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Man braucht Geld, Mut und Wissen! Sahin Karaaslan über den Weg zur erfolgreichen Eigenmarke

Was man als selbstständiger Händler mit einer skalierbaren Handelsmarke erreichen kann, hat Sahin Karaaslan eindrucksvoll bewiesen. Im Interview erzählt er, worauf es bei erfolgreichen Eigenmarken ankommt.

Von Alexander Thürer | Fotos: Delikatessa

Was man als selbstständiger Händler mit einer skalierbaren Handelsmarke erreichen kann, hat Sahin Karaaslan eindrucksvoll bewiesen. Der Kopf hinter der Spezialitätenmarke Delikatessa betreibt im Raum Heidelberg vier Rewe-Filialen, hat mit seinem zweiten Standbein aber längst die Grenzen der eigen Regale gesprengt. Rund 240 Produkte umfasst aktuell sein Portfolio, mit dem er vor gerade einmal drei Jahren an den Start ging – und das mit einem mutigen Ansatz, denn viele Produkte waren für den deutschen Gaumen eher exotisch. Mittlerweile ist er mit seinen Spezialitäten bei gut 250 Händlern gelistet, 192 davon sind Rewe-Märke. Im Interview erzählt er, worauf es bei erfolgreichen Eigenmarken ankommt.

RU: Delikatessa war von Anfang an sortimentstechnisch sehr breit aufgestellt. Im Angebot waren und sind dabei auch einige Produkte, die für den klassischen deutschen Kunden durchaus exotisch anmuten. Warum haben Sie diesen Weg gewählt und welche Produkte waren die problematischsten?

Sahin Karaaslan: Wir wollten unseren Kunden einfach etwas Neues zeigen und uns so vom Wettbewerb abheben. Aber klar gibt es immer Dinge, die etwas schwieriger laufen, z.B. Okra-Schoten. Da gibt es zwar Fans, aber die Meisten kennen das gar nicht. Und das obwohl sie sehr gesund sind und viel Protein haben und damit schon aktuelle Trends bedienen.

RU: Beobachten Sie da Lerneffekte bei den Kunden?

Sahin Karaaslan: Sicherlich. Positiv war z.B. die Entwicklung der Sonnenblumenkerne, die lange eher unbekannt waren. Ein paar Mitbewerber hatten die zwar schon, aber nicht in dieser Dimension und Vielfalt wie wir. Genau dies hat sich für uns aber ausgezahlt und das Vorurteil, das sei „Vogelfutter“, gibt es kaum noch. Ähnliches haben wir im Segment der Hülsenfrüchte. Rote Linsen kennt jeder, aber bei Augen- oder Mungbohnen sieht das schon wieder anders aus. Die sind eben erklärungsbedürftig.

RU: Wie haben Sie das Problem mit dem Erklären gelöst?

Sahin Karaaslan: Wir haben uns bemüht, das über die Verpackung abzuholen, etwa mit QR-Codes, über die Kunden Produktinformationen, Zubereitungstipps und sogar ausgefeilte Kochrezepte finden können. Hierfür arbeiten wir mit dem Heidelberger Starkoch Martin Scharff zusammen. Und: wir sind immer erreichbar – auch und gerade für den Verbraucher.

RU: Während andere Eigenmarken gern mal den Weg der Premiumisierung einschlagen, sind die Produkte von Delikatessa in der Regel preislich ein Stück unterhalb der Konkurrenz angesiedelt. Warum haben Sie sich bewusst für diesen Ansatz entschieden?
Sahin Karaaslan: Zuallererst mussten wir uns für den Händler attraktiv machen – und natürlich auch für den Endverbraucher. Ist das Produkt im Einkauf teuer, gibt der Händler das natürlich an den Kunden weiter. Und der ist immer noch sehr preissensibel. Da wir aber ohne Zwischenhändler direkt mit den Produzenten zusammenarbeiten, haben wir auch die besten Preise. Diese Top-Konditionen wollen wir weitergeben. Gleich auf Premium zu setzen, war daher für uns der falsche Weg. Wir mussten die Leute ja erstmal überzeugen, dass wir gut sind, dass die Qualität stimmt. Und ganz wichtig: so vermeiden wir Probleme mit dem MHD. Ein Artikel, der sich schnell dreht, aber weniger Marge hat, ist mir vor diesem Hintergrund tatsächlich lieber als einer mit größeren Spanne und weniger Absatz.

RU: Ist das klassische Premium-Produkt also erstmal nicht ihr Fokus?
Sahin Karaaslan: Doch, schon, aber nur bei ausgewählten Sachen, z.B. bei eingelegten Feigen, das ist ein Luxusartikel für ein spitzes Publikum. Da kannst du dann auch teurer sein.

RU: Sie sind im August 2018 gestartet. Was war für Sie rückblickend die größte Hürde?
Sahin Karaaslan: Den Händler zu überzeugen, dass man Ahnung vom Produkt hat und dass man es mit der dauerhaften Warenverfügbarkeit auch hinbekommt. Zu oft kommen Leute mit einem Produkt um die Ecke und wenn die erste Charge verkauft ist, können sie nicht nachliefern. Das hat viele Händler vorsichtig gemacht und sie fragen sich berechtigter Weise bei jedem Neuling erstmal, warum ausgerechnet der das jetzt besser können soll. Produktqualität und Sicherheit waren auch Dinge, die wir dem Handel erst beweisen mussten. Aber das ist eben auch Teil des Spiels, dass immer wieder neue Marken aufkommen und die alten verdrängen. Das sorgt für Bewegung und Attraktivität.

RU: Wenn ein selbstständiger Einzelhändler mit der Idee liebäugelt, eine Eigenmarke auf dem Weg zu bringen und Sie fragen würde, worauf es dabei ankommt – was würden Sie ihm raten?
Sahin Karaaslan: Da kommt es immer drauf an, was er vorhat. Käme er jetzt auf die Idee, auf mediterrane Spezialitäten zu setzen, würde ich sagen, dass das schwierig werden wird. Die Auswahl und die Konkurrenz sind einfach sehr groß. Daher würde ich ihm raten, sich lokal umzusehen, das ist am einfachsten und auch am schnellsten umzusetzen. Da brauchen Sie auch keine Riesenmengen abzunehmen. Reden wir aber über internationale Spezialitäten, z.B. rote Linsen oder Konserven, etwa Kichererbsen, brauchen Sie 33 Paletten Mindestbestellmenge, sonst gibt man ihnen in der Fabrik nicht mal die Hand. Grundsätzlich braucht man aber drei Dinge für so ein Projekt: Geld, Mut und Wissen. Nur eines davon zu haben, reicht nicht. Und Vernetzung auf allen Eben kann auch nicht schaden.

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