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Mehrweg? So geht’s!

Die Einwegverpackung hat zwar noch nicht ausgedient, doch die Konzepte für Unverpackt- und Pfand-Systeme mehren sich. Und vor allem werden die Forderungen der Politik sowie der Wunsch der Kunden nach mehr Mehrweg lauter. Wie kann der Lebensmittelhandel diese erfüllen?

Von Emmelie Öden | Fotos: planIT/Edeka Sommer

Sie hat manche Händler ganz schön ins Schwitzen gebracht: die Mehrwegangebotspflicht, die seit dem 1. Januar 2023 besteht. Sie gilt überall dort, wo Einwegverpackungen aus Kunststoff für vor dem Verkauf verpackte Speisen und Getränke angeboten werden. Im Lebensmittelhandel sind das zumeist heiße Theken, Salatbars und Backshops. Der Kaffee im beschichteten Becher, der Lunchsalat in der Kunststoffschale oder die Frikadelle auf dem Plastikteller – hierfür braucht es nun Mehrweg-Alternativen. Einige sehen die Pflicht als Meilenstein auf dem Weg zu weniger Verpackungsmüll. Denn obwohl sie nicht ganz konsequent ist, kann sie dabei helfen, dass Mehrweg im Außer-Haus-Markt immer öfter eine Option wird – auch dort, wo sie nicht gilt.

Eine beliebte Lösung für die Mehrwegangebotspflicht sind die sogenannten Mehrweg-Poolsysteme. Anbieter wie Vytal, Relevo oder Recup stellen Händlern Mehrweggeschirr zur Verfügung, das die Endkunden für ihre Speisen und Getränke ausleihen – entweder gegen ein Pfand wie etwa bei Recup, oder mit Rückverfolgbarkeit über eine App wie bei Vytal oder Relevo.

Der Vorteil der Kunden: Sie können das Geschirr an allen Stellen zurückgeben, die das jeweilige System anbieten. Die größte Rolle im LEH spielen Mehrweg-Poolsysteme bisher in den Bäckereien für Heißgetränke. Doch auch darüber hinaus wird das Mehrweggeschirr eingesetzt. Der Münchner Filialist VollCorner etwa arbeitet mit Recup zusammen und bietet dessen Schüsseln, die Rebowls, teils auch an den Frischetheken sowie für den Mittagstisch an den Bäckereitheken an.


„Ich denke, eine große Herausforderung bei Mehrweglösungen ist, dass unterschiedliche Anbieter unterschiedliche Systeme nutzen, was es wiederum weniger attraktiv macht.“

Maximilian Kohler, Prokurist bei Edeka Kohler


Rückgabe erleichtern für eine höhere Nachfrage

Ein eigenes Pfandsystem hat Edeka mit regood eingeführt. Die Becher und Bowls in fünf verschiedenen Größen können Kunden sich an heißen Theken, an der Salatbar, im Backshop und Gastrobereich füllen lassen. Maximilian Kohler, Prokurist bei Edeka Kohler, berichtet, dass das Thema Mehrwegbecher im Backshop in den 14 Märkten des Unternehmens im Schwarzwald aktuell noch sehr verhalten angenommen wird. „

Obwohl wir dieses fördern und prominent ausstellen, ist die Nachfrage gering“, sagt er. „Ich denke eine große Herausforderung hierbei ist, dass unterschiedliche Anbieter unterschiedliche Systeme nutzen, was es wiederum weniger attraktiv macht.“ Tatsächlich erleichtert es die Rückgabe für Kunden, ein System zu wählen, das bereits in der Nachbarschaft oder Region vertreten ist.

Zudem müssen sich Kunden in der Regel ein zweites Mal für die Pfand-Rückgabe anstellen. Eine Lösung ist, die Rückgabe vom Thekenbereich zu entkoppeln, wie es die Firma FairCup macht, deren Becher und Boxen für herkömmliche Leergutautomaten im Supermarkt zertifiziert sind. Die Becher sind mit einem Trink- sowie einem dichten Verschlussdeckel erhältlich, sodass sie auch für Kleinspeisen etwa von der Frischetheke geeignet sind. Elf Farben und fünf Größen sorgen für eine breite Auswahl, wobei die Deckel auf alle Bechergrößen passen. Genauso bei der FairBox, die es in zwei Größen mit einem Deckel gibt. Und auch eine Menüschale in vier Varianten als Tellerersatz gehört zum Sortiment.

