Artikel

Smart Stores 24/7? Die Retail Innovation Days liefern wichtige Impulse

Die Retail Innovation Days 2023 der DHBW Heilbronn analysierten den Status Quo und die Chancen diverser Smart Store-Lösungen für den deutschen und internationalen Markt. Das sind die 11 wichtigsten Learnings!

Foto: AdobeStock/swissa
Von Alexander Thürer | Fotos: Foto: AdobeStock/swissa

Noch ist es ein zartes Pflänzchen, das Business mit autonomen Handelskonzepten, den sogenannten Smart Stores. Bei über 60.000 Verkaufsstellen für Lebensmittel in Deutschland finden sich darunter aktuell gerade einmal 66 Smart Stores (in unterschiedlichen Ausformungen). Ein verschwindend geringer Anteil also. Aber die Tech-Branche ist sich sicher: das Potenzial ist riesig. Autonome Shop-Konzepte könnten die Lösung von Problemen wie Personalmangel, gestiegenem Kostendruck, dem Ausdünnen der Nahversorgung oder der Erwartung des Kunden an eine 24/7-Verfügbarkeit von Waren sein, die ein stationärer Händler nicht gewährleisten kann. Neben all diesen Heilsversprechen ist aber eines klar: Für die Breite taugen die Systeme der diversen Anbieter aktuell noch nicht. Größtes Hemmnis sind dabei die hohen Investitionskosten, die sich mit den naturgemäß kleinen Sortimenten und potenziell kleineren Warenkörben nur schwer gegenfinanzieren lassen.

Die DHBW Heilbronn hat sich der Thematik "Smart Stores" bei der diesjährigen Ausgabe derRetail Innovation Days detailliert angenommen, zahlreiche Beispiele aus der Praxis präsentiert, mit Experten Chancen und Probleme diskutiert und nicht zuletzt Wege eruiert, wie Smart Stores doch noch die große Disruption des Handels werden könnten, die sie heute versprechen.

 

Das sind die 11 wichtigsten Learnings der Retail Innovation Days in Sachen Smart Stores!

 

