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„Ich habe einfach Spaß“

Keine leichten Zeiten für die wertvollste Marke der Welt. Die Konsumenten geben eine „gesündere“ Richtung vor – Coca-Cola muss darauf reagieren. Eine Wende, die auch der Handel zu spüren bekommt: Der Stachel der Gebindepolitik sitzt noch immer tief. Thomas Kohlmorgen, seit 34 Jahren bei Coca-Cola an Bord, erklärt, wie es mit der Diversifizierung weitergeht.

Thomas Kohlmorgen, Coca-Cola, Richtungswechsel, gesund, Diversifizierung
Foto: Thomas Schindel
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Von L. Schuppan, T. Wöllhaf

In den vergangenen zwölf Monaten ist Coca-Cola mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Wegen der beim Handel ungeliebten Einführung neuer Gebindegrößen, Preiserhöhungen, Listungen bei den Discountern, Umsatz- und Gewinneinbrüchen und der Änderung der Vertriebsstrukturen mit den damit verbundenen Personaleinsparungen. Und erst kürzlich schockte das Wall Street Journal mit der Nachricht, dass ausgerechnet das Mutterland der Cola sich neu orientiert hat. Mineralwasser ist in den USA mit 149 getrunkenen Litern pro Person und Jahr zum Durststiller Nummer eins aufgestiegen. Hiobsbotschaften ohne Ende.

Friss oder stirb

Der unter Zugzwang gesetzte Konzern gibt den Druck an den Handel weiter. Coca-Cola hat den deutschen Lebensmitteleinzelhandel und Getränkegroßfachhandel mit Gebindeumstellungen und Preiserhöhungen vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Handel murrt, kommt aber an den Produkten des Martktführers nicht vorbei. Die Konkurrenz hat die Schwächen des Konzerns erkannt und Blut geleckt. Kleine Limonadenhersteller wie Fritz-Cola nagen an den Marktanteilen, und Sodastream macht karbonisiertes Leitungswasser salonfähig. Der deutsche Handel hat hier keine Berührungsängste und arbeitet gerne mit den Neulingen zusammen. Coca-Cola kann es sich schon lange nicht mehr leisten, sich auf den Lorbeeren vergangener Jahrzehnte auszuruhen. Der Konzern geht im gesamten AfG-Sortiment in die Offensive – und in die Breite. Coca-Cola verändert, wie bei Coke Zero Sugar, Rezepturen, die mit einer gewaltigen Erhöhung des Werbebudgets promotet werden, und führt neue Getränke ein. Der Konzern investiert auch viel Kapital in Kategorien, in denen er bislang nicht oder nur wenig vertreten war – bei Kaffee und nun sogar bei den Molkereiprodukten.

Herr Kohlmorgen, wie weit wird das noch gehen? Coca-Cola und Milch?
Lassen Sie sich einfach überraschen. Wir erzählen erst dann etwas, wenn es spruchreif ist. Es gibt noch viele Möglichkeiten. Wir wollen für alle das richtige Angebot in der richtigen Packungsgröße für den richtigen Anlass und für jeden Geschmack bieten.

Wie passen Mini-Umsätze aus solchen Bereichen und Coca-Cola zusammen?
Wir haben ein Credo: Auch in Bereichen, in denen wir nicht die Nummer eins sind, bauen wir unser Angebot aus. Wir wollen das gesamte alkoholfreie Portfolio anbieten – dazu gehören nicht nur Kaltgetränke, sondern auch Heißgetränke.

Sie haben bei der Gebindepolitik sehr von sich reden gemacht. Wie sieht da die Marschroute aus?
Für den Handel und uns sind die Kleingebinde sehr interessant, denn die bieten eine erhöhte Wertschöpfung und verzeichneten 2016 ein zweistelliges Umsatzwachstum. Zwei bis drei Dosen sind im Moment der bevorzugte Kauf, aber das größte Wachstum liegt im Bereich von vier Dosen.

Man könnte auch sagen, es hat gekracht zwischen dem Handel und Coca-Cola. War das die richtige Gangart?
Der Konsument bestimmt unsere Ausrichtung. Das ist für uns übergeordnet. Wir sehen ein Konsumentenverhalten, das sowohl Mehrweg als auch Einweg fordert und wir haben Konsumenten, die verstärkt kleine Packungen nachfragen.

Wir haben aber nach dem Handel gefragt.
Wir sind sehr kundenorientiert. Wir hören dem Kunden zu und leiten daraus Entscheidungen ab. Unser Ziel ist es, gemeinsam Mehrwert zu schaff en.

Sodastream ärgert die Wasserbranche ziemlich mit dem Thema karbonisiertes Leitungswasser. Bereitet Ihnen das Thema auch Kopfschmerzen?
Klar beschäftigen wir uns mit dem Markt. Allerdings gibt uns die Entwicklung von Vio recht, dass wir auf dem Wassermarkt sehr gut unterwegs sind.

