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Foodtrends 2024

Starke Trends, mächtige Gegentrends – der Ausblick vereint sie alle: Darunter Plant-Based neben bewusstem Fleischkonsum, Nicht-Heimisches aus heimischer Produktion, natürliche Lebensmittel und Getränke, reich an Vitaminen, Ballaststoffen oder Proteinen, neben technologischen Entwicklungen, die auch im Handel selbst Akzente setzen.

Von Sibylle Menzel | Fotos: Adobe Stock/VincenSanh

„Foodtrends“, schickt Hanni Rützler ihrem Trendreport 2024 voraus, „sind keine statischen Phänomene, sie befinden sich in einer permanenten Evolutionsschleife.“ Im Trendgeschehen ist also jede Menge Bewegung. 

Zu einem der mächtigsten Trends, auf die Unternehmen achten sollten, zählt zweifelsfrei der Plant-Based-Trend, hier ist weder Stagnation noch Abschwächung zu erwarten. Obwohl Fleisch aber seine Pole-Position auf den Tellern verliert, und das vor allem aus ehtischen und ökologischen Gründen, lässt sich durchaus ein Gegentrend zu Plant-Based feststellen:

Rützler nennt ihn „Carneficionados“, er beschreibt das Aufkommen neuer Fleischqualitäten, die gezielte Auswahl und den bewussten Genuss von Fleisch. Auch Regionalität in ihren verschiedenen Facetten wird weiterhin zu den bestimmenden Trends der Foodbranche zählen ‒ beispielsweise sollten die Local Exotics, Exotisches aus heimischer Produktion, einen immer gewohnteren Anblick im Regal bieten, wie beispielsweise Reis, Zitronen und Artischocken aus Österreich oder Süßkartoffeln aus Deutschland. 


20 Prozent der deutschen Bevölkerung essen noch täglich Fleisch. Im Jahr 2015 waren es noch 35 Prozent . 

Quelle: BMEL-Ernährungsreport 2023


Was kommt auf den Teller?

„Die kulinarische Zukunft“, davon ist Hanni Rützler jedenfalls überzeugt, „liegt in der Vielfalt. Und Vielfalt bedeutet – global gesehen – eine Vielfalt an regional angepassten, regenerativen Produktionsweisen, die auch gegenüber innovativen Technologien offen sind und damit ein breites Spektrum an alten, neuen sowie wiederzuentdeckenden Nahrungsmittelquellen generieren.“

Mit besagter Offenheit gegenüber innovativen Technologien ist es nicht immer einfach. Da können Entwicklungen rasant voranschreiten und Lösungen zur Lebensmittelherstellung auch jenseits landwirtschaftlicher Betriebe versprechen, wie zum Beispiel beim künstlich hergestellten Fleisch. Aber bis diese Entwicklungen auch auf eine breite Akzeptanz stoßen, könnte es noch dauern. 

Bei den offenen Assoziationen zu künstlichem Fleisch halten die Marktforscher von Ipsos in ihrer Studie zum Beispiel fest, dass nur bei den 30- bis 39-Jährigen eine positive Einstellung überwiegt. Jeder zweite Deutsche findet die Herstellung im Labor sogar verwerflich, auch wenn die Vorteile im Hinblick auf die Vermeidung von Tierleid (74 %), eine nachhaltige Zukunft (63 %) und Klimaschutz (62 %) wahrgenommen werden. 

Zeit und Überzeugungsarbeit sind bisweilen also auch die Zutaten in der Trendküche. 
Ergänzt um aktuelle Beobachtungen, Studien und Umfragen gibt die RUNDSCHAU für den Lebensmittelhandel Ein- und Ausblick in die Themen, die die Food- und Beverage-Branche bewegen. Die treibenden Kräfte sind (erneut) Nachhaltigkeit, Gesundheitsbewusstsein und neue Technologien.

Nachhaltige Perspektiven

Verbraucher bleiben dran: Keine Abkehr vom Nachhaltigkeitstrend. Und es gibt ein Revival als Lösung gegen Lebensmittelverschwendung.