  • Sortimente flexibel halten und an die lokale Kundenklientel anpassen!
    Ein Smart-Store-Konzept, das überall exakt gleich funktioniert, wir es nie geben. Viele Stores bieten lediglich Platz für 500 bis 700 verschiedene Artikel. Das reicht nicht, um als vollwertiger Nahversorger zu agieren. Umso wichtiger ist es, das knappe Sortiment optimal an die individuellen Standortanforderungen anzupassen. Lokal produziere Waren können hier ein wichtiger Faktor sein.
  • Lage, Lage, Lage!
    Wie kaum bei einem anderen Handelskonzept ist der Standort entscheidend für den Erfolg. Welche Art potenzieller Kunden frequentieren wann den Store? Und welche Art von Produkt ist dann gewünscht? Getränke, Convenience, Grillfleisch, Energydrinks, Eis, Kaffee? Der Bedarf kann sich auch uhrzeitabhängig fundamental ändern. Und: Innenstadtlagen haben naturgemäß eine höhere Frequenz und können sich daher schneller refinanzieren. Grundsätzlich haben sich Smart Stores in den letzten drei Jahren vor allem in folgenden Einsatzgebieten ausgebreitet: Tankstellen, Freizeitparks/Hotels, Hofläden, betriebliche Verpflegung, Campus/Hochschulen/Berufsschulen, als Ergänzung zu klassisch stationärem Handel außerhalb der Öffnungszeiten, in Innenstädten und in ländlichen Regionen.
  • Investitionssumme sauber kalkulieren!
    High-End-Technologien, wie sie z.B. in Grab&Go-Konzepten eingesetzt werden, sind derzeit noch sehr teuer. Es werden etliche Kameras, Gewichtssensoren in den Regalen und eine hochentwickelte KI benötigt, um den Betrieb zu gewährleisten. Das treibt die Investitionssummen nach oben. Daher werden wir solche Stores auch in absehbarer Zeit nur als Pilotmärkte in Hochfrequenzlagen erleben. Für einen Rollout in der Breite müssen die benötigten Technologien günstiger werden.
  • Die Details im Blick haben!
    Stichwort Altersverifikation. Wer in Smart Stores automatisiert alkoholische Getränke oder Zigaretten verkaufen möchte, muss eine Altersabfrage zwischenschalten. Viele bestehende Systeme können dies zwar, jedoch nur bei deutschen Ausweisen. Selbst Ausweisdokumente aus EU-Staaten können nicht gelesen werden, für nicht EU-Staaten gilt das ebenfalls. Das heißt: man kann mit solchen Lösungen eine potenziell attraktive Käuferklientel nicht erreichen. An Standorten mit hohem Anteil ausländischer Kunden kann sich das massiv auf die Umsätze auswirken.
  • Smart Stores als Nahversorger im ländlichen Raum!
    Smart Stores scheinen sich besonders hier anzubieten, denn allein in Deutschland gibt es rund 8.000 unterversorgte ländliche Gebiete. Aber solche Standorte gestalten sich oftmals schwierig, denn niedrige Frequenz trifft hier auf schmales Sortiment und geringe Durchschnittsbons. Aber: Es ist nicht unmöglich! Konzepte wie Tante M machen es derzeit vor. Erfolgsfaktor Nr.1 ist die Minimierung der Investitionskosten. So kann es aussehen: Ein Container, offener Zugang ohne obligatorische Registrierung, Kreditkarte oder Ähnlichem, keine aufwändige KI-gestützte Kameraüberwachung und ein vom Kunden gelernter Checkout mit Self Scanning-Kassen. So lässt sich ein „Smart Store“ auch im ländlichen Raum mit einem Invest von rund 50.000 Euro umsetzen.
  • Hybrid denken!
    Großes Potenzial haben Smart Stores sicherlich in Verbindung mit bereits bestehenden, stationären Shop-Konzepten. Das Können Tankstellen sein, aber auch der klassische LEH  kann hier sein Service-Angebot gezielt in Richtung 24/7 ausweiten, ohne zusätzliche Personalkosten zu generieren. Ein abgespecktes Sortiment mit Artikeln des täglichen Bedarfs und zugeschnitten auf die Bedürfnisse der „späten“ Kunden, kann lukrative Umsätze bringen.
  • Zusatzangebote schaffen!
    Ein Smart Store auf der grünen Wiese oder als Nahversorgerersatz in unterversorgten Regionen braucht Zusatznutzen für den Kunden. Eine angeschlossene Paketstation oder eine Kaffeemaschine für den morgendlichen Latte-to-go können echte Game-Changer sein und zusätzliche Kunden anlocken.
  • Aufwendige Genehmigungsverfahren im Blick behalten!
    Die rechtlichen Hürden, die 24/7-Smart Stores überwinden müssen, sind noch immer recht hoch. Vor allem bei Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen fehlt aufgrund von je nach Bundesland unterschiedlichen Ladenschlussgesetzen sowie dem bundesweiten Sonn- und Feiertagsgesetzt noch die Rechtssicherheit. Das kann den Betrieb gerade an den potenziell umsatzstärksten Tagen einschränken oder ganz unterbinden. Einzelgenehmigungen sind zwar möglich, sind aber mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden.
  • Logistik mitdenken!
    Aufgrund des geringen oder ganz fehlenden Lagerraums muss angelieferte Ware komplett verräumt werden. Übliche Gebindeeinheiten, die auf größere Flächen ausgelegt sind, sind hierfür aber meist ungeeignet. Die Lösung ist eine Stückkommissionierung, wie sie in Drogeriemärkten praktiziert wird.
  • Technologiemüdigkeit berücksichtigen!
    Hightech-Lösungen wir Grab&Go stehen in Deutschland einer höheren Akzeptanzschwelle gegenüber. Laut Tech Compass 2022 ist die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu China, Indien, UK und USA deutlich zurückhaltender gegenüber neuen Technologien. Hauptsorge der Deutsche ist die Angst vor zunehmender Überwachung und dem „gläsernen Kunden“. Das bremst die Skalierung von Grab&Go-Konzepten zusätzlich aus. Daher bieten sich im ersten Step eher Smart Stores an, die mit bereits gelernten Technologien wie z.B. Self-Scanning-Kassen arbeiten. Übrigens: Unter einer Auswahl verschiedener neuer Technologien schätzen 36 Prozent der Deutschen KI als die größte Bedrohung ein.
  • Diebstahlprävention kann herausfordernd sein!
    Während Diebstähle bei Grab&Go oder insbesondere Automated Boxes, bei denen Kunden erst nach dem Bezahlen Zugang zu den Waren erhalten, nahezu ausgeschlossen sind, fehlen Self-Checkout-Stores noch effiziente, praktikable Lösungen zur Diebstahl- und Vandalismusprävention. Hier steht der Betreiber vor der Abwägung, ob das Einziehen höherer Bezahl- und Registrierungshürden für den Kunden mehr Umsatz durch gesunkene Diebstähle rettet, als dass es Shopper grundsätzlich von einem Besuch abschreckt und damit die Umsätze nachhaltig senkt. Auch bei dieser Entscheidung dürfte die Wahl des Standortes entscheidend sein.

Artikel teilen

Gut informiert durch die Krise