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Lebensmittelindustrie: Versorgung gesichert, Lage angespannt

Auch in Krisenzeiten zeigt sich die deutsche Lebensmittelindustrie robust und kann ihrem Versorgungsauftrag überwiegend gerecht werden. Einige Branchen haben jedoch mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Ein Überblick.

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Bier. Foto: Veltins
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Von Mirko Jeschke | Fotos: Veltins

Wie sich einzelne Lebensmittelbranchen entwickeln und was aktuell die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise sind, zeigt der folgende Überblick:

Getränke

Die Verbände der Getränkewirtschaft sehen trotz stellenweise erhöhter Nachfrage die Versorgung weiterhin gewährleistet. Damit das so bleibt, bitten Getränkehersteller und Getränkehandel Verbraucher darum, das genutzte Leergut bei Mehrweg (Flaschen wie Kästen) so bald wie möglich wieder über den Handel zurückbringen.

Bier

Laut einer Mitgliederbefragung des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) rechnen 87 Prozent der deutschen Brauereien angesichts der Corona-Krise mit der Einführung von Kurzarbeit, 18 Prozent mit Entlassungen. Gleichzeitig rechnet fast jede dritte befragte Brauerei perspektivisch mit Personalmangel durch Mitarbeiter, die bedingt durch Krankheit oder fehlende Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen. Auch drohen Auswirkungen des Personalmangels in Partnerbranchen auf die Brauereien durchzuschlagen, etwa durch den Mangel an Saisonarbeitern beim Hopfenanbau oder im Bereich der Logistik aufgrund von Grenzschließungen oder Erkrankungen von Lkw-Fahrern. Besonders hervorgehoben wird die Lieferung von Malz, Kronenkorken und Pappen, Desinfektions- und Reinigungsmitteln, Hefe und Kohlendioxid. Gerade in diesen kritischen Bereichen, so der DBB, müsse der Nachschub jederzeit sichergestellt sein.

Noch ist in fast allen deutschen Brauereien die Produktions- und Lieferfähigkeit gesichert. Auch die Logistik und Warenverteilung laufe weitgehend reibungslos, ergab die Umfrage. Kritischer ist das Bild bei der Verfügbarkeit von Rohstoffen und Verpackungen, wo bereits mehr als acht Prozent der befragten Brauereien Ausfälle zu beklagen haben. So gibt es erste Engpässe bei Verpackungsmaterial, Verschlüssen und Glas. Fast jede zweite Brauerei (49 %) erwartet, dass es in den kommenden Wochen zu Engpässen beim Leergut kommen wird.

Fleisch/Wurst

Trotz der großen Herausforderungen sendet der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF) eine optimistische Botschaft an die Bevölkerung: „Die Lebensmittelversorgung mit Wurst- und Fleischwaren ist derzeit sichergestellt“, so Sarah Dhem, Präsidentin des BVDF. „Unsere Mitgliedsbetriebe sind lieferfähig und die Lieferketten stabil. Eine übermäßige Bevorratung mit Lebensmitteln, insbesondere Wurstwaren, ist daher nicht nötig.“

Auch der Fleischproduzent Tönnies zeigt sich in der Corona-Pandemie gut gerüstet. „In der gesamten Lebensmittelkette, vom Landwirt bis zum Handel, sind wir voll lieferfähig“, sagte Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter des Fleischkonzerns, Mitte März. Laut einem Bericht im „Handelsblatt“ (29.3.) sucht das Werk in Böklund allerdings kurzfristig 100 Aushilfen aus der Gastronomie, um den Ansturm auf Wiener und Frankfurter Würstchen bewältigen zu können. „Durch Corona ist die Nachfrage nach unseren Fleischwaren im Lebensmitteleinzelhandel um ein Drittel gestiegen“, so Clemens Tönnies.

Geflügel/Eier

"Die deutsche Geflügelwirtschaft als systemrelevante Branche wird ihrem Versorgungsauftrag für Eier und Geflügelfleisch auch in der herausfordernden Corona-Situation in vollem Umfang gerecht", sagt Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). Die Nachfrage im LEH sei in den vergangenen Wochen phasenweise erheblich gestiegen. Es sei aber zu jeder Zeit gelungen, die Wünsche der Verbraucher zu erfüllen. "Auch zu Ostern bei traditionell starker Nachfrage nach Eiern gilt: Die Versorgung mit Eiern und Geflügelfleisch ist gesichert."