Der Trend zu nachhaltigeren Produkten ist über alle Generationen hinweg ungebrochen – auch wenn ökonomisch bedingte Sparmaßnahmen der Konsumenten zu einer abgeschwächten Entwicklung geführt hat. Die Langzeitstudie der Rewe Group, der Consumer Panel Services GfK und der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis formuliert wie viele Marktbeobachter die langfristige Zuversicht: Der Rückgang bedeute definitiv keine Umkehr. Die Aufforderung von Dr. Robert Kecskes, GfK: „Wir müssen die Konsumenten gerade auch in herausfordernden Zeiten mit einer positiven Zukunftsperspektive gewinnen. Den Bereicherungsaspekt des nachhaltigeren Konsums erlebbar machen ‒ für die individuelle Lebensqualität, den eigenen Speiseplan, den Genuss, die Umwelt und das soziale Zusammenleben. Statt nur rein funktionale, technische und finanzielle Problemlösungen anzubieten.“

Die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, bei der Lebensmittelabfälle vermieden, reduziert, wiederverwendet oder recycelt werden; intelligente Verpackungen, die den Zustand von Lebensmitteln überwachen und deren Haltbarkeit verlängern oder auch Initiativen zur Weiterverwendung überschüssiger Lebensmittel – es wird an vielen Wegen gegen Food Waste gearbeitet. Die individuelle Portionierbarkeit einer benötigten Warenmenge ist ebenso wirkungsvolle Maßnahme gegen Food Waste – Unverpackt-Stationen werden ein Revival erleben, prognostizieren Marktforscher. Rewe legt vor: Vorerst noch in der Testphase können Kunden in elf Märkten Rewe Bio-Waren verpackungsfrei aus Mehrweg-Großbehältern einkaufen. Laut den Innova-Marktforschern steht übrigens für fast die Hälfte der Verbraucher (46 %) Food Waste an der Spitze ihrer nachhaltigen Maßnahmen. 

Für verpflichtende, konkrete Ziele hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) jüngst mit 14 Unternehmen, darunter Rewe, Edeka und Co., einen Pakt geschlossen: 30 Prozent weniger Lebensmittelabfälle im Unternehmen bis 2025, bis 2030 sollen sie um 50 Prozent reduziert sein. 

Vom Tier zur Alternative

Fleisch, kein Fleisch, Alternativen? Take it all! Experten beobachten Flexitarismus im stark anhaltenden Aufwind.

Spätestens mit dem Einstieg großer Retailer in den veganen Markt, entwickele sich der plant-based Foodtrend inzwischen Richtung Mainstream, sagt Hanni Rützler. Deutsche Verbraucher sind mit dem LEH-Angebot durchaus zufrieden: 72 Prozent halten es nach einer Studie des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) für ausreichend beziehungsweise gerade richtig. Verstärkt greift die zunehmende Zahl derjenigen zu, die tierische Produkte reduziert auf den Speiseplan setzen: Flexitarier. Nach den Daten von Innova sind etwa auch Fleischhybride auf dem Vormarsch, vor allem im Convenience-Bereich: Würstchen mit Schweinefleisch und Gemüse, Snacks mit Hähnchenfleisch und pflanzlichen Zutaten sowie kombinierte Rindfleisch-Veggie-Burger kämpfen um den Platz im Regal. Angeheizt durch die Flexitarier-Bewegung weisen die Hybride ein ähnliches Wachstumsmuster auf wie alternative Milchgetränke. Alternativen sind aber aber immer noch zu teuer? Es tut sich was: Nach der ProVeg-Preisstudie 2023 fiel der durchschnittliche Preisunterschied zwischen einem Warenkorb mit pflanzlichen und einem mit tierischen Produkten innerhalb eines Jahres von 53 auf 25 Prozent. 

Natürlich in den Regalen

Trends im Regal sind Clean und Natürlich, Smart und Zuckerreduziert; Proteine am liebsten high oder vegan. 

