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Jetzt raucht's: Steuerschock für die Tabak-Branche!

Sechs Jahre lang blieb die Tabakbranche von Steuererhöhungen verschont. Umso kräftiger hat der Fiskus nun zugelangt. Vor allem die Preise für sogenannte Next-Generation-Products wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer dürften ab dem nächsten Jahr deutlich nach oben gehen.

Von Gerhard Hörner | Fotos: AdobeStock/GG-Raw

Alle Appelle von Experten und Branchenkennern haben letztendlich nicht viel bewirkt. Abgesehen von ein paar kleinen Korrekturen zur ursprünglichen Version wurde die Erhöhung der Tabaksteuer weitgehend wie geplant im Juni von Bundestag und Bundesrat durchgewinkt. Das heißt: Konsumenten von Tabakwaren müssen ab nächstem Jahr mit teilweise saftigen Preiserhöhungen rechnen. Besonders stark davon betroffen sind Verbraucher, die E-Zigaretten oder Tabakerhitzer dampfen. Das bringt die Branche auf die Palme. Hersteller und Händler sind empört. Das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) sieht nur noch einen letzten Ausweg, um das Tabaksteuermodernisierungsgesetz zu Fall zu bringen: eine Verfassungsklage. 

Schrittweise Erhöhung 

Bleibt der juristische Erfolg versagt, tritt die Gesetzesnovelle am 1. Januar 2022 in Kraft. Raucher von klassischen Zigaretten kommen dabei relativ glimpflich davon. In den ersten beiden Jahren wird die Steuer pro Schachtel (20 Stück) um jeweils zehn Cent angehoben. 2025 und 2026 schlägt der Fiskus jeweils 
15 Cent drauf. Über die fünf Jahre betrachtet zusammen also 50 Cent pro Packung, die momentan für etwa sieben Euro verkauft wird. 
Sollten die Tabakkonzerne die Steuererhöhung eins zu eins an die Verbraucher weitergeben, müssten die Raucher 2026 circa sieben Prozent mehr für ihr Laster bezahlen als heute. Im selben Zeitraum wird auch 
die Steuer für Feinschnitt erhöht: um 13 bis 16 Cent per anno, bezogen auf eine Packung mit 40 Gramm. 
 

Hätte es die Bundesregierung damit bewenden lassen, wäre dies von der Tabakbranche wahrscheinlich weitgehend ohne großes Klagen hingenommen worden. Zumal sie in den letzten sechs Jahren von Steuererhöhungen verschont blieb. Das belegt ein Statement von Jan Mücke zu Jahresbeginn. „Wir befürworten eine Besteuerung mit Augenmaß“, hatte der Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) im Januar gesagt. Doch was jetzt, nur fünf Monate später vom Bundestag und Bundesrat entschieden wurde, geht für Mücke und viele andere Branchenvertreter weit über den Rahmen hinaus, den sie für akzeptabel halten.

Teure E-Zigaretten

Heftig kritisiert werden vor allem die neuen Steuersätze für sogenannte Next-Generation-Products, die im Vergleich zu traditionellen Tabakwaren als weitaus weniger schädlich gelten. Künftig fallen erstmals auch Liquids für E-Zigaretten unter die Tabaksteuer. Das gilt sogar für nikotinfreie Flüssigkeiten, die der Fiskus zunächst verschonen wollte. Wie bei konventionellen Tabakwaren erfolgt die Erhöhung in mehreren Stufen, beginnend am 1. Juli 2022: Pro Milliliter Inhalt werden für E-Liquids dann 16 Cent Steuer fällig. 2023 folgt eine Erhöhung auf 20, ein Jahr später auf 
25 Cent. Ab dem 1. Januar 2026 werden es sogar 32 Cent pro Milliliter sein. 

Dadurch kommen die Hersteller von E-Zigaretten mächtig in die Bredouille. Würden sie die Steuerbelastung aus ihrer eigenen Tasche tragen, wäre das mit massiven Einbußen verbunden. Fraglich ist, ob dies die vielen mittelständischen Unternehmen verkraften könnten. Alternativ bleibt den Produzenten die Möglichkeit, die Steuer teilweise oder komplett auf die Konsumenten abzuwälzen. Die Folge wäre dann, dass E-Zigaretten künftig deutlich teurer würden. Horst Winkler zeigt an einigen Zahlenbeispielen auf, wie sich die Steuererhöhung ab 2026 auswirkt. „Für ein nikotinhaltiges Liquid in einem Fläschchen mit zehn Millilitern, das derzeit circa fünf Euro kostet, wird eine Steuer von 3,20 Euro erhoben“, sagt der Pressesprecher vom Verband des eZigarettenhandels (VdeH). 
 

