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„Online nicht um jeden Preis“

Der Online-Ausflug von dm hat hierzulande nur drei Monate gedauert. dm-Chef Erich Harsch sieht volkswirtschaftlich keinen Sinn mehr darin. Gleichzeitig startet in Österreich ein neuer Anlauf.

dm-Chef Erich Harsch
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Von Jens Kemle

Herr Harsch, das Geschäftsjahr von dm war besser denn je, dennoch läuft nicht alles rund. Die Online-Kooperation mit Amazon ist nach nur drei Monaten gescheitert. Was waren die Ursachen?
Harsch: Die Kunden kaufen offensichtlich immer noch lieber im stationären Handel ein. Es hat sich darüber hinaus gezeigt, dass der Onlinehandel mit Lebensmitteln  aufgrund niedriger Margen äußerst schwierig ist. Weder die Frequenz noch die Kalkulation waren hinreichend, so dass wir das Experiment beendet haben.

Wie geht ein erfolgsverwöhntes Unternehmen wie dm mit einer solchen Schlappe um? So was kratzt ja auch immer am Markenimage …
Harsch: Unsere Zahlen sind so gut, dass es Unfug ist, von einer Niederlage zu sprechen. Beim Forschen und Entwickeln geht eben auch mal etwas schief. Das ist ganz normal. Von den Kunden haben wir so gut wie keine negativen Rückmeldungen bekommen – ganz im Gegenteil. In Deutschland konnten wir allein im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Kundenzuwachs von mehr als 14 Prozent verbuchen.

Konkret: Wie viel hat das Projekt mit Amazon für dm abgeworfen?
Harsch: Der Gewinn belief sich in etwa auf den einer durchschnittlichen dm-Filiale. 

Zalando hat bisher keinen Cent Gewinn gemacht, gilt aber bereits als „Amazon der Schuhwelt“. Warum haben Sie 
sich nicht mehr Zeit für die Etablierung gegeben – so wie andere das tun?

Harsch: Wir sehen keinen volkswirtschaftlichen Sinn darin, über Jahre hinweg Geld zu verbrennen, nur um ein Konzept voranzubringen, das mit ordentlichem Wirtschaften unvereinbar wäre. Außerdem wollen wir online nicht dadurch sub­ventionieren, indem wir im stationären Handel die Preise anheben.

Kaum hatten Sie hierzulande die Kooperation mit Amazon beendet, sind Ihre österreichischen Kollegen mit einem eigenen Online-Shop gestartet. Wie passt das zusammen? 
Harsch: Darin sehe ich keinen Widerspruch. Hier in Deutschland hatten wir ja keinen Online-Shop, sondern eine Großhandelsfunktion für Amazon. Was Österreich angeht: Wir sind bei dm sehr dezentral aufgestellt. Die Geschäftsführung jedes einzelnen Landes kann autonom entscheiden, was sie macht.

Dann gehen Sie also davon aus, dass Frequenz und Margen im Nachbarland höher sein werden als in Deutschland? 
Harsch: Die Marktbedingungen sind von Land zu Land verschieden. 

Kannibalisieren Sie sich in Österreich nicht selbst mit einem Online-Shop?
Harsch: Alles Neue bringt Veränderungen mit sich. Je nachdem, welche Erfahrungen und Erkenntnisse wir in Österreich sammeln, werden wir das Experiment fortführen oder beenden.

In Deutschland plant ihr unmittelbarer Konkurrent Müller einen Online-Shop. Können Sie es sich als Marktführer leisten, da nicht nachzuziehen?
Harsch: Andere Wettbewerber sind ja schon viel länger aktiv – auch von denen haben wir bisher keinen Druck gespürt

Ihr Wettbewerber Rossmann ist Ihnen bereits weit voraus und prescht mit einem Online-Sortiment von mehr als 100.000 Produkten in die Zukunft … 
Harsch: Nun, wenn wir die Aussagen von Rossmann richtig interpretieren, hört sich das für uns nicht nach einem riesigen Vorsprung an. Sie können davon ausgehen, dass wir die Entwicklung sehr genau beobachten und so aufgestellt sind, dass wir bei Bedarf sehr rasch agieren können.

Im laufenden Geschäftsjahr sollen mehr als 300 Millionen Euro in die Expansion fließen. Wie geben Sie das Geld aus?
Harsch: Unser Ziel ist es, in Deutschland flächendeckend präsent zu sein. In Österreich gibt es derzeit 380 dm-Märkte, obwohl das Land nur acht Millionen Einwohner hat. Auf Deutschland umge-
rechnet würde das 3800 Märkte bedeuten – wir sind aber erst bei 1480 Standorten. Es gibt noch viel zu tun.

Was heißt das konkret?
Harsch: Dass wir hierzulande sicher noch ein paar hundert Märkte eröffnen werden.
75 Millionen Euro sollen in die Expansion im Ausland fließen. In Polen, der stärksten Volkswirtschaft in Osteuropa, sind Sie bisher nicht präsent. Warum? 
Harsch: Wir wollen organisch wachsen und uns nicht verzetteln. Von Österreich aus sind wir zuerst in die Nachbarländer gegangen und arbeiten uns von dort aus weiter vor.

Visiomax ist die 24. Eigenmarke im Sortiment von dm. Braucht dm bald keine Industriemarken mehr in ihren Regalen? 
Harsch: Uns ging es nie darum, dass unsere eigenen Marken Industriemarken aus den Regalen verdrängen. Wir haben aber auch immer das Ziel, dass unsere Kunden Alternativen haben. So ist jeder dritte Artikel, den wir verkaufen, eine dm-Marke. Daran halten wir konsequent fest. 

Wird es im nächsten Jahr weitere Neueinführungen geben?
Harsch: Lassen Sie sich überraschen. Nur so viel: Wir werden es nicht übertreiben.

Sie planen derzeit eine neue Zentrale. Damit wollen Sie im Karlsruher Stadtbild sicher auffallen, oder?
Harsch: Sicher wollen wir ein architektonisches Zeichen setzen. Es wird aber kein Protztempel werden.  

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