Artikel

Tabak-Talk mit hohem Mehrwert

Wichtige Trends erkennen und erfolgreich verkaufen: Um diese und weitere Themen ging es beim zweiten Round Table Tabak der RUNDSCHAU. Drei Experten aus der Industrie sorgten für lebhafte und interessante Diskussionen.

Von Gerhard Hörner | Fotos: Adobe Stock/Farknot Architect

"Die letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass Tabakwaren riesige Umsatzbringer sind und gute Erträge garantieren."

Guido Kylau, Key Account Manager Arnold André


THEMA1: Status Quo

Trotz neuer Krisen wirkt Corona noch immer nach. Wie sind Sie durch die Pandemie gekommen und wie hat sich das Verhalten der Konsumenten verändert?

Bernd Lutter (Reemtsma): Wir haben zwei ganz gute Jahre gehabt und viel gelernt. Als die Grenzen zu unseren östlichen Nachbarn geschlossen waren, hat sich einerseits gezeigt, wie viel dort gekauft wurde. Dadurch erlebten wir das erste Jahr ohne klassischen Umsatzrückgang. Andererseits konnten unsere mehr als 160 Außendienstmitarbeiter ihre LEH-Kunden fast ein Jahr nicht besuchen, weshalb wir auf virtuelle Betreuung umgestellt haben. Nach Ende des Lockdowns und Wiederöffnung der Grenzen sind die Kunden preissensibler geworden.

Guido Kylau (Arnold André): Die Tabakbranche ist sicher kein Verlierer der Pandemie. Wir waren immer voll lieferfähig, sogar während der Hochphase. Die letzten beiden Jahre haben zudem gezeigt, dass Tabakwaren riesige Umsatzbringer sind und gute Erträge garantieren.

Lutter: Der LEH hat sich während des Lockdowns größter Beliebtheit erfreut. Den Kunden wurde bewusst, welche Vorteile es hat, wenn man zum Einkaufen nur kurz um die Ecke gehen muss.

Guy-Daniel Grobe (Philip Morris): Ein Fazit der Pandemie ist, dass alle Partner während dieser Zeit an Agilität zugelegt und einen sehr guten Job gemacht haben.

Laut Debra-Studie hat sich die Raucherquote von 2020 bis heute von 26,5 auf 35,5 Prozent erhöht, laut Statistischem Bundesamt ging der Verbrauch hingegen zurück. Wie ist Ihre Wahrnehmung?

Grobe: Die in der Debra-Studie beobachteten Erkenntnisse zum Rauchverhalten können wir nur bedingt teilen. Der zu beobachtende positive Trend lässt eher auf einen Corona-Effekt schließen. 

Kylau: Auch die Zahlen des Zigarrenverbands weisen ein Minus aus. Allerdings muss man sich unseren Markt genau anschauen. Bei handgerollten hochpreisigen Zigarren haben wir seit Jahren ein starkes Wachstum. Bewusste Genießer sind bereit, mehr Geld auszugeben. Der Markt für Eco-Zigarillos weist dagegen ein Minus aus, weil wir stark von der Mindeststeuer betroffen sind. Für preis-
sensible Konsumenten macht es einen Unterschied, ob sie 2,50 oder 3,50 Euro bezahlen.

Lutter: Auch bei Zigaretten gibt es inzwischen eine große Spreizung. Während Premiummarken wie Gauloises ihre Marktanteile behaupten konnten, hat sich der Druck auf das Niedrigpreissegment erhöht. Da müssen wir uns neu erfinden, zum Beispiel mit unserer Pricefighter-Marke Paramount. 

Die Tabakbranche steht seit langem unter besonderer Beobachtung. Welche Regulierungsmaßnahmen bereiten Ihnen derzeit am meisten Kopfschmerzen?

Kylau: Ab Mai 2024 greift bei uns Track & Trace, obwohl das Thema Schmuggel Zigarren und Zigarillos überhaupt nicht betrifft. Dennoch mussten wir uns als klassischer Mittelständler mit diesem Bürokratiemonster beschäftigen, das sehr, sehr hohe Kosten verursacht. Inzwischen sind wir top vorbereitet, ich befürchte aber, dass einige kleinere Hersteller vom Markt verschwinden werden, weil sie diese riesige Herausforderung nicht stemmen können.

