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Pferdefleischskandal: SGS-Sprecher Sven E. Hamann zum Thema

Der Skandal um nicht deklariertes Pferdefleisch hat die Fertiggerichte-Branche mit voller Wucht getroffen. Aus Ausweg aus der Misere werden vor allem strengere Kontrollen und mehr Transparenz ins Spiel gebracht. Ein Interview zum Thema.

Von Danica Hensel

Die Industrie beansprucht für sich einen hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandard. Wie kann es sein, dass solche Skandale wie der Pferdefleisch-Skandal überhaupt möglich sind?
Hamann: Es wird in der Industrie heute unglaublich viel übergeprüft und abgesichert. Dennoch ist es schlicht nicht möglich, jeden Zukaufartikel auf alle Eventualitäten hin zu überprüfen. Das geht nur bei begründeten Verdachtsmomenten. Nicht zu vergessen: Wir hatten es in diesem Fall vermutlich mit einem internationalen Betrug zu tun, von dem keiner vorher etwas geahnt hat.

Im Prinzip müssten Sie als Hersteller bei all ihren Lieferanten regelmäßig vor Ort sein und sich selbst ein Bild machen…
Hamann: Wir auditieren unsere Lieferanten regelmäßig. Aber es ist – besonders für uns als Hersteller von Fertiggerichten mit mehr als 500 Zukaufartikeln – unmöglich, sämtliche Artikel, wie beispielsweise Reis vor Ort in Asien zu kontrollieren. Wir haben Regeln, es gibt EU-Kontrollen – kurz: wir müssen uns darauf verlassen können, dass die Artikel dem entsprechen, was wir bestellt haben. Was wir machen können und auch machen werden: unsere Auditierungen – auch in Form von unangekündigten Audits - bei den Vorlieferanten zu intensivieren. 

Wie sind Sie mit der Thematik in Ihrem Unternehmen umgegangen? 
Hamann: In dem Moment, wo in ausländischen Produkten die ersten Anteile von Pferdefleisch entdeckt worden waren, haben wir von diesem potenziellen Risiko erfahren. Noch am selben Tag haben wir sämtliche Rindfleisch-Artikel untersuchen lassen und dabei einen betroffenen Zukaufartikel, angebratenes TK-Hackfleisch, gefunden. Diesen Artikel haben wir in zwei Produkten einer Handelsmarke verwendet. Die beiden Produkte haben wir daraufhin sofort sperren lassen, auch der Vorlieferant hat sein Produkt sofort gesperrt. Im zweiten Schritt haben wir uns um Aufklärung bemüht, um den Verbraucherschutz so rasch wie möglich wiederherzustellen. Der gesamte Vorgang hat gezeigt, dass unser Qualitätssicherungssystem schnell und zuverlässig funktioniert hat.  Nächster Schritt wird sein, solche Skandale künftig so gut wie möglich auszuschließen. Damit haben wir jetzt schon begonnen: Bevor wir Rindfleisch verarbeiten, überprüfen wir die DNA auf Pferdefleisch. Damit können wir uns sicher schützen. 

Warum haben Sie dieses Fleisch überhaupt eingekauft? Liegt es daran, dass der deutsche Verbraucher immer nur billig kaufen will?
Hamann: Das ganze Thema hat  prinzipiell erst einmal gar nichts mit einem billigen Einkaufspreis zu tun. Der Verbraucher hat das zu bekommen, was auf der Verpackung steht – egal ob billig oder teuer. Ansonsten kann ich nur für uns sprechen: Das Produkt, was wir von einem Zulieferanten zugekauft haben, ist ein teures Produkt gewesen. 

Wie wollen Sie Skandal wie den Pferdefleischskandal in Zukunft vermeiden?
Hamann: Das Thema Transparenz in der gesamten Lieferkette spielt eine entscheidende Rolle. Wir werden jetzt verstärkt regionale Rindfleischprodukte einsetzen und diese dann in unserer eigenen Metzgerei weiterverarbeiten. Denn: In unserem konkreten Fall hat der Vorlieferant bereits Rohware bekommen, die nicht richtig etikettiert gewesen ist. Wenn man viele Ware einkauft, kann man den Schuldigen somit also noch nicht mal direkt identifizieren. Denn: Wir auditieren zwar den Lieferanten, aber nicht den Vor-Vorlieferanten. Hier müssen wir ansetzen. Generell wir das Thema Regionalität weiter zunehmen. Derzeit sieht es so aus, als käme die betroffene Ware vor allem aus dem osteuropäischen Ausland. In der Konsequenz gehe ich davon aus, dass künftig wieder mehr auf eine deutsche Herkunft geachtet wird. Das wird der Handel sicher auch einfordern. 