„Thunfisch“ aus Meeresalgen, „Joghurt“ aus Aprikosenkernen, veganer Ei-Ersatz – ausgezeichnete Innovationen der Anuga zeigen vor allem eins: An alternativen Proteinen wird mit Hochdruck gearbeitet. Weniger Zucker und weniger künstliche Inhaltsstoffe, dafür mehr pflanzliche und natürliche Aromen – so stellen sich nach den Experten immer mehr Menschen das zukünftige Angebot an Lebensmitteln vor. Nach dem Boom von Bio-Produkten wandelt sich der neue Foodtrend nun hin zum Clean Eating: Bewusste, gesunde Ernährung ist gefragt. Damit geht übrigens auch die Rückkehr zur traditionellen und natürlichen Lebensmittelherstellung ohne Gentechnik einher.

Welche Trends nehmen Verbraucher wahr? Die POSpulse-Forscher haben sie gefragt: Im Fokus stehen Alternativen, High-Protein-Produkte, bei den Snacks Gemüse- beziehungsweise Hülsenfrüchte-Chips sowie Smoothies. 
Von Smoothies zu Smart Food: Sättigende, ausgewogene Trinkmahlzeiten sind in. Die Marktforscher von Mafowerk sehen bei den convenienten Mahlzeitenlösungen sogar ein echtes Wachstumssegment; ein Drittel der Verwender wollen ihren Konsum noch weiter steigern. 


"Das Interesse an unverarbeiteten Lebensmitteln und Getränken, reich an Vitaminen et cetera, wird wachsen."

Mintel, Lebensmittel- und Getränketrends 2024


Liquid Highlights

Trends bei den Getränken: Null Umdrehungen, blumige, natürliche Aromen und Lifestyle-Varianten. 

Die Trendstudie von Rotkäppchen-Mumm macht Hoffnung: Bei Genussfreude und Kaufbereitschaft sind die Zustimmungswerte gegenüber dem Vorjahr wieder gestiegen. Außerdem: Der mediterrane Trend, sich tagsüber in geselliger Runde zu Snacks mit Drinks zu verabreden, wird hierzulande immer beliebter; die gestiegenen Umsatzzahlen von Aperitifs bestätigen es. 
Ob bei Bier/Biermix, Wein und Sekt oder den Spirituosen, Marktforscher und auch die Experten der renommierten RUNDSCHAU-Round-Tables sind sich einig: Alkoholfreies steht bei immer mehr Verbrauchern in der Gunst ganz oben. Für die Anuga-Trendscouts sind zudem funktionelle Inhaltsstoffe und natürliche, pflanzliche Zutaten im Fokus. Bei Heiß- wie Kaltgetränken sind Aromen aus Hibiskus, Jasmin oder Rose gefragt. Erfrischungsgetränke mit weniger oder ohne Kalorien beziehungsweise Zucker bleiben on Top. Und: praktische Ready-to-Drink-Formate. 

Ausblick auf die Fläche

Smart Stores und der Einsatz von künstlicher Intelligenz gehören zu den Zukunftsthemen für den LEH. 

Es ist eine bittere Pille: Die Zufriedenheit mit dem Kundenerlebnis bei deutschen Unternehmen ist 2023 über alle Branchen hinweg auf den tiefsten Wert seit vier Jahren gesunken. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Customer Experience Excellence Studie der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Auch der LEH bekommt schlechte Noten, aber hinsichtlich der Wahrnehmung seines nachhaltigen und sozialen Engagements schneidet er über alle Branchen am besten ab. In jeder RUNDSCHAU-Ausgabe zeigen die Store-Checks herausragend geführte Lebensmittelmärkte. Sie zeigen Händlerinnen und Händler, wie sie ungeachtet von Inflation und Kaufzurückhaltung ihren Kunden besondere Einkaufserlebnisse bieten, mit hochkarätigen Angeboten, Qualität und Expertise punkten, sich einmischen und Impulse für einen nachhaltiger gestalteten Einkauf geben.
 
