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Tönnies Gruppe startet erste bundesweite „Klimaplattform Fleisch“

Der Fleischkonzern Tönnies hat gestern die „Klimaplattform Fleisch“ ins Leben gerufen. Sie soll die regionale Erzeugung auf den landwirtschaftlichen Familienbetrieben stärken und die Klimaleistung der heimischen Erzeuger transparent machen.

Von Mirko Jeschke | Fotos: Tönnies

Im Beisein von rund 1.000 landwirtschaftlichen Partnern sowie hochrangigen Gästen aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik hat die Tönnies Unternehmensgruppe am Mittwoch die erste „Klimaplattform Fleisch“ in Betrieb genommen. Mit dieser Plattform will der Lebensmittelproduzent aus Rheda-Wiedenbrück die regionale Erzeugung auf den landwirtschaftlichen Familienbetrieben stärken und gleichzeitig die Klimaleistung der heimischen Erzeuger transparent machen. Eingebettet war die Vorstellung des neuen Tools in das „Zukunftsforum Landwirtschaft“ im A2-Forum in Rheda-Wiedenbrück.

Eine Woche vor Beginn der 28. UN-Welt-Klimakonferenz in Dubai soll der Start der Klimaplattform der Tönnies Gruppe nachvollziehbare Klimaschutzleistungen der heimischen Landwirtschaft transparent machen. Während am Persischen Golf unter dem Dach der Vereinten Nationen eine Zwischenbilanz der bisherigen Umsetzungen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 gezogen wird, können die heimischen Landwirte laut Tönnies stolz auf ihre Klimaschutzerrungenschaften blicken. „Seit 1990 hat die deutsche Landwirtschaft mehr als 20 Prozent Treibhausgasemissionen bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktionsmenge eingespart“, betonte Dr. Wilhelm Jaeger, Leiter der Stabsstelle Landwirtschaft bei Tönnies, auf dem „Zukunftsforum Landwirtschaft“. Das dürfe aber nur ein Etappenziel sein. „Land- und Fleischwirtschaft wollen gemeinsam den Klimaschutz noch weiter vorantreiben“, stellte er heraus. Die deutsche Lebensmittelproduktion sei eng gekoppelt an eine nachhaltige Nutztierhaltung, sagte Jaeger. „Elementar dafür ist die Kenntnis der Klimawirkung entlang der gesamten Wertschöpfungskette und das Aufzeigen der Verbesserungspotenziale.“

Den Angaben zufolge setzt die Klimaplattform genau dort an: Die Landwirte können sich ab sofort auf der Online-Plattform (www.klimaplattform-fleisch.de) registrieren und dort ihre Betriebsdaten wie Größe, Futter-Komponenten, Stromverbrauch und Co. eingeben. „Alle unsere Erzeuger, die die Plattform nutzen, erhalten nach der Eingabe der Daten zeitnah eine individuell aufbereitete Übersicht der Ergebnisse und können die Werte mit anderen Betrieben vergleichen“, so Franziska Elmerhaus, Projektleiterin in der Stabsstelle Landwirtschaft bei Tönnies. „Anhand der Ergebnisse und Vergleichsmöglichkeiten können Stellschrauben identifiziert werden, um den CO2-Fußabdruck des Betriebs noch weiter zu senken.“ Der Stein sei damit jetzt ins Rollen gekommen. Tönnies strebt mit der Klimaplattform eine einheitliche Branchenlösung an und will dabei alle Marktteilnehmer mitnehmen.

„Auskömmliche Preise für den Erzeuger und bezahlbare Preise für den Verbraucher“

„Wir arbeiten mit rund 11.000 landwirtschaftlichen Betrieben zusammen. Das Ziel von uns, dem Handel und von der Politik muss es sein, die heimische Versorgung mit guten und sicheren Lebensmitteln zu stärken“, erläuterte Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter der Tönnies Gruppe, auf dem Zukunftsforum. „Es ist alles andere als nachhaltig, den Bedarf stattdessen über Importe aus Ländern zu decken, die gerade auch bei der Tierhaltung deutlich unter unserem Standard liegen“, betonte Maximilian Tönnies. „Den Effizienznachteil, den deutsche Bauern oft gegenüber dem weltweiten Wettbewerb haben, gleichen wir durch unsere Effizienz in der Verarbeitung und der Komplettverwertung aller Teile eines Tieres aus. So erreichen wir einen angemessenen Preis für den Erzeuger und gleichzeitig bezahlbare Preise für Verbraucher – mit regional erzeugten Produkten“, sagte er. „Am Ende braucht es auskömmliche Preise für die Erzeuger und gleichzeitig bezahlbare Preise für Verbraucher“, so Clemens Tönnies weiter.

Das Zukunftsforum des Familienunternehmens stand ganz im Zeichen der Stärkung der heimischen Landwirtschaft. „Tag für Tag sorgen Landwirtinnen und Landwirte und die vielen vor- und nachgelagerten Betriebe der Agrar- und Lebensmittelbranche in unserem Land dafür, dass die Regale in den Supermärkten mit frischen und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln aus unseren Regionen gefüllt sind“, so NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen. „Diese starke und regional verankerte Land- und Ernährungswirtschaft brauchen wir auch in Zukunft für Nordrhein-Westfalen. Unser Ziel ist daher die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten“, versprach sie den Landwirtinnen und Landwirten. Dafür brauche es aber auch ein klares Bekenntnis des Bundes für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung.

„Fleisch ist viel besser als sein Ruf und bleibt wichtig für die menschliche Ernährung“

Dr. Hinrich Snell, Leiter des Referats Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), bezeichnete den Umbau der Nutztierhaltung in seinem Vortrag als „eines der zentralen Projekte des BMEL in dieser Wahlperiode“. Dafür seien verschiedene, voneinander unabhängige Bausteine nötig. „Neben der Tierhaltungskennzeichnung betrifft das Änderungen im Baurecht, den Abbau von Hürden im Immissionsschutz und die Auflage eines Bundesprogramms für den Stallumbau, um die Investitionskosten für tiergerechtere Ställe und die laufenden Kosten für eine bessere Haltung zu fördern“, so der Berliner Spitzenbeamte.

Eines der Kernprobleme der deutschen Landwirtschaft und der Fleischproduktion brachte Prof. Dr. Peer Ederer auf den Punkt: „Nicht alles, was oft gesagt wird, stimmt“, sagte der Direktor von GOALSciences. Die Beobachtungsstelle für Nutztierhaltung beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem gesamten Themenspektrum. Sein Fazit: „Fleisch ist viel besser als sein Ruf und bleibt wichtig für die menschliche Ernährung“, betonte Prof. Dr. Ederer. Er appellierte an die Landwirte, selbst rauszugehen und den Dialog zu suchen. „Dazu gilt es, die eigene Argumentation zu schärfen und nötige Innovationen ernsthaft und glaubhaft vorantreiben.“ Die neu geschaffene Klimaplattform sei ein wichtiges Instrument dazu.

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