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Starke Marken: Rügenwalder Mühle – Der Veggie-Pionier

Ende 2014 hat Rügenwalder Mühle als erster traditioneller Fleisch- und Wurstwarenhersteller zusätzlich den Veggie-Markt bespielt. Seitdem gelingt dem Unternehmen in beiden Segmenten ein authentischer Markenauftritt. Wichtige Erfolgsfaktoren: Innovationen und ein emotionaler Bezug zu den Konsumenten.

Steffen Zeller, Chief Marketing Officer (CMO) bei Rügenwalder Mühle.
Von Mirko Jeschke | Fotos: Fräulein Fotograf, Berlin

Den Lebensmittelhersteller aus dem niedersächsischen Bad Zwischenahn als Vorreiter in Sachen Fleischalternativen zu bezeichnen, ist sicherlich nicht übertrieben. Die Rügenwalder Mühle hat diese Kategorie in der Tat erst ins Leben gerufen und sie seitdem mit zahlreichen Neuprodukten weiterentwickelt. Dass diese Bemühungen erfolgreich waren, zeigen die Zahlen: So hat das Unternehmen 2021 erstmals mehr Umsatz mit Fleischersatzprodukten erwirtschaftet als mit traditionellen Fleisch- und Wurstwaren. Aktuell machen Fleischalternativen sogar 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Über die Weiterentwicklung der Marke sowie die aktuellen und künftigen Herausforderungen haben wir mit CMO Steffen Zeller gesprochen.

 

Was zeichnet Ihre Marke aus?

Wir sind laut Konsumentenbefragungen eine der bekanntesten und sympathischsten Marken in Deutschland. Durch unsere starke Markenbekanntheit erkennen de facto alle Konsumenten die rote Mühle schon von weitem. Von uns erwarten und kennen sie handwerkliche Tradition und beste Produktqualität. Dabei steht unsere Marke für Unbeschwertheit, Genuss und Gemeinschaft, oder anders formuliert: die Konsumenten kommen zusammen und erleben gemeinsame unbeschwerte Genussmomente. Neben der roten Mühle ist ein weiterer wichtiger Marken-Code der Feierabend-Song, den wir im Zuge der Repositionierung unserer Marke als Sound-Logo wiederbelebt haben.

 

Was unterscheidet Sie vom Wettbewerb?

2024 feiern wir unser 190-jähriges Firmenjubiläum und verfügen somit über eine einzigartige Kompetenz in Sachen Fleisch- und Wurstwaren, gleichzeitig sind wir als Pionier im Veggie-Bereich auch ein Spezialist im Bereich pflanzlicher Fleischalternativen. In einer unserer Konsumentenbefragungen wurden wir der „Bauer, der Tesla fährt“ genannt, was den Spagat widerspiegelt, den wir mit unseren beiden Segmenten erfolgreich umgesetzt haben. Einige Unternehmen haben sehr wohl einen Transformationsprozess durchlaufen, sowohl im Bereich Ernährung als auch darüber hinaus. Allerdings vereint kaum eine andere Marke Tradition und Innovation so stark und erfolgreich wie Rügenwalder Mühle.

 

Wie schwierig war dieser Spagat?

Seit fast 190 Jahren machen wir leckere und qualitativ hochwertige Wurst aus Fleisch - dafür sind wir bei den Konsumenten bekannt. Dies war eine der entscheidenden Voraussetzungen für ihr Vertrauen, dass wir mit unserem Handwerk und unserer Erfahrung auch leckere und hochwertige Produkte aus Pflanzen machen können. Dies und unsere sehr hohe Markenbekanntheit haben gemeinsam sehr gute Voraussetzung ergeben, um auch in ein neues Segment einzusteigen. Deshalb haben wir uns auch dafür entschieden, diese Marke beizubehalten und keine neue ins Leben zu rufen. Als wir vor knapp zehn Jahren damit begonnen haben, Fleisch- und Wurstalternativen auf den Markt zu bringen, waren wir tatsächlich der Pionier. Und wir haben seitdem wirklich sehr viel in die Weiterentwicklung der Marke bzw. der Kategorie investiert. Zudem lag unser Fokus von Anfang an auf Geschmack und Genuss. In unserer aktuellen Kampagne haben wir den Fokus weg vom Functional Benefit und hin zum Emotional Benefit gelegt. Denn solche Kampagnen arbeiten nachweislich viel besser – und nur wir als Pionier können das in diesem Segment auch authentisch belegen.

 

Inwieweit haben sich die Ansprüche der Kunden zuletzt verändert?

Gerade in Deutschland erwarten die Konsumenten, dass sie gute Qualität zu sehr günstigen Preisen bekommen. Damit steigen die Anforderungen an uns als Lebensmittelproduzent – gerade in einer Krise wie der aktuellen rund um steigende Preise und Inflationsraten. Damit wir als Marke gegenüber den Handelsmarken bestehen, müssen wir daher für einen höheren Preis auch einen Mehrwert in Qualität und Geschmack liefern. Gleichzeitig haben die Konsumenten aber auch immer höhere Ansprüche mit Blick auf Nachhaltigkeit. Wir beziehen inzwischen 80 Prozent unserer pflanzlichen Proteine aus Europa, bis 2025 sollen es 100 Prozent sein. Und schon heute bekommen wir rund 30 Prozent unseres Sojas von unseren Feldern aus Deutschland. Damit können wir inzwischen zwei Produkte ausschließlich mit deutschem Soja anbieten.