Lutter: Der Branche steht die Umsetzung der EU-Einwegkunststoffverordnung bevor. Ab 2025 muss die Industrie für die Entsorgung der im Vorjahr weggeworfenen Kippen bezahlen. Dabei wird einfach eine Summe in den Raum geworfen. Anfangs waren das 270 Millionen Euro, 
aufgrund unserer Studien wurde die Summe auf 200 Millionen Euro reduziert. Dadurch konnten wir auch die Kosten für den Handel etwas abfedern. Natürlich ist es wichtig, nachhaltig zu denken. Das tun wir auf vielfältige Weise. Zum Beispiel haben wir die Idee, Taschenaschenbecher zu verteilen, wiederbelebt, damit weniger Kippen auf der Straße landen. Auch bei dem immensen Plastikbedarf, um die Frische der Produkte zu gewährleisten, muss die Branche neue Wege gehen. 

THEMA 2: Tabak-Trends

Auch im Tabaksegment will der Kunde Innovation. Welche neuen Trends gibt es bei den Produkten Ihrer Unternehmen?

Kylau: Wir haben das Rad nicht neu erfunden, aber 2022 viele Veränderungen vorgenommen und unser Sortiment gestrafft. Beispielsweise haben wir unser Mainstream-Produkt Clubmaster, das es seit 1973 gibt, einem Relaunch unterzogen und das Packungsdesign komplett modernisiert und verjüngt. Jetzt ist die Clubmaster ein echter Eyecatcher. Außerdem bedienen wir mit der Marke WTF! Shisharillo den Trend zu innovativen, aromatisierten Produkten. 

Grobe: Unser Hauptfokus liegt seit 2017 auf schadstoffreduzierten Produkten. Wenn man also von einem Trend sprechen kann, dann ist es das Heat-not-burn-Segment, das eine ungemein starke Dynamik aufweist. Philip Morris International erwirtschaftet bereits knapp 30 Prozent der Nettoumsätze mit schadstoffreduzierten Produkten. Somit sind wir auf dem besten Weg, die angekündigten Ziele für 2025 von 50 Prozent der Nettoerlöse mit schadstoffreduzierten Produkten zu erreichen.


"Nach einer leichten Flaute hat der E-Zigaretten-Markt im letzten Jahr wieder Rückenwind bekommen, getrieben durch Disposables."

Bernd Lutter, Market Manager Reemtsma


Lutter: Unsere jüngste Erfolgsgeschichte war die Markteinführung der Marke Paramount im Juni 2022 im Feinschnitt und Anfang 2023 bei der Zigarette, die seitdem konstant wächst. Paramount ist unsere Reaktion auf die Preissensibilität der Verbraucher und auf die Handelsmarken, denen wir Paroli bieten wollen. Auch im Premiumsegment verzeichnen wir eine sehr stabile Perfomance. Da es bei der klassischen Zigarette nicht mehr viele Möglichkeiten zur Veränderung gibt, wollen wir den Konsumenten auch über das Verpackungsdesign einen Mehrwert bieten.

Welche Rolle können Papierfilter in Zukunft spielen?

Grobe: Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, aber das ist nicht ganz einfach. Die Produktion von Milliarden Sticks können wir nicht von heute auf morgen ändern. Da sind auch unsere Zulieferer gefragt.

Lutter: Auch wir haben mit der zusatzstofffreien Gauloises Liberté ein Produkt mit Papierfilter. Aber wir stehen für Premiumqualität und versprechen unseren 
hochgradig sensiblen Konsumenten perfekten Genuss. Den sehen bei Papierfilter noch nicht alle Konsumenten gegeben. Die Entwicklung von wirklich massentauglichen Innovationen braucht daher Zeit. Aber wir sind dran.

Wie reagiert Philip Morris auf die Nach-frage nach preisgünstigen Produkten?

Grobe: Im Hinblick auf die Trends zu preisgünstigen Produkten und Großpackungen reagieren wir auf Marktgegebenheiten und die Wünsche unserer Konsumenten. Als Hersteller glauben wir an die Kraft der Marke, nicht an die Kraft des Preises.

Auch der Trend zu Großpackungen geht unvermindert weiter. 60 bis 70 Zigaretten pro Schachtel, 480 Gramm Feinschnitt pro Eimer – wann ist die Grenze erreicht?