Mit FairCup kooperieren derzeit einige Edeka- und Rewe-Märkte, wo die Behälter an Unverpackt-Stationen, an der Frischetheke oder an der Salatbar genutzt werden. Zudem setzt Kaufland die FairCups flächendeckend in seinen Märkten ein. „An unseren Bedientheken können sich unsere Kunden ihre Waren wie Cremes, Aufstriche, Mett oder auch Wurst in die Mehrwegbehältnisse des Startups ‚FairCup‘ füllen lassen“, berichtet Alisa Götzinger aus der Unternehmenskommunikation. „Anschließend können die FairCups in einem Großteil der Filialen bequem über die Leergutautomaten zurückgegeben werden.“ Von FairCup heißt es, die Rücklaufquote der Behälter liege je nach Region bei 85-95 Prozent.

Gar nicht zurückgeben muss man eigene Behälter. Vor allem für den geplanten Wocheneinkauf können kundeneigene Gefäße also eine sinnvolle Option sein und überall dort zum Einsatz kommen, wo lose Ware angeboten wird. Dabei empfiehlt sich eine besondere Sorgfalt in Bezug auf die Hygiene. Kaufland löst das Problem an seinen Bedientheken durch das sogenannte Frischetablett: Die Kunden legen ihre Gefäße darauf und die Mitarbeiter befüllen sie auf dem Tablett, wodurch kein direkter Kontakt mit den mitgebrachten Behältern entsteht.

Auch Mehrwegboxen, -taschen oder -gläser zum Kauf, an den entsprechenden Stellen platziert, können Kunden motivieren, künftig eigene Behälter zu nutzen. Bei Edeka Kohler, berichtet Maximilian Kohler, findet der Kunde Mehrwegnetze in der Obst- und Gemüseabteilung, Brotbeutel, Mehrwegboxen an den Bedientheken sowie für Eier. „Die unterschiedlichen Angebote werden von unseren Kundinnen und Kunden sehr gut angenommen. Vor allem die Mehrwegnetze, Beutel und Boxen werden regelmäßig genutzt“, erzählt Kohler. Geholfen habe dabei eine Baumpflanzaktion, bei der Kunden für jeden Mehrwegeinkauf einen Stempel erhielten. War die Stempelkarte voll, pflanzte der Markt dafür später einen Baum.


„An unseren Bedientheken können sich unsere Kunden ihre Waren wie Cremes, Aufstriche, Mett oder auch Wurst in die Mehrwegbehältnisse des Startups ‚FairCup‘ füllen lassen.“

Alisa Götzinger, Unternehmenskommunikation Kaufland


Mit Mehrweggläsern aus dem Unverpackt-Tief

Zum Angebot bei Edeka Kohler gehören außerdem Unverpackt-Stationen, an denen Kunden sich ihre Ware selbst abfüllen können. Seit Corona tue sich das Thema, so Kohler, allerdings schwer. Ergänzend finden die Kunden im Markt ein Sortiment in Mehrweggläsern. Kohler erzählt: „Hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Lösung im Mehrwegglas für unsere Kundinnen und Kunden die bessere Alternative ist, da es bequemer ist. Gleichzeitig ist hier das Thema MHD einfacher im Blick zu behalten, was wiederum Abfälle vermeidet und auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlt.“

Ähnliche Erfahrungen macht Alexander Sommer in seinem Edeka Sommer in Eppingen. Er berichtet, dass die Unverpackt-Stationen bei ihm kein Umsatzbringer seien. In seinem Markt finden Kunden auf insgesamt fünf Metern Abfüllstationen mit Trockenware, die sie in selbstmitgebrachte Behälter abfüllen können, die vorher tariert werden, oder in Papiertüten, die an der Station ausliegen. Hierzu arbeitet Sommer mit EcoTerra zusammen, einem Full-Service-Dienstleister für Unverpackt-Angebote, der Systeme entwickelt und aufbaut, Märkte berät und beliefert.