 

Welche Zielgruppen sprechen Sie an?

Wir haben den Anspruch, allen Konsumenten ein Angebot zu machen, traditionellen Fleischessern bis hin zu Vegetariern bzw. Veganern. Unsere Hauptzielgruppe sind allerdings Flexitarier. Der Anteil liegt inzwischen bei über 50 Prozent. Jeder, der seinen Fleischkonsum reduzieren will, ist daher bei unseren Produkten richtig. Mit bestimmten Produkten wie etwa unserem Veganen Mühlen Snack richten wir uns indes durchaus verstärkt auch an eine jüngere Zielgruppe.

 

Wie wirken sich die Inflation und die steigende Bedeutung von Handelsmarken auf Ihre Produkte aus?

Auch wir haben beobachtet, dass die Wachstumsraten im Veggie-Markt nach der Coronakrise wieder etwas zurückgegangen sind. Ungeachtet dessen wird dieser Markt perspektivisch garantiert weiter zulegen, da diese Entwicklung beispielsweise mit Blick auf den immer weiter fortschreitenden Klimawandel alternativlos ist. Dass die Handelsmarken derzeit in den Markt drängen, ist erstmal positiv zu werten. Unserer Erfahrung nach steigert dies die Käuferreichweite innerhalb der Kategorie und ist somit für die Nachhaltigkeitsbemühungen insgesamt gut. Am Ende kämpfen wir natürlich mit den Handelsmarken um Marktanteile. Natürlich befinden wir uns im Segment Veggie inzwischen auch in einem Verdrängungswettbewerb, sodass gerade kleinere Marken aus dem Markt verdrängt werden könnten. Wir sehen uns hier als Marktführer aber sehr gut aufgestellt.

 

Welche Rolle spielen Innovationen?

Unternehmen, die Innovationen setzen, sind nachweislich erfolgreicher – auch und gerade in Krisenzeiten. Deshalb launchen wir in diesem Jahr so viele Neuprodukte wie noch nie zuvor, mit Fokus auf unser Veggie-Segment. In diesem Zusammenhang sind wir besonders stolz auf unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die ein enormes  Knowhow und Erfahrung in diesem Gebiet hat. Sie arbeitet kontinuierlich daran, sowohl neue Produkte zu entwickeln als auch unsere bestehenden Produkte noch weiter zu verbessern. Auf dem Weg bis wir ein neues Produkt launchen, spielt selbstverständlich das Zusammenspiel aus Forschung und Entwicklung, Marketing und dem Marktforschungsteam eine entscheidende Rolle.

 

Wie schaffen Sie Aufmerksamkeit am PoS?

Die Visibilität der Produkte ist hier entscheidend. Wir haben deshalb einen Designrelaunch vollzogen und unsere Verpackung „aufgeräumt“, d.h. wir haben die rote Mühle stärker in den Fokus gerückt und den Food-Shot nochmals prominenter gespielt. Ziel war es, den Markenauftritt cleaner zu machen. Die Konsumenten sollen unsere Produkte schon von weitem erkennen können. Darüber hinaus ist es wichtig, innerhalb des Veggie-Regals im Markenblock aufzutreten. Die Kür sind dann weitere Aktionen wie Zweitplatzierungen oder Aufsteller mit Testemonials – wie beispielsweise Mats Hummels für unsere Bratwurst in Kooperation mit der DFL.

 

Was wird für eine Marke in Zukunft die größte Herausforderung sein?

Unternehmen, die mit ihrer Marke erfolgreich sein wollen, müssen gerade beim Thema Veggie zwar auch an Innovationen denken, dürfen das Thema Emotionalität aber nicht aus dem Blick verlieren. Gleichzeitig sind Kooperationen mit anderen Marken immer wichtiger. Hier können wir auch neue Wege in der Zusammenarbeit denken, um gemeinsam Kategorien voranzubringen. Ganz wichtig wird es aber auch sein, mutig zu bleiben und natürlich die Konsumenten immer im Blick zu behalten. Denn einen Fehler machen viele Marketeers immer wieder: Sie verwechseln sich mit der Zielgruppe bzw. den Konsumenten!

 

Rügenwalder Mühle

Die Rügenwalder Mühle Carl Müller GmbH & Co. KG mit Sitz in Bad Zwischenahn wurde 1834 gegründet und produziert seit 2014 neben Wurst und Schinken auch vegane und vegetarische Produkte. Das Sortiment des Markenherstellers umfasst heute neben rund 25 klassischen Fleisch- und Wurstwaren auch circa 30 vegetarische und vegane Alternativen. Im Geschäftsjahr 2021 erwirtschaftete das Unternehmen erstmals mehr Umsatz mit Fleischalternativen als mit Produkten aus Fleisch.

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