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Schär-CEO Philipp Schoeller: Normalität als Mission

Glutenfreies ist trendy. In die Lifestyle-Ecke will CEO Philipp Schoeller die Marke Schär bei allen Modernisierungsvorhaben aber nicht steuern. Sein Stil: Wurzeln bewahren ‒ mit mehr Agilität und weniger Perfektionszwang.

Foto: Oskar Verant
Von Sibylle Menzel | Fotos: Foto: Oskar Verant

Der Begriff „Trend“ in Bezug auf Glutenfreies ist für Philipp Schoeller zweischneidig. Dafür steht er viel zu sehr hinter der Mission von Dr. Schär, der in Sachen glutenfrei konsequent ein Ziel verfolgt: „Wir schaffen Lebensmittellösungen und Normalität für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen. Wir wollen, dass niemand verzichten muss“, sagt Schoeller, seit Dezember 2020 CEO der Südtiroler Dr. Schär AG. Dennoch hat er seinen Job mit Trendabsichten angetreten. 

Besondere Marktabdeckung

Trends früher erkennen und schneller umsetzen, stärker internationalisieren, gleichzeitig die lokalen Bedürfnisse berücksichtigen, das hat sich Schoeller auf die Fahne geschrieben. Einerseits mag es eine Notwendigkeit sein. Schließlich bewegt sich die Marke in einem kontinuierlich wachsenden Marktumfeld, auch wenn Dr. Schär mit 18 Standorten in elf Ländern als Nummer eins in Europa und starke Nummer zwei in den USA agiert: „Ein reines Markenunternehmen mit so einer Marktabdeckung ist einzigartig“, so Schoeller.

Andererseits sind die Zeichen der Zeit erkannt: Punktuell ist natürlich weiterhin eine globale Annäherung bei Essgewohnheiten erkennbar, meint Schoeller, „aber der Mensch sehnt sich nach Identifikation.“ Regionalität bekommt damit für das Sortiment zunehmende Bedeutung. Als bestes Beispiel dient Brot, in vielen Ländern immer anders, aber immer stark lokal verankert.

Mehr Mut, mehr Emotionen

Um den Anforderungen agiler zu begegnen, gilt es permanent, das Spannungsfeld auszuloten zwischen erschwinglichen Produkten aus hochautomatisierter Produktion und dem Abgreifen lokaler Bedürfnisse und Lebensmittelkulturen. Dazu gehört für Schoeller auch der Mut, mehr auszuprobieren als perfektionistisch zu verfolgen: „Weil in einer zunehmend dynamischeren Welt das, was heute perfekt ist, morgen nicht mehr perfekt sein muss.“

Mit Aussagen wie diesen stieß Schoeller in seinem Umfeld bereits durchaus auf Verwunderung. Sie sind aber vor dem Background diverser Führungspositionen bei Barry Callebaut, einem der weltgrößten Schokoladenhersteller, nachvollziehbar. Philipp Schoeller bringt aus vorausgegangenen Stationen beides in seine heutige Position mit ‒ Internationalität und das Wissen um Familienunternehmertum. Beides vereint für ihn nun Dr. Schär.

Eine Unternehmensgröße, in der man Mitarbeiter namentlich kennt, weiß er zu schätzen und sieht auch keine Polarität zwischen den Genussfeldern Schokolade und Glutenfrei: „Genuss ist auch für Schär extrem wichtig, die Produkte müssen schmecken. Essen ist ja Lebensfreude.“ Dass die Freude an Genuss und Geschmack optisch besser in einer emotionaleren als nüchtern medikalen Verpackungswelt aufgehoben ist, ist bereits erkannt und umgesetzt. Modernität ja, kurzfristigen Lifestyle-Trend befriedigen aber nein. Man wolle, so Schoeller, der Kern-Consumer-Gruppe nah bleiben.

Erhebliche Investitionen fließen in die Bemühungen, dem Thema Glutenunverträglichkeit noch mehr Transparenz zu verschaffen. Auch „Field100“ hat wissenschaftlichen Hintergrund: Zum diesjährigen 100. Firmenjubiläum wurde zu Forschungszwecken ein Feld mit 100 glutenfreien Nutzpflanzen bebaut, darunter alte heimische Landsorten sowie Kulturpflanzen aus aller Welt.

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