Grobe: Produktionstechnisch sind hier wahrscheinlich keine Grenzen gesetzt. Theoretisch könnten wir Zigaretten auch in einen Eimer packen, aber das ist nicht zielführend und auch nicht im Interesse des Handels. Schließlich führt der Trend zu extremen Großpackungen dazu, dass im Shop deutlich weniger Kundenfrequenz stattfindet und sich dadurch Zusatzgeschäfte reduzieren.

Lutter: Meine persönliche Meinung ist, dass wir jetzt eine Grenze ziehen sollten. Aber bei unseren Nachbarn Belgien, Holland und Luxemburg sind bereits noch größere Gebinde im Umlauf, die wir nicht unbedingt befürworten, weil darunter Qualität und Warenhandling leiden. Bei Packungen mit 92 Zigaretten und mehr verabschiedet sich der Tabak irgendwann aus der Hülse. 

Gesundheitsaspekte werden auch für Raucher immer wichtiger. Welche Rolle spielen hier zusatzstofffreie Tabake?

Grobe: Bei Fabrikzigaretten ohne Zusätze ist die Entwicklung stagnierend bis leicht rückläufig, auch beim entsprechenden Feinschnitt sehen wir keine positive Entwicklung. Die aktuellen Treiber im Tabakmarkt sind schadstoffreduzierte Produkte, wie Tabakerhitzer und E-Zigaretten. Diese Tabakalternativprodukte werden von vielen Konsumenten inzwischen als die bessere Wahl im Vergleich zu zusatzstofffreien Produkten gesehen. Schließlich ist auch die Verbrennung des Tabaks die Hauptursache für die Toxizität des Produktes. Schadstoffreduzierte Produkte hingegen setzen weiterhin Nikotin frei, ohne den Tabak verbrennen zu müssen. 

Lutter: Nach einer leichten Flaute hat der E-Zigarettten-Markt im letzten Jahr wieder Rückenwind bekommen, getrieben durch Disposables. Auch wir sind in einigen Ländern mit einer Einwegvariante unserer E-Zigarette myblu unterwegs, weil die Nachfrage so groß war, dass wir handeln mussten. Auch in Deutschland beobachten wir die aktuelle Entwicklung im Markt sehr genau, obwohl wir Disposables weiter kritisch betrachten. Die Batterien nach einmaliger Nutzung wegzuschmeißen ist nicht umweltverträglich. Außerdem haben wir mit myblu ein Produkt mit wiederaufladbarer Batterie und austauschbarem Pod, das sich seit seiner Einführung 2018 in Deutschland sehr gut und konstant entwickelt hat.

THEMA 3: Erhitzer und Alternativen

Tabakerhitzer, E-Zigaretten, Nikotinbeutel … wohin geht die Reise abseits der klassischen Rauchwaren?

Grobe: Momentan liegt die Hauptdynamik im Bereich E-Zigaretten bei Disposables, was wir im Sinne der Nachhaltigkeit eher skeptisch sehen. Philip Morris wünscht hier eine Regulierung. Darüber hinaus können wir uns aber vorstellen, im Bereich der klassischen E-Zigarette aktiv zu werden, da E-Zigaretten schadstoffreduzierte Produkte sind und unsere Vision einer rauchfreien Zukunft unterstützen. Der neue Tabakerhitzer Iqos Illuma ist schon in 16 Ländern erhältlich und dort äußerst erfolgreich. Daher ist die Weiterentwicklung von Iqos Duo mit den neuen, passenden Tabaksticks Terea auch für den deutschen Markt interessant. Optisch nimmt Iqos Iluma das Design vom bekannten Iqos-Gerät auf, unterscheidet sich aber in Technik und Handhabung deutlich. 

Die Außenwerbung für Tabakerhitzer ist seit Januar verboten. Was bedeutet das?
Grobe: Im Rahmen der Markenführung haben wir Plakatwerbung immer als ein Instrument im gesamten Marketingmix betrachtet. Das war auch bei unserer Markenikone Marlboro so. Denken wir nur an das Marlboro Abenteuer Team oder Marlboro Summer Jobbing. Unser Fokus liegt aktuell und zukünftig auf schadstoffreduzierten Produkten, die besonders erklärungsbedürftig sind. Daher ist es nicht unser Ziel, die Außenwerbung nur an den Point of Sale zu holen. Produktberatung, Look & Feel und Markenerlebnis sind für die Konsumenten in den neuen Kategorien essenziell. Am besten lässt sich das in unseren eigenen Iqos-Stores realisieren, aber auch im klassischen Handel sehen wir noch viele Möglichkeiten, die Interaktion mit den Konsumenten zu steigern. Das ist von ganz besonderem Wert für das Produkt und die Marke.


