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Peschels Vereinte Nationen

In den Edeka-Märkten in Ebersberg und Stockdorf arbeiten Menschen aus 24 Ländern. Mit ausschließlich deutschen Bewerbern lässt sich der Personalbedarf des Unternehmens nicht decken.

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Von Thomas Wöllhaf

Kreativität bei der Personalsuche ist hier, im Speckgürtel von München, schon lange gefragt. „Wir brauchen Menschen aus anderen Ländern, die für uns arbeiten wollen“, sagt Friedrich Peschel, Chef von mehr als 130 Angestellten. „Wir haben Supermärkte zu betreiben und müssen sie am Laufen halten. Wenn wir Mitarbeiter finden, die sich auf unsere Bedürfnisse einstellen können, dann schauen wir nicht danach, woher sie kommen.“ Die Schulbildung sei nicht so wichtig. Wichtig seien die praktischen Leistungen und die Bereitschaft, sich Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Sauberkeit zu eigen zu machen. „Das ist es, was wir im Einzelhandel brauchen.“

Integration: Einfach kann jeder

Seit dem 1. September wird Rohullah Resali im Edeka Markt in Stockdorf zum Verkäufer ausgebildet. Bis dahin war es ein langer Weg. Vor zwei Jahren musste er nach Drohungen der Taliban seine Familie in Afghanistan zurücklassen. Die Mutter des damals 16-Jährigen bezahlte einen Fluchthelfer, um ihrem ältesten Sohn das Leben zu retten. Zwei Monate später kam der Teenager in Deutschland an, begann seinen Weg durch die Institutionen und schließlich seine Ausbildung. „Er machte vier Praktika bei uns und lernte Deutsch“, sagt Peschel. „Wir wussten am Anfang nicht, ob wir uns auf dieses Abenteuer einlassen können. Während der Praktika hat er bewiesen, dass er ausbildungsfähig ist.“

Ohne Respekt vor Frauen geht nichts

Resali hatte kein Problem damit, Anweisungen von Frauen entgegenzunehmen, und damit erfüllte er eine der Voraussetzungen für einen Ausbildungsplatz. Hervorragende Zeugnisse aus der berufsbegleitenden Schule bestätigen Friedrich Peschel in seiner Entscheidung: „Er hat es verdient, eine Chance zu bekommen. Wir können uns nicht auf den Staat berufen und warten, bis einer anfängt, Integration zu machen. Das findet ganz unten bei uns in den Betrieben statt, und wir suchen händeringend gute Leute, die wir ausbilden können.“ Resali und ein Azubi aus dem Irak haben Betreuer zur Seite gestellt bekommen, die nicht nur in Ausbildungsfragen, sondern auch bei privaten Angelegenheiten weiterhelfen.

Etwas vom Guten zurückgeben

Friedrich Peschel ist seit vielen Jahren bei Rotary aktiv, und die Mitgliedschaft in diesem auf humanitäre Dienste ausgerichteten Club prägt sein Denken und Handeln. „Rotarier zu sein bedeutet, etwas von dem Guten, was uns im Leben widerfahren ist, zurückzugeben“, so Peschel. „Das schafft die Möglichkeit, Menschen zu helfen, denen das Leben nicht so wohlwollend gesonnen war wie uns.“

Edeka in der DNA

Friedrich Peschel sagt, er sei ein Edeka- Urgestein. Er könne gar nichts anderes als Edeka. Sein Urururgroßvater war 1903 Gründungsmitglied einer Edeka-Genossenschaft in Schlesien und alle nachfolgenden Generationen waren Kaufleute bei der Edeka. „Ich hatte gar keine andere Wahl, als Edekaner zu werden.“ 30 Jahre arbeitete er für die Edeka Chiemgau, zuletzt als Geschäftsführer für die edekaeigenen Betriebe in Südostbayern. Vor zwölf Jahren wagte Peschel dann den Schritt in die Selbstständigkeit, und natürlich kamen ihm all seine Erfahrungen in den Bereichen Ladenbau, Sortiment, Preisgestaltung und Logistik dabei zugute.

