein müssen.

3. Ganz praktisch 

  • Optimierung der B2B-Prozesse: Daten und Prozesse werden zwischen Herstellung, Logistik und Handel dynamisch verknüpft, was innovative digitale Lösungen ermöglicht.
  • Mehr Platz: Da fast alle Informationen über einen Code vermittelt werden können, werden weniger Etiketten auf dem Produkt benötigt.
  • Digitales Profil: Über eine einzige ID auf dem Etikett kann jedes Produkt mit seinem digitalen Zwilling verbunden werden – und das über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg.

 

Wächter über die Standards ist GS1

GS1 ist ein Netzwerk von Not-for-Profit-Organisationen, die weltweite Standards für unternehmensübergreifende Prozesse entwickeln, aushandeln und pflegen, darunter auch Produktkennzeichnungen wie den neuen „GS1 Digital Link“. Es gibt 115 nationale GS1-Organisationen, die jede für sich individuell strukturiert sind. Die GS1 Germany GmbH, zu deren Community sowohl Hersteller als auch Händler gehören, ist nach den USA die zweitgrößte GS1-Organisation der Welt. „Unsere Aufgabe ist es, Standards weiterzuentwickeln“, erklärt Lead Industry Engagement Oliver Püthe.

Mehr Informationen

... zu den neuen Digital Links sowie ein Step-by-Step-Video zur Integration von Digital Links in einen QR-Code finden Sie auch bei der GS1.

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