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ForscherAuftritt David Bosshart: "Wir brauchen Kontinuität"

Vom Wert der Verwurzelung mittelständischer Traditionshäuser ist David Bosshart überzeugt. Im internationalen Vergleich sieht der Trendforscher in Sachen Image deutscher Lebensmittel aber durchaus noch Luft nach oben.

 

David Bosshart, Executive Advisor des Gottlieb Duttweiler Institute in der Schweiz.
Von Sibylle Menzel | Fotos: RUNDSCHAU

Welche Bedeutung, welchen Wert hat das Label Made in Germany oder Switzerland angesichts einer globalisierten Welt überhaupt noch?
Wir dürfen uns keine Illusionen machen – die Wahrnehmung in einer globalisierten Welt ist eher beschränkt, abgesehen von reichen Ländern mit entwickelter Konsumkultur. Interessant ist, dass Nationen weiterhin wichtiger sind in der Wahrnehmung der Verbraucher als supranationale Kriterien. Häufig dominieren Klischees, also stark vereinfachte Erzählungen. So sind die Premiummarken aus dem Automobilsektor stark, weil Aufstieg häufig noch mit dem Kauf eines Autos zu tun hat. Bei Lebensmitteln ist es noch ein langer Weg. Die Frage ist, ob etwa Aldi oder Lidl von der Kundschaft außerhalb Deutschlands überhaupt als deutsch wahrgenommen werden. Je besser Händler und Marken ihren Job machen, desto mehr werden sie als heimisch wahrgenommen. KitKat von Nestlé in Japan ist ein gutes Beispiel. Erst als man das Produkt lokal dem Geschmack und den Essritualen anpasste, wurde es ein Erfolg.

Qualität, Zuverlässigkeit und Co. Welche Attribute sind für Verbraucher denn wirklich relevant?
Das ist sehr zielgruppenspezifisch. Ein Hörapparat Made in Germany mag mehr Zuverlässigkeit und Qualität vermitteln als einer Made in Afghanistan. Viel hängt auch von den politischen Verbindungen aus früheren Zeiten ab. Die Kolonialwelt hat zum Beispiel häufig eine bestimmte Sprache in ein Land gebracht, das hilft schon viel, um Nähe und Vertrautheit im Bereich der Wirtschaft und der Marken zu schaffen. Frankreich, England oder Spanien sind Beispiele dafür. Nehmen Sie dann noch die über Jahrzehnte aufgebauten logistischen Infrastrukturen, etwa Flugrouten für Touristen, und die häufig weiterhin bestehenden Partnerschaften dazu, dann macht das alles noch viel leichter, auch bei politischen Differenzen.

Welche Zielgruppen fühlen sich angesprochen? Und warum?
Bei Lebensmitteln spielen zu Beginn die Kalorien die wichtigste Rolle zum Überleben, danach dann aber immer mehr auch Gesundheit und spezifischer Genuss, und natürlich Imagefaktoren und Klischees. Es gibt aber große kulturelle Unterschiede. Gewisse Länder haben quasi Monopolstellungen, wie Frankreich im Luxusbereich bei Mode und L‘Art de vivre, siehe Hermès oder LVMH. Danach kommt Italien, weniger mit Konzernen und mehr mit Unternehmen, die noch halbwegs Familienunternehmen sind.

Der Trend zu Regionalem steigt, gleichzeitig ist Deutschland eine der führenden Exportnationen für Lebensmittel. Vereinbar oder Widerspruch?
Die Exportstärke hat natürlich auch mit den Folgen der mächtigen Discounter zu tun, die die Industrie permanent zu Kostenoptimierungen zwangen. In Deutschland sind die Lebensmittelpreise im internationalen Vergleich sehr tief und haben
noch viel Potenzial für die Zukunft, ihr Image und auch Qualität zu verbessern. Regionalität entspricht einem sehr wichtigen romantischen Bedürfnis der Menschen, viel mehr noch als Bio, auch wenn es ökologisch und energetisch nicht immer zu bevorzugen wäre gegenüber importierter Frische.

Die Zahl mittelständischer Traditionshäuser mit regionaler Verwurzelung ist groß. Worin sehen Sie ihre Stärken?
Ich bin vom Wert der Langfristigkeit und Verwurzelung überzeugt. In der heute oft künstlich herbeibemühten Hektik mit Mini-Innovatiönchen brauchen wir Kontinuität durch flexible Anpassungen. Die Stärke liegt auch zum Beispiel gerade bei den ökologischen Themen darin, dass man etwas für Kunden und Mitarbeiter sicht- und spürbar macht, über das die Region positiv spricht.

 

 

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