Wie Edeka Kohler setzt auch Sommer zunehmend auf Ware im Mehrwegglas, die die Abfüllstationen ergänzt – und vielleicht nach und nach ablöst: „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft nur Mehrweg führen werden.“ Etwa Nusscremes, Trockenfrüchte oder Gemüsebrühe finden Kunden im 250 ml- oder 500 ml-Pfandglas des Anbieters Fairfood, die nachher einfach im Pfandautomaten zurückgegeben werden können. Das spart genauso Verpackung, aber gleichzeitig Aufwand und Zeit für den Kunden sowie das Verlustrisiko für den Markt. Denn laut Sommer sind neben der verhaltenen Nachfrage auch die Verluste ein Problem, die entstehen, wenn Kunden zu viel abfüllen und die Ware dann liegenlassen. An dem Unverpackt-/Mehrweg-Bereich möchte Sommer jedenfalls festhalten. „Bio-Waren etwa haben wir auch schon sehr lange und viel, dazu passt es gut.“ Für das Image sei es hilfreich, erklärt er, denn es zeuge von Engagement.

Das Freiburger Startup Fairfood nutzt für seine Ware in der Mehrwegverpackung Gläser aus dem Milch-Mehrweg-Pool. Ein eigenes System hat währenddessen der Anbieter Circujar entwickelt. Mit verschiedenen Formen und Größen bietet er Herstellern eine Option für Mehrweggläser, die ebenso über den Pfandautomaten zurückgegeben werden können. Seit der Gründung begleitet Alnatura das Startup und bietet es seit Anfang des Jahres in seinen Märkten an, zum Beispiel für Brotaufstriche, Suppen und Konserven verschiedener Marken. Für die Handhabe im Handel hat Circujar auf den Convenience Aspekt geachtet, der weniger Sortier- und Lageraufwand bedeutet: „Je mehr Systeme mit unterschiedlichen Flaschen- und Glasformen es gibt, desto mehr Zeit brauchen Mitarbeiter:innen auch, um diese zu sortieren. Deswegen sind gut durchdachte Pool-Systeme bei diesen Prozessschritten gern gesehen“, erklärt Circujar.

Solche Mehrweglösungen können eine sinnvolle Alternative zu Unverpackt-Stationen im Markt sein. Denn nachdem der Trend vor einigen Jahren einen gewissen Höhepunkt erlebt hat, läuft es mittlerweile oft schleppend. Das berichtet zum Beispiel Ulrike Rentschler, Prokuristin bei Edeka Rentschler im baden-württembergischen Pfalzgrafenweiler. „Durch die Preissteigerung und allgegenwärtig gestiegene Kosten für die Verbraucher ist die Nachfrage nicht mehr so groß“, sagt sie.

Ähnlich bei Edeka Nolte in Wiesbaden mit Unverpackt-Stationen in zwei Märkten, die laut Andreas Nolte mehr schlecht als recht laufen: „Der Hype ist vorbei.“ Scheinbar auch bei Kaufland, denn die Tests der Unverpackt-Stationen gemeinsam mit EcoTerra in insgesamt acht Filialen wurden inzwischen beendet. „Nach Abschluss des Tests mit EcoTerra betreiben wir derzeit keine Unverpackt-Stationen, arbeiten aber daran, unseren Kunden auch in Zukunft unverpackte bzw. lose Alternativen anzubieten“, sagt Alisa Götzinger.

Kleine Schritte für große Wirkung

Wer Mehrweg in seinem Markt fördern möchte, kann auch erst einmal kleine Schritte gehen und muss nicht ganze Abteilungen umbauen. Obst und Gemüse, Gebäck, Eier oder Molkereiprodukte im Pfandglas – hier lassen sich Mehrwegangebote unkompliziert umsetzen. Bei Kaufland bietet man zum Beispiel waschbare Frischetaschen für Obst und Gemüse an sowie Eierboxen für einmalig 1,99 Euro. Zudem verzichten die Joghurt- und Frischkäseartikel der Kaufland-Eigenmarken auf Einwegdeckel, stattdessen können Kunden spülmaschinenfeste Mehrwegdeckel kaufen, die auf alle Produkte passen.