Ein drängendes Thema bleibe jedoch die ausreichende Verfügbarkeit von Arbeitskräften für Eierpackstellen und Geflügelschlachtereien. Hier macht sich ZDG-Präsident Ripke beim Thema Freizügigkeit der Arbeitnehmer für ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene stark.

Tiefkühlkost

Wie das Deutsche Tiefkühlinstitut (dti) zuletzt meldete, ist im LEH ab der zweiten Märzwoche die Nachfrage nach Tiefkühlkost stark gestiegen - teilweise im zweistelligen Bereich wie bei Brötchen, Fischstäbchen, Spinat, Pizza und Pommes. Verbraucher versorgten sich mit Tiefkühlkost zum sofortigen Verzehr, aber auch zur Bevorratung. Das dti geht davon aus, dass die aktuellen Zuwächse im LEH aber nur temporär zweistellig bleiben, da die TK-Lagerkapazitäten in den Haushalten eher begrenzt seien als für haltbaren Waren des Trockensegments. Vom deutlichen Nachfrageanstieg nach Tiefkühlprodukten profitieren außerdem die TK-Heimdienste, die von einer Verdopplung ihrer Online-Bestellungen und vielen Neukunden berichten. Der zum Erliegen gekommenen Außer-Haus-Konsum trifft allerdings jene TK-Hersteller hart, die für die Gastronomie produzieren.

Mopro

Nach Angaben des Milchindustrie-Verbands (MIV) halten Molkereien und Milcherzeuger in Deutschland angesichts der Corona-Krise eng zusammen. „Als eine der systemrelevanten Branchen trägt die Milchindustrie eine erhebliche Verantwortung zur Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln. Jedes unserer Mitgliedsunternehmen ist sich dieser Verantwortung bewusst und handelt danach“, erklärt MIV-Vorsitzender Peter Stahl. „Es gilt jetzt, die Kette von der Milcherzeugung über die Verarbeitung bis in die Regale des Handels ungeachtet der heftigen externen Einflüsse aufrecht zu erhalten.“

Viele Betriebe produzieren derzeit rund um die Uhr, auch an den Wochenenden. Das setzt die Anwesenheit von genügend Beschäftigten vor Ort voraus. Stahl: „Milch lässt sich nicht im Homeoffice verarbeiten!“

Obst & Gemüse

Der O&G-Lieferant Frutania erwartet gravierende Probleme in der Versorgung von frischem Obst und Gemüse in Deutschland. Die Produktion steht in den Startlöchern für die kommende deutsche Saison, durch fehlende Erntehelfer sieht Frutania allerdings die Versorgung in hohem Maße gefährdet. Geschäftsführer Markus Schneider befürchtet einen Engpass für Deutschland, der nicht nur 2020 sondern vielmehr auch in den nächsten Jahren spürbar sein wird: "Unsere angeschlossenen Betriebe bestellen heute keine Pflanzen mehr für nächstes Jahr, da sie in der Ungewissheit der aktuellen Lage nicht in finanzielle Vorleistung für nächstes Jahr gehen können." Der Import von Waren aus dem benachbarten Ausland sei nicht oder nur teilweise gesichert. Der hohe regionale Versorgungsgrad in den Monaten April bis September könnte demzufolge in den Supermärkten zu leeren Regalen im Obst und Gemüsesegment führen.

Wie Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner kürzlich mitteilte, haben sich das Landwirtschafts- und das Innenministerium vor diesem Hintergrund auf eine begrenzte Einreise von dringend benötigten Erntehelfern geeinigt. Demnach dürfen trotz Corona-Pandemie unter strengen Auflagen je 40.000 Saisonarbeiter aus Osteuropa im April und Mai nach Deutschland einreisen.

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Noch ist in fast allen deutschen Brauereien die Lieferfähigkeit gesichert.

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