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Obst und Gemüse: Eine Frage des Preises

Schon werden in Deutschland Anbauflächen reduziert - die Botschaft von der multiplen Krise macht die Runde. Einblicke in die von Corona und Krieg geschüttelte Obst- und Gemüsebranche.

Von Martina Kausch | Fotos: Jörg Brockstedt; Jochen Zick; IDM Südtirol; ingridheiss.com

Vor dem Regal ist die Lage klar. Hier, in einem Hamburger Supermarkt, als ein junger Mann an diesem Vormittag die Ware von der Palette holt, die Plastikumhüllung von dem Sechserpack Glaskonserven entfernt und die Ware einräumt: „Es kommt halt nichts mehr nach“, erklärt er auf die Frage nach der Liefersituation.

Wie sieht die Situation in anderen Sortimenten und vor allem im frische-heiklen Obst- und Gemüsebereich aus? Wo kommt die Ware her – angesichts eines Krieges in Europa mit der Folge, dass die betroffenen Länder für die Wirtschaft ausfallen?

Alarm aus der Pommeswelt

Sorge um „dramatische Preissprünge“ formuliert Horst-Peter Karos, Geschäftsführer im Bundesverband der Obst-, Gemüse- und Kartoffelverarbeiter (BOGK). Die Message der Hersteller von Pommes und Co. an den Handel lautet: Die Produkte werden teurer produziert, also müssten sie auch teurer verkauft werden. „Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft. Hier muss jedes Unternehmen kalkulieren, denn kein Unternehmen kann und darf unterpreisig arbeiten. Es muss auch dann wirtschaftlich agieren, wenn – wie jetzt – die Preise für Benzin, Glas, Paletten, nahezu für alles steigen“, so Karos. „Wenn die Herstellungspreise steigen, müssen auch die Verkaufspreise steigen.“ Das bedeutet: „Verträge mit dem Handel müssen überarbeitet werden – sonst fällt die Lieferung aus.“

Für die Unternehmen im BOGK gehe es damit nicht nur um die Frage, zu welchen Preisen jetzt und mittelfristig produziert werden kann, sondern um die Frage, ob die Produktion von Lebensmitteln beziehungsweise Kartoffelverarbeitungsprodukten für die Verbraucher überhaupt sichergestellt werden kann. Karos appelliert an die Beteiligten, „vernünftig zusammenzuarbeiten“. Das Ziel wird aber sein: Verkaufspreise im Handel anpassen, sprich Preise erhöhen.

Discounter Aldi hat reagiert. Mitte März kam die Medienmeldung, bei rund 400 Produkten seien die Preise erhöht worden. Aldi Süd formuliert es eindeutig: Bereits seit Monaten sei die Marktlage geprägt von anhaltenden Herausforderungen der internationalen Seefracht, der Omikron-Welle, dem grundsätzlichen, internationalen Mangel an Lkw-Fahrenden und den gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. Die Situation in der Ukraine führe zu zusätzlichen Herausforderungen in den Lieferketten und bei der Rohstoffbeschaffung. „Diese Hintergründe wirken sich auch warengruppenübergreifend auf unser Sortiment aus in Form steigender Einkaufspreise. Dort, wo sich die Kosten im Einkauf durch die derzeitige Marktsituation verändern, müssen auch wir die Verkaufspreise erhöhen.“

Die Margen blieben gleich. So einfach, so klar.

 

Regionale Produkte sollen helfen

Hilft Anbau im eigenen Land? Evelina Apfel beispielsweise wirbt ausdrücklich mit Regionalität. „Als regionale Apfelsorte, die in Deutschland angebaut wird, ist Evelina von den Auswirkungen des Krieges weniger betroffen. Die aktuelle Situation wird meiner Meinung nach zu einer weiteren Verschiebung im Verbraucherverhalten führen, und regionale Produkte werden weiter an Relevanz gewinnen“, sagt Arno Überbacher, CEO von Evelina. 86 Prozent der Deutschen sei es schon jetzt wichtig, dass Obst und Gemüse regional erzeugt würden, zitiert er aktuelle Marktzahlen.

 

Die Ukraine erzeugt(e) viel Bio-Ware

Edeka verkündete Mitte März eine Kooperation mit Bioland, bis Ende des Jahres sollen „in einem ersten Schritt“ rund 70 Bioland-Artikel im Sortiment erhältlich sein. Norma meldete Mitte des Monats, ab sofort bayerisches Bio-Sonnenblumenöl und Bio-Rapsöl in sein Sortiment aufzunehmen, die Produktrohstoffe stammten zu 100 Prozent aus Bayern und würden auch dort verarbeitet, so das Unternehmen.

Hintergrund ist auch: Gerade für Bio-Produkte war die Ukraine ein wichtiges Erzeugerland. Zwischen 2010 und 2020 wurde die Bio-Anbaufläche nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) um 71 Prozent vergrößert ‒ von 270.000 auf 462.000 Hektar. Die Ukraine ist nach der EU-27 und Russland drittgrößter Bio-Sonnenblumenanbauer weltweit. Aber auch halbverarbeitete Produkte wie Tiefkühlbeeren (vor allem Himbeeren und Heidelbeeren) und Apfelsaftkonzentrat oder -mus waren in der Vergangenheit wichtige Exportprodukte.

Mehr zum Thema - auch über den Selbstversorgungsstand Deutschland lesen Sie in der April-Ausgabe der RUNDSCHAU.

 

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