Stockdorf: Widerstand gegen Edeka

2005 eröffnete Peschel am Ortsrand von Ebersberg seinen ersten Markt in einem wettbewerbsintensiven Umfeld. Auf 1.850 Quadratmetern stehen Frische und Service im Mittelpunkt. Nicht ganz so einfach gestaltete sich die Erweiterung. Die Planungen für den Standort Stockdorf zogen sich über mehrere Jahre hin. Die Anwohner wollten keinen Edeka. Sie befürchteten steigende Verkehrsbelastung, Lärm, Lichteinflüsse und Geruchsbelästigungen. Glücklicherweise stand die Gemeinde hinter dem Projekt, und 2010 konnte der Markt endlich eröffnet werden. „Heute sind sie alle froh, dass wir da sind“, sagt Peschel. „Die Leute haben erkannt, dass kurze Wege und ein gutes Qualitätsniveau die Lebensqualität steigern. Wir bieten einen Nutzen, der vorher nicht da war.“ Das Sortiment in Stockdorf ist geprägt von der internationalen Klientel und der hohen Kaufkraft in der Gemeinde. „Ebersberg ist ein ländlicher Standort. In Stockdorf hingegen, im Münchner Speckgürtel, brauchen wir mehr internationale Produkte. Das Publikum ist sehr ökologisch und auf Bio ausgerichtet. In Ebersberg liegt der Schweinefleischanteil beim Fleischumsatz bei 70 Prozent. In Stockdorf liegt der Rindfleischanteil bei 70 Prozent. Daran kann man viel über die Verzehrgewohnheiten und die Kaufkraft ablesen.“

Die Themen der Zukunft

Peschels nächste Schwerpunkte in seinen Märkten sind die Themen Gastronomie und Ultra Fresh Food. Er plant, den Convenience- Bereich hochwertig und biologisch auszubauen und schnelle Küche auf höchstem Niveau anzubieten. Dabei orientiert er sich an Jörg Hieber, den er als Mittzwanziger kennengelernt hatte: „Er war einer der Qualitätsvorreiter der Branche. Ich sagte mir damals, dass ich nichts falsch machen kann, wenn ich auch nur im Ansatz in diese Richtung komme.“

Info

Unternehmensentwicklung
Nach 30 Jahren Karriere bei der Edeka Chiemgau beschließt Friedrich Peschel, sich als Kaufmann selbstständig zu machen. Seinen ersten Edeka-Markt mit 1.850 m² eröffnet er 2005 im bayerischen Ebesberg. 60 Mitarbeiter kümmern sich in dem auf Frische und Service ausgerichteten Markt um die Kunden. 2010 kann Peschel mithilfe der Gemeinde Stockdorf gegen den Widerstand der Anwohner seinen zweiten Edeka-Markt einweihen. Auf mehr als 2.300 m² arbeiten 70 Mitarbeiter mit einem Sortiment, das internationaler ausgerichtet und auf die wesentlich höhere Kaufkraft in Stockdorf abgestimmt ist. Ein Teil der Fläche neben der Getränkeabteilung ist an eine Apotheke vermietet.

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Packen wir's an: Friedrich Peschel und sein18-jähriger Azubi Rohullah Resali aus Afghanistan. Der Chef ist in privaten wie in Integrationsfragen immer für seine Auszubildenden da. Foto: A. Griesch
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Chef am Steuer: Friedrich Peschel musste viele Jahre lang kämpfen, bevor er seinen Markt in Stockdorf eröffnen konnte. Die Anwohner wollten keinen Edeka in der Nachbarschaft. Heute sind sie froh, dass er da ist. Foto: A. Griesch
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Chef am Steuer: Friedrich Peschel musste viele Jahre lang kämpfen, bevor er seinen Markt in Stockdorf eröffnen konnte. Die Anwohner wollten keinen Edeka in der Nachbarschaft. Heute sind sie froh, dass er da ist. Foto: A. Griesch

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