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Milchproduktion im Nachhaltigkeits-Fokus

Das Thema Tierwohl ist bei der Haltung von Milchkühen angekommen. Verbraucher möchten wissen, unter welchen Bedingungen der Rohstoff produziert wurde. Die RUNDSCHAU fragte nach.

Unverpackt und direkt vom Bauern: Im Rewe Markt in Wiesbaden-Erbenheim kann sich der Kunde die Milch selber abfüllen.
Von Martina Kausch | Fotos: Hans-Rudolf Schulz

Für Dr. Lars Schildwach ist die Lage eindeutig. „Wir produzieren seit 2011 Weidemilch, denn Weidegang bei Milchkühen ist in unserer Region eine traditionelle Haltungsform. In den vergangenen fünf Jahren haben wir den Absatz von Weidemilchprodukten verdoppelt.“ Und weil es so gut läuft, steht der nächste Schritt für den Sales Direktor der Molkerei Ammerland fest: Im Frühsommer dieses Jahres soll es h-Milch aus Weidemilch geben.

Doch so klar kommunizierbar ist das Thema längst nicht in allen milchverarbeitenden Betrieben. Die Molkerei Ammerland in Deutschlands Nordwesten mit rund 1.900 Landwirten war beim Thema Weidehaltung traditionell der Zeit voraus, liefert aber ihre Marken-, Bio- und Weidemilchprodukte ausschließlich in die Region. Bei Handelsmarken wird die Situation komplizierter – und je größer das Molkerei-Unternehmen, desto weniger nimmt ihm der Konsument das Engagement in Sachen Tierwohl ab – oder? Tatsache ist: Hat der Kunde ein emotionales Verhältnis zur Molkerei und realisiert die Verbindung zwischen Kuhwiese vor der Tür und Milchflasche auf dem Frühstückstisch, ist er eher bereit für einen höheren Mopro-Preis.

Die Kunden informieren

Um die zunehmend kritischen und inflationsgeplagten Verbraucher zu überzeugen, muss die Strategie also sein: Die Ziele von Nachhaltigkeit und Tierwohl formulieren, durchsetzen und kommunizieren. Zur Kommunikation an den Verbraucher stehen die Siegel der Initiative Tierwohl, das Tierschutzlabel des deutschen Tierschutzbundes und das Pro Weideland-Label zur Verfügung. Pro Weideland hat ausschließlich die Milchkühe im Tierwohl-Blick, während sich die anderen beiden Label um Nutztiere von Huhn bis Rind kümmern. Doch wie werden die Kriterien transparent gemacht, Strategien umgesetzt?

Die großen Player am Markt haben längst eigene Strategien entwickelt. Kasper Thormod Nielsen ist Leiter Nachhaltigkeit bei Arla Foods Deutschland und erläutert die beiden Programme Klimacheck und Arlagården: „Fast alle der 9.000 Arla-Landwirte, darunter rund 1.500 aus Deutschland, nehmen an einem freiwilligen Klimacheck-Programm teil. Für die Teilnahme am Klimacheck erhalten unsere Landwirte 1 Eurocent/Kilogramm Milch. Für unsere 900 Biolandwirte, davon rund 90 in Deutschland, ist die Teilnahme am Klimacheck-Programm verpflichtend. Das Programm hat die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Betriebe zum Ziel.“ Hinzu komme das Qualitätsprogramm Arlagården: „Tierwohl ist ein Eckpfeiler unseres Qualitätssicherungsprogramms „Arlagården“, die Einhaltung von diesem ist für alle Arla-Landwirte verpflichtend.“ Einer der wichtigsten Faktoren für mehr Tierwohl sei die Weidehaltung.

Haltungsstufe 3 bei Handelsmarken

FrieslandCampina hat andere Schwerpunkte, wenn es um Nachhaltigkeit geht. „Wir fokussieren uns auf zwei große Themen: Haltungsstufen und der wachsende Markt für pflanzliche Alternativen“, führt Sales Director Julia Demmer aus. „Gemeinsam mit Kunden steigen wir als einer der ersten Hersteller mit Handelsmarken für Milch und Käse in der Haltungsstufe 3 ein. Mittelfristig wollen wir die Kennzeichnung der Haltungsform auch auf unsere Markenprodukte ausdehnen.“

Das Thema Glaubwürdigkeit stellt die DMK Group in den Mittelpunkt der Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit. „Wir wissen, dass uns die Agrarwende fordert, aber wir sollten uns ihr positiv stellen. Biodiversität, Klimaeinfluss und Tierwohl bei der Herstellung der Rohstoffe und im Produktionsprozess unserer Lebensmittel werden immer zentraler, wenn es um die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens geht“, so Oliver Bartelt, Global Head of Corporate Communications. DMK habe deswegen zu den Themen vegane Lebensmittel, Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategy die Vision 2030 formuliert. All dieser Themen nehme sich DMK an, sei es durch Klimacheck auf den Höfen oder die Verbesserung des CO2-Footprints. Jan Roelofs, Managing Director International, erklärt die Strategie bei Beemster. Die 425 Milchhöfe arbeiteten unter dem Nachhaltigkeitsmanagement System Caring Dairy, das die Aspekte Tierwohl, Artenvielfalt, Klima und Umwelt umfasse und über 18 Punkte Anreize für Landwirte setze, um Milch auf eine nachhaltige und tiergerechte Art herzustellen.

Irland: Der Unterschied

Weidehaltung statt dauerhaftem Anbinden ist ein zentrales Thema bei Tierwohl von Milchkühen. Und wenn fast das ganze Land aus Weide zu bestehen scheint? Irland pflegt das Image der grünen Insel und die Tatsachen beim Thema Weidemilch kennt Gabriele Weiss Brummer vom Irish Food Board Bord Bia: „17.000 familiengeführte Farmen mit im Schnitt nur 80 Milchkühen zeigen eindrucksvoll den Unterschied auf. Hier bedeutet Nachhaltigkeit ein Leben im Einklang mit der Natur. Freier Auslauf auf grünen Weiden, von denen es in Irland reichlich gibt, da rund 81 Prozent der Agrarflächen Weideland beziehungsweise Grasland sind. Die Kühe verbringen im Schnitt 240 oder mehr Tage im Jahr grasend auf den Weiden und ernähren sich zu mindestens 95 Prozent von frischem Gras und Klee.“

Aber ähnliche Verhältnisse gibt es auch in Deutschland, nicht nur im Ammerland. Die Molkereien Schwarzwaldmilch und Berchtesgadener Land beispielsweise können auf viel Bio- und Weidemilch zurückgreifen – die Höfe der Milchbauern sind kleiner, die Weidehaltung ist oft Tradition. Moritz Collmar, Leitung PR bei Schwarzwaldmilch, weist auf Transparenz durch Technik hin: Bei Bio Heumilch gewährleistet ein QR-Code auf jeder Verpackung die Rückverfolgbarkeit.

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