"Die aktuellen Treiber im Tabakmarkt sind schadstoffreduzierte Produkte wie Tabakerhitzer und E-Zigaretten. Diese Tabakalternativprodukte werden von vielen Konsumenten inzwischen als die bessere Wahl im Vergleich zu zusatzstofffreien Produkten gesehen."

Guy Daniel Grobe, National Manager Food Philip Morris


THEMA 4: Werbung am POS

Welche Rolle spielt der PoS aufgrund der eingeschränkten Werbemaßnahmen?

Lutter: Der PoS war schon immer wichtig, wird aber noch wichtiger werden. Deshalb müssen wir gemeinsam mit dem LEH Ideen entwickeln, wie wir die Attraktivität des Standorts und die Frequenz aufrechterhalten. Aber ich sehe den LEH auf einem guten Weg. 

Grobe: Vor etwa 30 Jahren gab es vereinfacht gesagt nur Fabrikzigaretten und ein bis zwei Pouches und Dosen sowie einige Filterzigarillos. Jetzt erleben wir eine sehr starke Dynamik mit vielen neuen Kategorien. Deshalb müssen wir uns am PoS gemeinsam mit unseren Handelspartnern auf die gezielte Beratung der Konsumenten fokussieren. Unsere Aufgabe ist es, unsere Partner im Handel durch Schulungen und Informationen zu echten Tabakexperten zu machen. Dort, wo eine intensive Beratung nicht möglich ist, müssen die Konsumenten gezielt durch PoS-Material informiert werden.

Kylau: Der LEH ist ein sehr komplexes Business, vor allem in Deutschland – aber ungemein spannend. Auch wenn der Fokus mehr auf Lebensmitteln liegt, gibt es tolle Möglichkeiten, Tabakwaren erfolgreich zu verkaufen. Ich denke zum Beispiel an die vielen wunderbaren Spirituosenabteilungen, die sich ideal eignen, um zum Whisky des Monats handgerollte Zigarren anzubieten. 

Welche Herausforderungen gibt es und wie unterstützen Sie den LEH?

Lutter: Neben der Komplexität der Produkte nehmen auch die Ansprüche der Endkunden immer mehr zu. Hinzu kommt, dass Tabakwaren immer mehr Regalfläche benötigen. Außerdem bleibt nur wenig Zeit, um dem Konsumenten risikoreduzierte Produkte zu erklären. Umso wichtiger ist die persönliche Betreuung durch den Außendienst. Unser Category Management verfügt über eine hohe Expertise im LEH. So können wir den Handelspartnern das perfekte Sortiment am PoS zusammenstellen, auch unter Berücksichtigung der Wettbewerbsmarken. Außerdem haben wir Trainingspaten, die Händler über risikoreduzierte Produkte aufklären und sie beim Verkauf unterstützen.

Grobe: In Ergänzung zu unserem Außendienst betreiben wir die digitale Händlerplattform OPEN, die aktuell neu gestaltet wurde. Dort bekommt der LEH über Erklärvideos, Schulungen, Handelsangebote und interaktive Angebote Unterstützung in jeglicher Art und Weise. Zudem haben wir im Januar die neue B2B-Initiative „Zusammen weiter handeln“ gestartet, um Philip Morris als Unternehmen wieder stärker in den Fokus zu rücken und eine inhaltliche Klammer über all unsere Markenaktivitäten zu bilden. 

Kylau: Unser Channel-Management gibt dem Außerdienst alle Tools an die Hand, um den LEH zu unterstützen – angefangen von Displays und Einschubsystemen bis hin zu Marktzahlen und vielem mehr. Außerdem bieten wir Schulungen und Seminare an. Wichtig ist auch, dass der Händler hinter seinen Produkten steht. Dann bieten sich dem LEH gute Chancen, um Zigarren, aber auch innovative Produkte und Mainstream-Artikel wie unsere WTF! Shisharillo erfolgreich zu verkaufen.

Artikel teilen

Gut informiert durch die Krise