Wie haben Ihre Handelspartner darauf reagiert, dass Produkte von Ihnen betroffen sind?
Hamann: Für den Handel stand natürlich im Vordergrund, dass der Verbraucher geschützt ist und sein Geld für die bereits gekauften, betroffenen Produkte zurück erhält. Die betroffenen Produkte müssen gesperrt werden, über die Medien muss darüber informiert werden. Das deckte sich mit unserer Vorgehensweise.

Rechnen Sie mit Absatzrückgängen bei Fertiggerichten?
Hamann: Die gesamte Branche muss damit rechnen, dass der Verbraucher nun erst einmal verunsichert ist und bei bestimmten Produkten weniger zugreift. Bei Lasagne rechnen wir mit deutlichen Einbrüchen. Trotzdem: Bei Fertiggerichten hat der Verbraucher natürlich immer die Chance, Produkte zu kaufen, die kein Rindfleisch enthalten. Beispielsweise Produkte mit Schweinefleisch oder auch eine ganze Reihe an vegetarischen Produkten. Wir könnten uns durchaus vorstellen, dass der Verbraucher vorübergehend auf solche Produkte ausweicht. Denn: Der Trend, weniger Fleisch zu essen, ist ohnehin schon da und könnte sich durch den aktuellen Skandal durchaus weiterentwickeln. 

Was ist die richtige Strategie, um das Vertrauen der Verbraucher zurück zu gewinnen – auch was Rindfleischprodukte betrifft?
Hamann: Erst einmal müssen wir das Vertrauen des Handels zurückgewinnen – indem wir sicherstellen, dass so etwas in unseren Produkten nicht mehr vorkommen wird. Beim Verbraucher wird das natürlich schwieriger, da das Vertrauen in die gesamte Branche durch den Skandal geschwächt sein dürfte. Derzeit reagieren ja die meisten Firmen ähnlich wie wir, indem sie ihre Produkte über DNA-Analysen absichern. Wenn das jetzt firmenübergreifend passiert, dürfte allmählich wieder Ruhe einkehren. Ebenfalls wichtig ist natürlich, dass die Quelle des Skandals aufgetan wird. Dann könnte die Branche entsprechen Entwarnung geben, so dass das Vertrauen leichter wiederhergestellt werden könnte. Wir rechnen aber damit, dass es bestimmt noch zwei bis drei Monate dauert, bis sich das Verbraucherverhalten wieder normalisiert.

Wie sollten Kaufleute am POS derzeit mit dem Thema Fertiggerichte umgehen?
Hamann: Für den Händler ist es zunächst einmal wichtig, dass er seine Regale optimiert, indem er diejenigen Fertiggerichte in den Vordergrund stellt, die kein Rindfleisch enthalten. So kann der Händler in jedem Fall Umsatzrückgänge vermeiden. Über unseren Außendienst informieren wir den Händler vor Ort außerdem darüber, dass unsere Produkte inzwischen nicht betroffen sind. Diese Informationen kann der Händler vor Ort an seine Kunden weitergeben. 

Ihr Unternehmen ist in den Berichten zum Thema Pferdefleisch besonders häufig erwähnt worden. War die Bekanntheit von Alfons Schuhbeck in diesem Fall der Auslöser für den großen Medienansturm?
Hamann: Die Bekanntheit von Herrn Schuhbeck kann ein Grund gewesen sein, wieso über unser Unternehmen prominent berichtet wurde. Auf der anderen Seite hat Herr Schuhbeck sofort die Fakten in der Öffentlichkeit dargestellt. So wurde dann später in der Presse richtig gestellt , dass Herr Schuhbeck an der Firma SGS gar nicht beteiligt und somit auch gar nicht betroffen ist. 

Warum heißt die Firma dann aber Schuhbecks Geniesser Service?
Hamann: Herr Schuhbeck hat die Firma ursprünglich gegründet und sie vor vielen Jahren verkauft. Wir haben einen Lizenzvertrag mit Alfons Schuhbeck, der beinhaltet, dass wir seinen Namen nutzen dürfen – sowohl für die Firma als auch für unsere Marke.

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