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Bohnen-Business: So gelingt das Kaffeerösten im Markt

Direkt gehandelt, selbst geröstet, vor Ort verkauft: Händler, die ihren eigenen Kaffee im Markt rösten, verkürzen nicht nur die Lieferkette. Sie schaffen sich vor allem ein Alleinstellungsmerkmal und binden ihre Kunden. Wie das funktioniert, zeigen drei Märkte mit eigener Rösterei.

Adobe Stock/Visual Intermezzo
Von Emmelie Öden | Fotos: Adobe Stock/Visual Intermezzo

Einen regelrechten Tanz führen sie dort in der Heißluft auf. In der gläsernen Trommel steigen die Bohnen nach oben, fallen hinab, und dann beginnt das Ganze wieder von vorn. Innerhalb weniger Minuten färben sie sich von hellgrün über beige bis dunkelbraun. Noch schnell abkühlen, dann piept die Maschine und der Weserpark-Espresso ist fertig – eine von sechs Kaffeeröstungen, die das E-Center Weserpark in Bremen vor Ort selbst röstet.

Seitdem der Markt im November 2020 mit einem neuen Konzept eröffnete, machen viele Themen-bereiche den Einkauf hier zu einem regelrechten Erlebnis. In der Kaffeerösterei bedeutet das: den Bohnen beim Rösten zusehen und das Drumherum vom Abwiegen bis zum Mahlen beobachten – am besten vom Tresen aus mit Café Crème und Butterkuchen. Letzteren gibt es direkt dazu, da Rösterei und Bäckerei hier in einem Themenbereich zusammengelegt sind.

Wer will, macht sich dann noch mit den unterschiedlichen Röstgraden der Kaffeebohnen vertraut, die in kleinen Glasbehältern neben der Röstmaschine ausgestellt sind. Auch der abgepackte Kaffee wandert von dort aus direkt in den Einkaufswagen. Einen kompetenten Partner hat das E-Center Weserpark sich mit der regionalen Rösterei De Koffiemann an die Seite geholt. Mit dem eigenen Kaffee hat De Koffiemann bis dahin schon sämtliche Bremer Edeka-Märkte beliefert. 
 

„Mittlerweile geht das zackzack“

Neben dem Gesamtkonzept der Rösterei und der Entwicklung exklusiver Weserpark-Röstungen war Geschäftsführerin Cornelia Dotschat auch für die Schulung des Personals verantwortlich. Anfangs seien sie und ihre Kollegen, erzählt eine Mitarbeiterin, noch vorsichtig mit der Röstmaschine gewesen, doch „mittlerweile geht das zackzack“. Man könne nicht viel falsch machen, denn die Maschine ist vollautomatisch. So wiegen die Mitarbeiter die Bohnen ab, füllen sie ein und wählen das entsprechende Programm. Der Rest läuft dann von selbst. Geröstet wird nach Bedarf, je nachdem, was aktuell vergriffen ist.

 

Dass man auch ohne vollautomatischen Röster und mit nur einem zuständigen Mitarbeiter eigenen Kaffee rösten kann, weiß Werner Römgens, Marktleiter des Hit-Marktes Sütterlin in Aachen. Hier führte der Zufall dazu, dass nun regelmäßig geröstet wird: Mitarbeiter Oliver Schmidt ist eigentlich für die IT verantwortlich – doch aus seiner Zeit in einer Aachener Kaffeerösterei bringt er Erfahrung und Leidenschaft fürs Rösten mit.

So entsteht schon 2014 mit der Eröffnung des Markts der eigene Sütterlin-Kaffee. Meist steht Schmidt samstags an der Maschine, die direkt im Markt steht. Wenn Kunden vorbeilaufen, schauen sie dem Kaffee zwar nicht beim Rösten, aber beim Abkühlen in der offenen rotierenden Trommel zu. Wählen können die Kunden schließlich aus fünf selbst kreierten Sorten, die als ganze Bohnen erhältlich sind.


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Welchen Röster brauche ich?

