THEMA 1: Konsumlaune
Welche Auswirkungen hat die Kaufzurückhaltung der Shopper auf den aktuellen
Spirituosenmarkt?
Ein Jahr ist es her, dass die RUNDSCHAU zuletzt ausgewählte Experten der Spirituosenbranche zum Round Table-Gespräch versammelte. Der Grundsatztenor damals: Der Premium-Trend wird bleiben und mit größeren Verschiebungen in günstigere Qualitäten sei nicht zu rechnen. Vielmehr hatten die Hersteller seinerzeit vor allem noch mit Lieferketten und Rohstoffknappheit zu kämpfen. Wie schätzen die Experten die Großwetterlage aber aktuell ein?
„Die Konsumenten sind momentan sicherlich stark verunsichert und agieren daher eher zurückhaltend. Gepaart mit dem Kostendruck, den wir alle haben, ist das schon eine herausfordernde Situation. Daher ist die Stimmung gerade eher angespannt, was auch die aktuellen Zahlen belegen. Das zeigt sich auch im Abgang zur Handelsmarke, was langsam, je nach Kategorie, durchaus der Fall ist“, schätzt Jens Stachowiak, Geschäftsführer bei Pabst & Richarz, die Lage ein. Besonders stark sei der Kundenswitch hin zur Handelsmarke im Bereich der Fruchtspirituosen zu spüren, wo diese zuletzt laut Circana-Zahlen rund 16 Prozent gewonnen hätten.
"Fast alle Kategorien sind aktuell von der Preissensibiliät der Kunden betroffen."
Torben Jansen, Henkell Freixenet
Ähnlich sieht das Torben Jansen von Henkell Freixenet: „In der Vergangenheit haben wir viel über „Premiumisierung“ und „Weniger, aber besser“ gesprochen und ich glaube noch immer, dass das auf lange Sicht so sein wird. Aber aktuell ist die Preissensibilität der Verbraucher extrem hoch. Und angesichts der Preisrunden, die fast jeder von uns gerade hinter sich gebracht hat, sind fast alle Marken und Kategorien davon betroffen, abgesehen vielleicht von einigen Ausreißern im Aperitif-Bereich. Was wir momentan sehen, ist oftmals ein Downtrading der Kunden, die dann bei bestimmten Produkten zur günstigeren Alternative greifen oder die Kategorie komplett wechseln.“
Konkret könne das bedeuten, dass man bei Einladungen etwa eher zum Sixpack Bier als Mitbringsel als zur Spirituose greife. An die höheren Preise müssten sich Kunden eben erst einmal gewöhnen. Ähnlich sieht das Thomas Mempel, Vorstand und CCO der Semper idem Underberg AG. „Wir werden mit der Konsumzurückhaltung bis mindestens nächstes Jahr zu kämpfen haben und uns darauf einstellen müssen, dass wir vorerst kein so dynamisches Wachstum mehr sehen. Und der Verbraucher verändert sich auch ein Stück weit. Die Menschen wollen weniger Alkohol trinken, und wenn, dann meist mit einer geringeren Grädigkeit.“
Eine weitere Unwägbarkeit komme vonseiten der Politik, da man nicht wisse, was mit der Spirituose allgemein passiere, etwa bei Themen wie Branntweinsteuer oder Deklarationspflichten. Bei vielen Politikern werde Spirituose mit Droge gleichgesetzt, das dürfe man nicht unterschätzen. Ein weitaus promotion-affineres Shopperverhalten beobachtet Thomas Kupich von Jägermeister: „Der Handel rüstet dementsprechend natürlich auf, wir sehen mehr Handzettelanstöße, die sich aber auf die wesentlichen Marken beschränken. Besonders sichtbar ist das im Gin-Bereich. Gin ist eine der wenigen Kategorien, die mengenmäßig noch wächst, wenn auch nicht in der Breite wie in den letzten Jahren. Das Wachstum betrifft vor allem die Preiseinstiegs- und StandardmarStandardmarken, Premium, Super- und Ultrapremium verlieren zweistellig.“
Doch auch bei der aktuell schwächelnden Konsumlage gibt es Faktoren, die Hoffnung machen und auf die sich aufbauen lässt. Da ist sich zumindest Philipp Fellmann von Waldemar Behn sicher. „Es wird aber auch wieder mehr gefeiert, die Leute wollen raus und die ganzen Krisen kurzzeitig vergessen, sich ablenken. Das haben wir in den letzten Monaten verstärkt beobachten können. Darauf können wir alle aufbauen, das ist eine große Chance.