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USA geben kultiviertes Fleisch für den Verkauf frei

Nach der Zulassung durch die US-Behörden können amerikanische Verbraucher bald kultiviertes Fleisch kaufen. Das Good Food Institute Europe sieht für Deutschland und Europa hier indes noch großen Handlungsbedarf.

Von Mirko Jeschke | Fotos: Stock.adobe.com/HQUALITY

Die Regulierungsbehörden in den Vereinigten Staaten haben den Verkauf von zwei kultivierten Fleischprodukten zugelassen, so dass die Verbraucher in den USA nun Zugang zu diesen nachhaltig hergestellten Fleischprodukten haben. Nach Einschätzung der Nichtregierungsorganisation Good Food Institute Europe, die alternative Proteinquellen vorantreibt, müssen Regierungen in Deutschland und Europa in Forschung und Entwicklung investieren und verlässliche Zulassungsverfahren sicherstellen, damit Europa bei der Zellkultivierung nicht weiter zurückfällt.

Nach Angaben des Good Food Institute Europe hat das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten den Unternehmen Upside Foods und Good Meat die Zulassung erteilt. Das bedeutet, dass ihre Produktionsanlagen die gesetzlichen Normen erfüllen und ihre Produkte nun in den Vereinigten Staaten verkauft werden können. Dies war der letzte Schritt im behördlichen Zulassungsverfahren, nachdem vorher bereits die Behörde FDA die Sicherheit der Produkte für den menschlichen Verzehr bescheinigt hatte. Damit sind die USA das zweite Land nach Singapur, in dem kultiviertes Fleisch für den Verkauf freigegeben ist.

Das Good Food Institute Europe begrüßt diesen Schritt, weißt jedoch darauf hin, dass noch großer Handlungsbedarf besteht, damit die Vorteile von kultiviertem Fleisch für den Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz auch in Deutschland und Europa gehoben werden können. Grundsätzlich habe Deutschland alle Voraussetzungen, um im Bereich Zellkultivierung zu einem globalen Innovationsführer zu werden: eine exzellente Forschungslandschaft mit erstklassigen Hochschulen und weltweit einzigartigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie eine Reihe von vielversprechenden Startups und etablierten Unternehmen aus Lebensmittelwirtschaft und Industrie, die bereits in dem Bereich aktiv sind.

Doch trotz bester Voraussetzungen drohe Deutschland den Anschluss bei dieser Zukunftstechnologie zu verlieren. In den vergangenen zwei Jahren wurden weltweit rund zwei Milliarden Euro in Startups für kultiviertes Fleisch investiert. Auf Deutschland entfielen davon rund zehn Millionen Euro, also etwa 0,5 Prozent der privaten Investitionen in diesem Bereich. Dabei zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass sich das wirtschaftliche und wissenschaftliche Ökosystem für kultiviertes Fleisch dort am besten entwickelt, wo die Politik den Bereich mit öffentlichen Investitionen aktiv entwickelt.

Bruce Friedrich, Präsident des Good Food Institute: „Die weltweite Nachfrage nach Fleisch wird sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln. Bahnbrechende Innovationen wie kultiviertes Fleisch ermöglichen es der Welt, die Proteinproduktion zu diversifizieren und gleichzeitig die Emissionen zu senken, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, die Risiken für die öffentliche Gesundheit zu verringern und Land für die Renaturierung freizumachen. Die Umstellung auf kultiviertes Fleisch und andere alternative Proteine ist genauso wichtig wie der Übergang zu Erneuerbaren Energien. Und genau wie bei den Erneuerbaren Energien sind massive öffentliche Investitionen der Schlüssel dazu, dass diese neuen nachhaltigen Lebensmittel die Breite der Gesellschaft erreichen und neue zukunftsfeste Arbeitsplätze schaffen.”

Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager beim Good Food Institute Europe: „Deutschland und Europa drohen im globalen Rennen um Innovationen für ein nachhaltiges Ernährungssystem zurückzufallen. Die amerikanischen Verbraucher werden bald echtes Hühnerfleisch auf Basis von Zellen probieren können. Wenn wir nicht aufpassen, werden europäische Unternehmen ihre Produkte nicht hier in Europa, sondern zunächst auf der anderen Seite des Atlantiks vermarkten. Deutschland sollte die öffentlichen Investitionen in dem Bereich deutlich erhöhen und auf europäischer Ebene sicherstellen, dass die Zulassungsverfahren verlässlich, transparent und effizient sind — sonst riskieren wir, bei dieser wichtigen Klimaschutzlösung den Anschluss zu verlieren und damit auch wirtschaftliche Chancen zu verpassen.”

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