„Dasselbe gilt für einen Nikotin-Shot von zehn Millilitern, dessen Preis aktuell bei etwa 1,50 Euro liegt.“ Würden die Verbraucher mit der gesamten Steuer belastet, müssten sie für den Shot 2026 folglich 4,70 Euro bezahlen. Dies wäre im Vergleich zu heute mehr als das Dreifache (!). „Daran“, betont Winkler, „wird deutlich, wie unverhältnismäßig die neuen Regelungen sind.“

Tabakerhitzer: Neue Steuersätze

Von der Gesetzesnovelle ebenfalls stark betroffen sind auch Tabakerhitzer, die vom Fiskus bislang erheblich weniger besteuert wurden als herkömmliche Tabakwaren. Doch damit ist ab 2022 Schluss. Der Steuersatz von Produkten wie Iqos (Philip Morris) oder Glo (BAT) liegt künftig nur noch 20 Prozent unter dem für Fabrikzigaretten. Die Hersteller halten sich zwar noch bedeckt, welche Auswirkungen dies haben dürfte. Allerdings wird bereits gemunkelt, dass die Preise für Tabaksticks wie Heets oder Neo um bis zu 40 Prozent steigen könnten – sofern die Hersteller die Steuererhöhung eins zu eins an ihre Kunden weiterreichen. Derzeit liegt der Preis für eine Packung Sticks (20 Stück) bei sechs Euro. 

Ursprünglich sollte die Steuererhöhung für E-Zigaretten sogar noch höher ausfallen. Erste Pläne von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sahen vor, ein Fläschchen Liquid (10 ml) ab Juli 2022 mit einer Abgabe von vier Euro zu belasten. Im zweiten Schritt sollten weitere vier Euro hinzukommen. Doch nach Protesten aus der Branche wurde der Gesetzesentwurf ein klein wenig abgemildert. Das kann die Tabakbranche aber nicht besänftigen. Für VdeH-Geschäftsführer Michal Dobrajc ist die Steuererhöhung nach wie vor „eine gesundheitspolitische Katastrophe, weil sie wissenschaftliche Fakten ignoriert“.

Auf dem falschen Weg

Dobrajc belegt seinen Vorwurf mit vielen Studien international renommierter, unabhängiger Einrichtungen, wie zum Beispiel Public Health England: Laut der britischen Gesundheitsbehörde ist Dampfen 95 Prozent weniger schädlich als Rauchen. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO erkenne dies mittlerweile als Beweis an. Als breiter wissenschaftlicher Konsens gilt auch, dass das Krebsrisiko deutlich minimiert wird, wenn Konsumenten von Tabak- auf E-Zigaretten 
oder Heat-not-Burn-Produkte umsteigen.

„Bereits über 2,5 Millionen Menschen ist das gelungen“, sagt Dobrajc. Umso weniger kann er das Argument nachvollziehen, dass die Steuererhöhung ein geeignetes Mittel sei, um das Rauchen einzudämmen. „Wer das ernst meint, muss doch gerade die Branche unterstützen, die maßgeblich zu einer Senkung der Raucherquote beiträgt, anstatt sie zu zerstören.“
 

Eine bundesweite Umfrage des VdeH zeigt, wie kontraproduktiv sich die immense Steuererhöhung für neuartige Produkte auf das Verhalten der Konsumenten auswirkten könnte. Laut der Studie überlegen 30 Prozent der E-Zigarettennutzer, wieder mit dem Rauchen anzufangen, wenn sie für Liquids deutlich mehr bezahlen müssen. Jeder zweite Raucher, der sich einen Umstieg vorstellen kann, verwirft diesen Gedanken, wenn der Preis für E-Zigaretten aufgrund der hohen Besteuerung um bis zu acht Euro steigt.  Obwohl Dobrajc die Umfrageergebnisse schmerzen, kann er sie doch nachvollziehen. „Wenn sich der Preis für ein handelsübliches Liquid-Fläschchen verdreifacht, wird es zum Luxusprodukt. Das wollen und können sich viele Menschen nicht leisten.“ 