Kaffeeexperte Steffen Schwarz rät grundsätzlich dazu, LEH-Röstereien als Manufakturen zu konzipieren. Dazu empfiehlt er eine kleine Maschine für etwa zwei Kilogramm Bohnen. Wenn sie automatisch läuft, muss man zwischendrin keine Proben entnehmen und kann sich stattdessen den Kunden widmen. Wer hingegen im Industriemaßstab rösten möchte, braucht auch entsprechendes Personal dafür. Von der Maschine hängt dann auch das Konzept für Abluft und Filter ab.


 

Rösten ganz nebenbei

Da die Röstmaschine nicht automatisch läuft, müssen die Bohnen immer wieder entnommen werden, um den Röstgrad zu kontrollieren. Das braucht Erfahrung, weshalb Schmidt der einzige Mitarbeiter ist, der die Maschine bedient. Das wird schwierig, sobald der Bedarf am Sütterlin-Kaffee größer ist als die Produktion – zumal Schmidt auch für den zweiten Aachener Hit-Markt röstet.

„Da wir es nicht jede Woche schaffen zu rösten, wird es manchmal eng“, verrät Marktleiter Römgens. Warum dann nicht einfach weitere Mitarbeiter schulen? „Das muss schon jemand sein, der Herzblut mitbringt“, bemerkt Römgens. Einen Ausbildungsberuf als Röster gibt es im Übrigen nicht. Doch in mehrtägigen Röstkursen lässt sich das Handwerk lernen. Etwa im Mannheimer Ausbildungszentrum Coffee Consulate, das der Kaffeeexperte Steffen Schwarz leitet.

An einem dieser Kurse – und an weiteren – hat Manuel Dirnberger teilgenommen. Er ist verantwortlich für die Rösterei im Markt seines Bruders, Edeka Dirnberger in Wenzenbach. Vor dem ersten Kurs habe er gar kein Wissen zu Kaffee gehabt und findet mittlerweile: „Die einzige Voraussetzung ist, dass man Lust darauf hat.“

Wenn es dann eine Person im Markt gibt, die sich wirklich auskennt, können auch weitere Mitarbeiter ohne Know-how einsteigen, so seine Einschätzung. Allerdings: Bei Edeka Dirnberger wird, wie in Bremen, mit einer vollautomatischen Maschine geröstet. Das vereinfacht den Prozess. So können die Mitarbeiter den Röster nebenbei bedienen, während sie in der Bäckerei arbeiten.
 


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Zoll: Was kommt da auf mich zu?

Wer Kaffee röstet, muss dafür ein Zolllager einrichten. Das ist ein Ort – in der Regel die Rösterei –, an dem Kaffee verarbeitet und gelagert wird. Sobald der Röster den Kaffee von dort entnimmt, also an den Kunden verkauft, muss er die Kaffeesteuer bezahlen. Dazu muss der Inhaber des Zolllagers genau wissen, wie viel Kaffee dort verarbeitet wird. 
Deshalb führen Röster Buch und vermerken jede Röstung mit Datum und Gewichtsverlust. Wie im E-Center Weserpark kann übrigens auch ein externer Partner Inhaber des Zolllagers sein. Tipp: eine enge Zusammenarbeit mit dem Zoll und immer exakt arbeiten!


 

800 Aromen erlebbar machen

Eine Möglichkeit zum Probieren des Kaffees bietet Dirnberger seinen Kunden im Markt im Regensburger Hauptbahnhof.  Dort ist im Eingangsbereich eine Kaffeebar eingerichtet. Zudem schenken die Bäckereien in allen drei Dirnberger-Märkten den eigenen Kaffee aus. Und bis Corona stand auch in der Rösterei selbst eine kleine Siebträgermaschine. „Wenn die Kunden den Kaffee direkt probieren und sich informieren können, ist das für sie ein tolles Erlebnis“, berichtet Dirnberger.

Auch Seminare eignen sich, um Kaffee für die Kunden erlebbar zu machen: „Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass Kaffee zu den aromareichsten Lebensmitteln gehört. Eine Bohne hat über 800 Aromen“, erzählt Cornelia Dotschat.