Auch Lösungen, um unverpackte Ware kennzeichnen zu können, mehren sich: Eco-Mark etwa markiert Obst und Gemüse per Laser, sodass keine Verpackung und auch kein Aufkleber nötig sind, um die Ware an der Kasse zu erkennen. Besonders für die Unterscheidung zwischen konventionellen und Bio-Produkten bietet sich das „Natural Branding“ an. „Die Laserbeschriftung ist dabei absolut unbedenklich und hat keinerlei Auswirkungen auf die Qualität, den Geschmack oder die Haltbarkeit des Lebensmittels“, versichert Vertriebsleiter Peter Sawadsky.

Eine Lösung, um Ware in Mehrwegbehältern temporär zu kennzeichnen, bekommen Händler und Kunden neuerdings mit dem Startup TareTag an die Hand. Ein digitales Etikett befindet sich als QR-Code auf der Verpackung – sei es Mehrweg-Poolsystem, eigener Behälter oder Pfandglas. Die Tara wird damit dauerhaft verknüpft, der Inhalt temporär und kann sowohl an der Kasse ausgelesen werden als auch über eine App vom Kunden, inklusive aller Produktinformationen.

Damit Kunden die verschiedenen Unverpackt- und Mehrweg-Angebote wahrnehmen, sollten sie prominent beworben werden. Motivieren können auch Informationen zum konkreten Nutzen für die Umwelt: Wie oft kann der Behälter wiederverwendet werden und wie viele Ressourcen spart das?

Im direkten Kundenkontakt ist auch das aktive Anbieten von Alternativen wichtig, damit Kunden nicht selbst nachfragen müssen. In jedem Fall sollten Behälter bei Spontankäufen verfügbar sein, etwa zum Verkauf oder aus einem Poolsystem. Je weniger verschiedene Systeme ein Markt anbietet, umso übersichtlicher für die Kundschaft. Ein Rabatt oder Bonus (z.B. eine Stempelkarte) bei Nutzung der Mehrwegbehältnisse sind Anreize für Kunden, die Systeme auszutesten – und im besten Fall dranzubleiben.


INFO

Mehrweglösungen im Überblick

Anbieter wie Vytal, Relevo oder Recup stellen Händlern Mehrweggeschirr zur Verfügung, das die Endkunden für ihre Speisen und Getränke ausleihen. Hierfür entrichten diese entweder ein Pfand wie etwa bei Recup, oder das Geschirr ist über eine App rückverfolgbar, etwa bei Vytal oder Relevo. Der Vorteil der Kunden: Sie können das Geschirr an allen Stellen zurückgeben, die das jeweilige System anbieten. Mit regood hat Edeka zudem ein eigenes Pfandsystem mit Bechern und Bowls in fünf verschiedenen Größen eingeführt.

Ein Problem ist die Pfand-Rückgabe, für die sich Kunden oftmals ein zweites Mal anstellen müssen. Eine Lösung ist, die Rückgabe vom Thekenbereich zu entkoppeln, wie es die Firma FairCup macht. Deren Becher und Boxen sind für herkömmliche Leergutautomaten im Supermarkt zertifiziert.

Bringt der Kunde eigene Gefäße mit, ist besondere Sorgfalt in Bezug auf die Hygiene ratsam. Eine Lösung ist ein sogenanntes Frischetablett: Die Kunden legen ihre Gefäße darauf und die Mitarbeiter befüllen sie auf dem Tablett, wodurch kein direkter Kontakt mit den mitgebrachten Behältern entsteht.


Die HDE-Klimaschutzoffensive bietet in ihrem Leitfaden „Mehrweg statt mehr Müll – Wie der Lebensmitteleinzelhandel Einwegverpackungen vermeiden kann“ viele praktische Tipps für den Handel.

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