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Zurück zu Tradition und Transparenz

Die Zeiten, in denen Genuss- und Wellness-Versprechen als Mehrwert galten, sind vorbei. Sie werden inzwischen von vielen Verbrauchern beim Brotkauf vorausgesetzt. Eine neue Brotstudie hat jetzt die Mehrwerte für die Verbraucher herausgearbeitet. Die Autorin der Studie im Interview.

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Von Steffi Simone Müller

Frau Rützler, welchen Stellenwert hat Brot für die Verbraucher im Hinblick auf eine gesunde, bewusste Ernährung?
Rützler: Gesunde Ernährung hat in den vergangenen Jahren an enormer Bedeutung gewonnen. Innerhalb der gesunden Ernährung hat Brot jedoch keinen adäquaten Stellenwert. Es wird nicht per se als gesund wahrgenommen. Es gibt auch noch das Vorurteil, dass es dick macht. Zudem bilden Obst und Gemüse die Speerspitze zum Thema gesunde Ernährung. Es bedarf eines aktiven Engagements der Hersteller, wenn Brot in diesem Bereich punkten soll.

Sind die Brothersteller nicht aktiv genug? Sie loben auf den Brotpackungen schließlich Mehrwerte wie etwa „ballaststoffreich“ ja aus.
Rützler: Ballaststoffreich, reich an Vitaminen – das ist nicht das aktuelle Verständnis des Verbrauchers von gesunder Ernährung. Die Vitamine haben ihren Peak schon hinter sich. Die Konsumenten haben gelernt, dass Obst und Gemüse reich an Vitaminen und Ballaststoffen sind. Man kann zwar mit einzelnen Kriterien ein Gesundheitsbewusstsein anschieben, dies führt aber nicht unbedingt dazu, dass Brot als gesünder wahrgenommen wird.

Inwieweit werden denn die Themen Gesundheit und Wellness den Brotmarkt in Zukunft prägen?
Rützler: Ich habe vielmehr den Eindruck, dass bei Brot die Qualität ein Revival feiert. Damit meine ich einen ganzheitlichen Qualitätsansatz, bei dem die Themen Nachhaltigkeit, Tradition, Handwerk und auch Gesundheit mit hineinspielen. Mich verwundert nur, dass angesichts eines wachsenden Angebots an Snacks und dem Bedürfnis danach, es im Brotbereich zu keinen größeren Innovationen gekommen ist. Ich denke, dass Brot hier sehr gut punkten könnte.

Welche Rahmenbedingungen sind hier notwendig?
Rützler: Voraussetzung dafür ist, dass sich die Hersteller bewusst mit dem Thema Gemüse auseinandersetzen. Obst und Gemüse sind gelernte gesunde Vitaminbringer. Das Südtiroler Backhandwerk hat dieses Potenzial erkannt und innovative Lösungen in seiner Tradition entdeckt sowie zeitgerecht und authentisch adaptiert. Das Angebot an Backwaren, die mit Gemüse wie Radicchio, Kraut oder getrockneten Früchten angereichert sind, ist groß. Brot wird damit zum Snack, der die Themen Gesundheit und Genuss erfolgreich aufgreift. Brot, das in unserem Kulturraum für die gesunde Ernährung keinen adäquaten Stellenwert hat, kann dadurch aktiv punkten. Solche Konzepte bieten der Branche attraktive Potenziale.

Das klingt einfach. Aber vielleicht zu einfach in einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Welt?
Rützler: Gesundheit ist im Mainstream gelandet und für große Teile der Gesellschaft zum Stressfaktor geworden. Der Verbraucher sucht aber nach kulinarischen Lösungen, die seine Sehnsucht nach Einfachheit erfüllt und ihm auch Orientierungshilfen bei der richtigen Wahl des Produkts bietet.

Auf welche Konzepte sollte der Handel daher setzen?
Rützler: Gefragt sind ganzheitliche Konzepte, die mit entsprechenden Angeboten den Verbraucher in seiner jeweiligen Lebenssituation unterstützen. Wir haben den Konsumenten dazu verführt, nur auf den Preis zu schauen. Wenn man aus dieser Spirale aussteigen will, muss man ihm Lösungen zu aktuellen Problemstellungen präsentieren. Für mich sind das Antworten auf die alltäglichen Herausforderungen Zeitdruck, Gesundheit und Nachhaltigkeit. Der Verzicht auf Salz, Zucker oder Fett greift hier zu kurz. Das Weglassen von potenziellen Problemstoffen dem Verbraucher als Bonus zu verkaufen, funktioniert heute nicht mehr. Das ist mittlerweile State of the Art, das müssen die Hersteller in ihre Rezepturen aufnehmen.

Was ist das wichtigste Kriterium, wenn der Händler im Bereich Brot und Backwaren erfolgreich sein möchte?
Rützler: Er sollte authentisch sein, bei allem was er tut. Das bezieht sich nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf die Präsentation. Denn auch über das Handwerk und Transparenz definiert der Verbraucher ebenfalls sein Verständnis für gesunde, bewusste Ernährung.

Wie kann der Händler dies konkret für sich nutzen?
Rützler: Er sollte nicht nur den Akt des Backens, sondern den ganzen Prozess zeigen. Bäckereien, die ihren Kunden Einblicke in den Herstellungsprozess gewähren, sind meines Erachtens auf dem Erfolgskurs.

Welchen Chancen ergeben sich daraus?
Rützler: Durch die Inszenierung von Herstellungsprozessen werden in Zukunft noch intensivere Verknüpfungen zwischen dem Produkt, dem Handwerker und dem Kunden entstehen. Das sorgt nicht nur für Aufmerksamkeit beim Kunden, sondern trägt auch zu einer größeren Wertschätzung und damit mehr Wertschöpfung bei.

Wie kauft der Verbraucher generell Brot und Backwaren?
Rützler: „Den“ Konsumenten mit „dem“ Kaufverhalten gibt es nicht. Das hängt immer davon ab, in welcher Lebenssituation, Esssituation und Lebensphase er sich befindet. Ratsam ist es daher, seine Kunden besser kennenzulernen und das Umfeld zu erkunden: Wann essen meine Kunden das Brot? Welche Esslösungen wünschen meine Kunden? Welche Arbeitsplätze sind in der näheren Umgebung? Diese Parameter können die Entwicklung eines spezifischen Sortiments anstoßen. Und auf alle Fälle lohnt es sich, sich mit dem Wandel der Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Infos:

Hanni Rützler
Future Food Studio
<link http: www.futurefoodstudio.at _blank>www.futurefoodstudio.at

Trendstudie Brot
Herausgeber: backaldrin Österreich
Frühjahr 2013
Seiten: 106
<link http: www.zukunftsinstitut.de _blank>www.zukunftsinstitut.de; <link http: www.backaldrin.at _blank>www.backaldrin.at

Hanni Rützler Future Food Studio
Hanni Rützler Future Food Studio

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