Rückt Ihnen die Konkurrenz in Ihren angestammten Sortimenten so nahe, dass Sie die Flucht in die Diversifikation ergreifen?
Der Markt bietet viele Chancen auch außerhalb des klassischen Softdrinkgeschäfts. Die wollen wir nutzen. Gleichzeitig investieren wir auch stark in den Außer-Haus-Markt. Dieser wuchs knapp drei Prozent allein im letzten Jahr.

Verstärken Sie die Aktivitäten hier?
Auf jeden Fall. Im Außer-Haus-Markt finden Wachstum und große Wertschöpfung statt. Hier kommt es auf das richtige Packungsangebot an und darauf, Emotionen zu wecken. Das transportiert am besten die kleine Glasflasche. Klar ist auch: Für jemanden, der einen Streetfood-Stand hat, muss ich andere Angebotsformen haben als für jemanden, der Fine Dining betreibt.

Die neu eingeführten Getränke laufen gut, auch dank stark gesteigerter Werbeausgaben, bei den zuckerhaltigen Klassikern jedoch stottert der Motor. Das weltweite Geschäft von Coca-Cola bricht seit fast zwei Jahren in Folge ein, im vierten Quartal 2016 sank der Nettogewinn um 56 Prozent. Auch in Deutschland strukturiert Coca-Cola deshalb kräftig um. Ist denn der deutsche Markt so anders als die restlichen europäischen Märkte, dass er so viel Aufmerksamkeit erfordert?
Der deutsche Markt ist herausfordernd und preisintensiv. Und es gibt viel Veränderung. Dem müssen wir uns stellen.

Es gibt viele Marken, die radikal ausmisten. Coca-Cola hingegen geht in neue Segmente hinein, um den Ansatz „Coca-Cola bietet für alle alles“ bedienen zu können. Wie stellen Sie das an?
Indem wir den Markt genauestens beobachten und Produkte entwickeln, die sich vom Wettbewerb abheben. Und: Wir müssen auch schnell lernen. Das fängt mit mir an.

Wo müssen Sie noch dazulernen?
Beim Kaffee genauso wie beim Wasser. Vio Bio Limo ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir erfolgreich Neuland betreten haben. Wir haben mit Vio Bio Limo 2015 unsere erste biozertifizierte Limonade eingeführt und bereits nach dem ersten Jahr den BESTSELLER gewonnen. Mittlerweile ist Vio Limo die Nummer eins bei den Bio-Getränken.

Sie greifen auch in die Infrastruktur Ihres Geschäftes ein. Die rote Flotte ist nicht mehr ausgelastet. Wie lautet hier das Ziel?
Unsere Strategie ist grundsätzlich, dass wir dort abfüllen, wo der Kunde ist. Wir müssen uns aber auch anpassen, wenn sich unsere Kunden dazu entscheiden, ihre Logistik über Zentralläger durchzuführen.

Was harte Einschnitte und letztlich auch Schließungen zur Folge hatte …
Das sind sehr schwierige Entscheidungen. Wo wir sie getroffen haben, setzen wir sie so fair und verantwortungsvoll wie möglich um.

Was sind in Ihren Augen die größten Herausforderungen im deutschen Markt?
Die demografische Entwicklung und die prognostizierten 80 Prozent Ein- bis Zwei- Personen-Haushalte bis 2030. Das hat kleine Einkaufskörbe zur Folge und verlangt danach, dass wir eben verstärkt kleine Packungen mit anbieten. Der zweite Punkt sind die zurückgehenden Shopping-Trips und die Tatsache, dass die kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränke stagnieren.

Wie reagiert Coca-Cola auf den Rückgang in diesem wichtigen Segment?
Indem wir uns Gedanken machen über kleine Packungen, über Innovationen und auch darüber, wie wir das Einkaufserlebnis mitgestalten können. Denn AfG ist eben in vielen Bereichen noch keine Profilierungskategorie.

Was braucht es, damit sich das ändert?
Alles, was nicht klassisches Regalgeschäft ist – also die Stammplatzierung –, bietet große Chancen für Verbesserungen, zum Beispiel attraktive Abteilungen mit LED-Beleuchtung oder neu gestaltete Kassenzonen.

Sie sind jetzt 34 Jahren bei Coca-Cola. Gibt es noch Momente, in denen Sie Lust hätten, etwas anderes zu tun?
Ich kann mich nicht an einen einzigen Tag erinnern, an dem ich nicht motiviert zur Arbeit ins Büro gegangen bin. Ich habe einfach Spaß. Herausforderungen motivieren mich. Das ist meine Lebenseinstellung.

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Foto: Thomas Schindel
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