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Alnatura bietet Fleisch aus Weideschlachtung an

Der Bio-Einzelhändler Alnatura verkauft ab sofort Bio-Rindfleisch aus Weideschlachtung. Dabei stehen für das Unternehmen neben der kuhgebundenen Kälberaufzucht die Themen Bruderkalb und Tierwohl im Fokus.

Von Mirko Jeschke | Fotos: Marc Doradzillo

Nach eigenen Angaben bietet Alnatura als erstes Bio-Einzelhandelsunternehmen ab sofort Bio-Rindfleisch aus Weideschlachtung an. Diese noch selten praktizierte Methode findet auf dem für die Tiere vertrauten Weide- oder Hofgelände statt. Sie gilt als besonders schonend, da Einfangen, Transport und Schlachthof entfallen und so Stress bei den Tieren vermeidet.

Bei den neuen Fleischprodukten gibt es laut Alnatura zwei weitere Besonderheiten: Das Bio-Rindfleisch stamme von einem Bioland-Hof mit Mutterkuhhaltung im Allgäu. Auf diesem Betrieb würden Kuh und Kalb für mindestens zwölf Wochen zusammenbleiben und würden nicht, wie sonst üblich, gleich nach der Geburt getrennt. Außerdem würden alle Kälber der Bio-Milchkühe - auch die männlichen, sogenannten Bruderkälber - in die Kuhherden integriert und artgerecht aufgezogen.

Da männliche Kälber keine Milch geben, gelten sie für die hochspezialisierten Milchbetriebe als Tiere mit wenig Nutzen. Deshalb werden sie fast immer zu Billigstpreisen an Mäster verkauft und dazu teilweise bis nach Südeuropa verfrachtet, so das Unternehmen.

Weideschlachtung auf dem Herkunftsbetrieb

Die exklusiv bei Alnatura angebotenen Fleischprodukte stammen von der Weideschuss.Bio GmbH. Hinter dem Unternehmen stehen drei Allgäuer Bio-Bauern und ein Bio-Koch, die eine regionale Herstellung und Vermarktung handwerklich gefertigter Bio-Rindfleischprodukte ermöglichen wollen. Zentraler Bestandteil dieses Ansatzes ist die Weideschlachtung auf dem Herkunftsbetrieb.

Die Allgäuer Bio-Landwirte verstehen dieses Konzept auch als Gegenentwurf zum hochkonzentrierten Fleischmarkt, denn die immer größer werdenden überregionalen Fleischverarbeiter verdrängen zunehmend die kleinen regionalen Anbieter. Durch die Weideschlachtung und die Verarbeitung in der Region wird ein Teil der Wertschöpfung wieder zurück aufs Land gebracht.

Herbert Siegel, bei Weideschuss.Bio für die Schlachtung verantwortlich, betreibt seinen kleinbäuerlichen Bioland-Hof in Missen/Allgäu mit Mutterkuhhaltung. Sieben Jahre lang bemühte er sich um eine Genehmigung zur Weideschlachtung. Sein Ziel ist, den Bio-Tieren zum Ende ihres Lebens Respekt entgegenzubringen. Denn auch für Bio-Tiere ist der Weg vom gewohnten Hof zum Schlachtbetrieb mit Stress verbunden, trotz Bio-spezifischer Maßnahmen wie Transportzeitbegrenzung (u. a. bei Bioland, Demeter, Naturland) oder dem Verbot elektrischer Treibhilfen. 

Solche für die Tiere und letztlich auch für die sie begleitenden Menschen angespannten Situationen möchte Herbert Siegel aus Gründen des Tierschutzes vermeiden. Deshalb setzt er sich bereits seit 2009 dafür ein, die Rinder dort sterben zu lassen, wo sie gelebt haben. Den mit der Weideschlachtung verbundenen hohen technischen, organisatorischen und letztlich auch finanziellen Aufwand betreibt Siegel bewusst: „Eine Kuh hat das Recht, in Ruhe und Würde in gewohnter Umgebung und im Herdenverbund zu sterben. Das ist mir der dafür erforderliche Aufwand wert.“ Dass sich eine ruhige Atmosphäre rund um die Schlachtung auch positiv auf den Fleischgeschmack auswirkt – das Tier schüttet dann keine Stresshormone aus – ist ein weiterer Aspekt.

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