Eigentlich hätte ein weiterer Vor-Ort-Termin angestanden, an diesem Dienstag Mitte April 2024. Auf einem Erdbeerhof im Rhein-Sieg-Kreis, westlich von Bonn, sollte über die beginnende Freilandsaison der Früchte informiert werden, die nicht nur den Deutschen am Herz liegen: Erdbeeren.
Kein Lebensmittelhändler in der Republik, der sie zwischen Februar und Oktober nicht im Sortiment hat, aber die Beliebtheit und die Anbaubedingungen machen sie zum Thema. Pestizidrückstände wurden kürzlich festgestellt, der hohe Wasserverbrauch beim Anbau sorgt für Diskussionen.
Dann um 19.20 Uhr eine Whatsapp-Nachricht: Terminabsage. Ein Unwetter zieht durch, das Dach vom Packhaus des Betriebs ist auf das Gewächshaus gefallen. Besuch vor Ort unmöglich. Später im Teams-Termin über die Zukunft des Erdbeeranbaus in Deutschland sagt Ralf Hensen, dessen Fruchthof hätte im April besucht werden sollen: Die Zukunft liegt im geschützten Anbau. Zu unkalkulierbar sind die Wetterereignisse mittlerweile, wegen des Unwetters Mitte April schätzt man den Ernteausfall bei den Freilandfrüchten in diesem Betrieb bei rund 60 Prozent.
"Wir rechnen 2024 mit einem Ernteausfall bei Erdbeeren im Freilandanbau von rund 60 Prozent. Die Zukunft liegt im geschützten Anbau."
Ralf Hensen, Fruchthof Hensen
Europas gefährdeter Erdbeergarten
Ortswechsel nach Spanien. In der Region Huelva im Süden liegt Europas größtes Anbaugebiet für Erdbeeren. Huelva ist der Erdbeergarten Europas. Laut FAO, der Welternährungsorganisation der UN, wurden 2022 in Spanien 36 Millionen Tonnen Obst und Gemüse angebaut, das sind 13 Prozent der Produktion in der gesamten Europäischen Union. Insbesondere bei der Erdbeerproduktion ist Spanien mit 326.000 Tonnen bedeutend, sie macht 27 Prozent der gesamten EU-Produktion aus. Hier produziert auch Erilla als sogenannter Mastergrower für SanLucar Erdbeeren. Das 1993 von Stephan Rötzer gegründete Unternehmen beschäftigt aktuell über 4.000 Mitarbeiter weltweit und ist im LEH wegen des unbedingten Qualitätsanspruchs ein Begriff.
Anbau mit Wärme und wenig Wasser
SanLucar gewährt hier Einblicke in Anbau und Verarbeitung, das Unternehmen hat sich Transparenz auf die Fahne geschrieben. In einem Vorort im Norden von Valencia steht das beeindruckend schicke Headquarter. Gerade wurde es erweitert, neue Arbeitsplätze, neue Dachterrasse, neue hängende Gärten an den Wänden. 14 Prozent der Arbeitsplätze in Huelva sind in der Landwirtschaft angesiedelt, zum Vergleich: Im spanischen Durchschnitt sind es weniger als vier Prozent. Für die Region sind der Anbau und Handel mit Erdbeeren ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, je nach Jahresertrag bringen sie laut Berichten der Neuen Zürcher Zeitung zwischen einer und drei Milliarden Euro ein.
Doch dieses Geschäft ist bedroht, und die Lage ist so einfach wie höchst problematisch. Huelva ist von den natürlichen Gegebenheiten her ein wasserarmes Gebiet. Dort, wo heute auf riesigen Flächen Erdbeeren wachsen, haben die Bauern bis vor rund 30 Jahren
Oliven, Getreide und Wein, Produkte der Trockenlandwirtschaft, angebaut. Dann entdeckten Investoren die Möglichkeiten des Bewässerungsfeldbaus. Wärme gibt es, den Boden kann man düngen – und das Bewässern schien durch Kanäle aus dem Norden plus Grundwasser einfach. Was grundsätzlich problematisch ist, wird durch die Klimaveränderung zum Drama. Was tun?