Shopumsätze sinken

Auch Philip Morris Deutschland hält die beschlossene Steuererhöhung für falsch und verweist auf eine von dem Konzern in Auftrag gegebene Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Darin wurden die gesundheitspolitischen Chancen und Risiken untersucht, die sich durch unterschiedliche Regulierungen von Tabakwaren ergeben. Am besten schneidet Großbritannien ab. „Dort werden Raucher eher dazu bewegt, auf risikoreduzierte Innovationen zu wechseln, ohne diese für Nichtraucher und Jugendliche attraktiv zu machen.“ In Deutschland hingegen werde nicht zwischen konventionellen und weniger schadstoffhaltigen Produkten differenziert. Das sei aber wichtig. „Wir brauchen eine risikogestaffelte Steuer“, fordert Maximilian Jell, Leiter Regulatory Affairs & Reduced Risk Products bei Philip Morris. „Dies würde eine Lenkungswirkung erzeugen, die endlich auch jene Menschen dazu bringt, mit dem Rauchen aufzuhören, die bisher nicht erfolgreich über Präventionsmaßnahmen erreicht wurden.“ 
 

Nicht nur wegen des Fehlens einer durchdachten gesundheitspolitischen Strategie ist die Kritik an dem neuen Gesetz massiv. Zudem befürchtet der Handel, dass Kunden künftig noch mehr Trips in unsere Nachbarländer machen, wo Tabakwaren deutlich billiger sind. Darunter leiden besonders Shops in grenznahen Gebieten. Rolf Küstner kennt dieses Problem. „In letzter Zeit ist es noch schlimmer geworden“, stöhnt der Betreiber eines Autohofs im oberfränkischen Thiersheim, nur zwölf Kilometer von Tschechien entfernt. „Immer mehr Menschen fahren über die Grenze, um zu tanken und sich mit billigen Tabakwaren einzudecken.“ Damit bricht den Tankstellen ein Teil ihres Umsatzes weg. Experten befürchten, dass der Handel künftig weitere Einbußen hinnehmen muss. Denn durch die Steuererhöhung dürfte das Preisgefälle zwischen Deutschland und einigen Nachbarstaaten noch größer werden. Dies könnte für Schwarzhändler, Schmuggler und Produktfälscher ein Anreiz sein, ihre illegalen Geschäfte mit Tabakwaren zu forcieren. Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Zoll, bezeichnet das neue Tabaksteuergesetz sogar als „willkommenes Start-up für Kriminelle“. 

Licht und Schatten

Dabei ist die Menge der vom Zoll beschlagnahmten Schmuggel-Tabakwaren schon jetzt besorgniserregend. Im Jahr 2020 wurden 
106 Millionen Zigaretten und 27 Tonnen Feinschnitt konfisziert. Das ist deutlich mehr als im Vorjahr. Dennoch muss der legale Handel nicht schwarzsehen. Schließlich gibt es auch positive Nachrichten. 2020 wurden in Deutschland 26.388 Tonnen Feinschnitt verkauft – ein Plus von 10,5 Prozent zum Vorjahr. Da die Steuererhöhung für Dreher und Stopfer recht moderat ausfällt und der Preis für Feinschnitt weiterhin relativ günstig bleibt, dürfte sich an dem positiven Trend, der sich in den ersten Monaten 2021 fortsetzte, auch nichts ändern.

Von dieser Entwicklung profitieren neben Tabakwaren auch Raucherbedarfsartikel wie Blättchen, Hülsen, Filter sowie Zubehör. „Vor allem unsere drei Top-Produkte sind nach wie vor sehr gefragt und sollten in keinem Regal fehlen“, sagt Jörg Dißmann, Geschäftsführer von Gizeh. Damit gemeint sind „Black Fine“-Blättchen mit Magnetverschluss, „Slim“-Filter (6 mm) zum Eindrehen in der Zip-Packung sowie die Kombi „Black King Size Slim und Tipps“ mit je 34 Stück.
Auch OCB hat den Dreh raus. „Im RYO-Segment haben sich Blättchen im Kurz- und Slim-Format sehr gut entwickelt“, sagt National Sales Director Marc Fassbinder. Angetrieben wird dieser Trend durch Produktneuheiten, wie „Unbleached Slim Virgin“ (ultradünn), „Ultimate“ in 3D-Optik und „Organic“, hergestellt aus rein pflanzlichen Naturfasern. „Auch unsere Zigarettenhülsen zum Stopfen erfreuen sich hoher Nachfrage.“ Zudem hat OCB sein Angebot an „Activ Tipps“ erweitert. Das sind Aktivkohlefilter, mit deren Hilfe die Konsumenten ihre Schadstoffbelastung reduzieren können. Abgerundet wird das Portfolio für Raucherbedarfsartikel durch diverse Maschinen, die das Drehen und Stopfen auch für Anfänger einfach machen. 

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