Der eigene Kaffee ist nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Kundenbinder und Alleinstellungsmerkmal. Ob sich die Produktion vom reinen Verkaufswert her rentiert, ist jedoch schwer zu sagen. Man müsse auch den Imagegewinn bedenken, erklärt Römgens: „Dann macht sich das schon bezahlt.“

Rohkaffee: absolute Spitzenklasse

Ebenso sieht Manuel Dirnberger die eigene Kaffeeproduktion als Marketingwerkzeug, um herauszustechen. Dabei geht es auch um Qualität, die eben nicht jeder bietet. Bei einem Verkaufspreis von 14 Euro für 500 Gramm Bohnen war anfangs viel Überzeugungsarbeit nötig, erzählt er. Geholfen haben Verkostungen und Aufklärung zu Anbau, Handel und Verarbeitung des Produkts.

Den Kaffee kauft Dirnberger direkt bei den Bauern, den Transport organisiert ein Partnerhändler. Durch persönliche Kontakte zu den Farmern kennt Dirnberger die Anbaubedingungen gut. „Das ist mir wichtiger als irgendein Siegel“, stellt er klar. Wichtig sei ihm, dass nicht nur der Besitzer der Kaffeefarm gut verdient, sondern auch die Angestellten und Erntehelfer, „weil die einfach die meiste Arbeit leisten“. Doch vor allem die Qualität muss stimmen und „absolute Spitzenklasse“ sein.

Das Thema Zoll beachten

Neben Kaffeeduft und Kundengewinn bringt das Rösten im Markt auch eine gute Ladung Bürokratie mit sich. Denn vor allem mit den Themen Zoll und Sicherheit müssen angehende Röster sich auseinandersetzen. Aber: So kompliziert ist das gar nicht. Für das Zolllager sollte man von Anfang an eng mit dem Zoll zusammenarbeiten.

„Zoll bedeutet Verwaltungsaufwand, aber keine unlösbaren Probleme. Man muss sich hier einfach mal eine Woche hinsetzen und die Formulare ausfüllen“, berichtet Manuel Dirnberger. Und dann heißt es: gewissenhaft über jede Röstung Buch führen und am Ende des Monats die Kaffeesteuer 
bezahlen.

Ähnlich verhält es sich mit der Sicherheit: Wie ermöglicht man die Abluft? Was für ein Filtersystem muss her? Auch hier gilt: eng mit der Gewerbeaufsicht zusammenzuarbeiten hilft. Je nach Röstmaschine ist ein Kamin für die Abluft notwendig, manchmal reicht auch ein Filter für die Emissionen. „Denn es ist zwar schön, wenn ein gewisser Kaffeeduft im Markt ist, aber er sollte gefiltert sein“, fasst De-Koffiemann-Inhaberin Cornelia Dotschat zusammen.


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Rohkaffee: Worauf muss ich achten?

Zuckergehalt muss stimmen
Beim Rösten entstehen die sogenannten Maillard-Stoffe, die sich aus Zucker und Proteinen zusammenbauen, und schließlich für die Aromen sorgen. Wenn im Rohkaffee etwa eine gewisse Menge an Zucker fehlt, kommen keine Maillard-Produkte zustande.

Das Bohnenbild prüfen
Farbe und Größe sollten gleichmäßig sein; die Bohnen immer grün, nicht braun oder weiß, und auch nicht gebrochen.

Herkunft und Qualität hinterfragen
Bleibt das natürliche Ökosystem erhalten? Werden Pestizide eingesetzt? Wie wird der Kaffee gepflückt, aufbereitet und aussortiert? 

Der Rohkaffee muss zur Rösterei passen
Wie soll der Kaffee am Ende schmecken? Danach richten sich Anbaugebiet, Sorte, Varietät und schließlich die Röstung.


 

Noch mehr Kaffee-Wissen

gibt es in unserem Grips&Co-Markentrainer zum Thema Röstkaffee. Hier finden Sie alles zur Kaffeeproduktion und erhalten wertvolle Tipps für den PoS.


 

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