In Zukunft kann aber noch ganz anders eingekauft werden: Als ein sehr dynamisches Marktsegment in einer boomenden Nische analysiert Prof. Stephan Rüschen, Studiengangsleiter Handel an der DHBW Heilbronn, Smart Stores. Zwei Konzepte stehen im Vordergrund: Automated Boxes mit nicht direkt zugänglicher Ware und sogenannte Walk-Ins, die für Kunden einen betretbaren Verkaufsraum bereithalten – vor allem sie werden, so die Prognose, gerade in ländlichen Gebieten signifikant zunehmen. 
Kundenanliegen präzise beantworten? Das könnten zukünftig auch Chatbots übernehmen. Künstliche Intelligenz ist überall ‒ ihre Potenziale im LEH weitreichend. Unter anderem können mithilfe von KI Bestände erfasst, Laufwege und Einkäufe der Kunden analysiert und die Qualität bestimmter Waren überprüft werden. Außerdem wäre sie in der Lage, durch präzise getroffene Vorhersagen automatisiert 80 Prozent des Sortiments einer Warengruppe in einem spezifischen Markt aufzustellen. 


Lebensmittel- und Getränketrends 2024

Drei zentrale Trends stellen die Marktforscher von Mintel vor: 

Trend 1: 
Vertrauen in den Prozess:
Verbraucher setzen sich immer kritischer mit den Verarbeitungsprozessen in der Lebensmittel- und Getränke-industrie auseinander. Künftig wird es ein enormes Wachstumspotenzial für minimal verarbeitete Waren geben, bei denen die Verarbeitungstechnik Positives leistet, z. B. 
verringerte Umweltbelastung.

Trend 2: 
Gesund älter werden:
Gen X (geb. zwischen 1965 und 1979) hat großen Anteil an Ausgaben bei Food & Beverage. Unternehmen sollten den Bedürfnissen dieser „Acitve Agers“ nach körperlicher, geistiger und 
emotionaler Gesundheit mit innovativen Produkten entgegenkommen. 

Trend 3: 
Optimiert durch KI:
Künstliche Intelligenz und Co. werden sich zu unverzichtbaren Zeitsparern in der Küche entwickeltn. Für den LEH wird sich das u.a. an Echtzeit-Einkaufshilfen widerspiegeln. 


 

Das sagen Shopper

Bares bleibt Wahres: Im Vergleich sieben europäischer Länder, wird Bargeld in Deutschland (71 %) und Österreich (79 %) immer noch am meisten genutzt (Umfrage: Bearing Point). Die kontaktlose Debitkarte ist die am zweithäufigsten genutzte Zahlungsmethode.

Checkin am Checkout: Die Deutschen gewöhnen sich an Self-Checkout-Kassen (Studie: PwC Deutschland). Aber: Ein Drittel der Befragten würde sie häufiger nutzen, wenn Personal bei Fragen und Problemen besser erreichbar, eine größere Auswahl an Zahlungsoptionen geboten wäre (26 %).

Und im Metaverse? Bei den Zahlungsverfahren würden die meisten eine ihnen bekannte Art wählen (Studie: ECC Köln), nur Gamer seien etwas offener für Kryptowährungen und Co. Fazit: Alternative Währungen müssen reguliert sein, um Vertrauen zu schaffen. Ein Wechselkurs in Euro sei beispielsweise vielen wichtig.

Markenaffin? Marken wollen Gen Z als zukünftig kaufkräftige Gruppe gewinnen. Allerdings sind nur 19 % dieser Gruppe besonders markentreu (Studie NielsenIQ). Die meisten verfügen über mehrere Lieblingsmarken, etwa bei Alkohol und Gebäck.


 

Cultured Meat & Mushrooms

2013 probierte Hanni Rützler in London den ersten kultivierten Burger. Zukunftsweisende Schritte zehn Jahre später: Nach Singapur wird auch in den USA kultiviertes Fleisch für den Verzehr zugelassen. In Europa: Die Niederlande erlauben vorab genehmigte Verkostungen. Die Schweiz stellt den ersten Antrag auf Zulassung von kultiviertem Fleisch. 
Pilze sind groß im Kommen. Als Zutat für Fleisch- und Fischalternativen sind sie ideal, da ihr faden-förmiges Zellgeflecht – das Myzel – der Textur von Fleisch sehr nahekommen kann, berichtet ProVeg über den Markt alternativer Proteine.

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