Herr Müller, was unterscheidet die Markant von Rewe oder Edeka?
Müller: Bei uns kann jedes Mitgliedsunternehmen frei und unabhängig agieren. Unternehmerische Freiheit ist oberstes Gebot.
Können Sie dieses Selbstverständnis näher erläutern?
Müller: Wir waren ursprünglich ein Einkaufskontor, haben aber gemerkt, dass wir uns mit dieser ausschließlichen Rolle selbst einengen. Heute sind wir in vielen Branchen tätig. Etwa im GV-Bereich, in der Großfläche oder bei den Drogisten. Aufgrund der Vielfältigkeit unserer Mitglieder und der daraus folgenden Konzepte können wir keine zentralen Funktionen mehr in den Bereichen Einkauf und Nettopreise übernehmen. Wir bieten ein breites Dienstleistungsportfolio an – von Datenbanken über Rechnungsprüfungen – und unterstützen unsere Mitgliedsunternehmen so gut wir können. Wir tun das im Sinne einer integrierten Markant.
Was verstehen Sie unter einer „integrierten“ Markant?
Müller: Wir wollen integriert sein, was die Prozesse zwischen Industrie und Handel angeht. Um dahin zu kommen, bieten wir Dienstleistungen an, die ein wichtiger Bestandteil von rückwärtigen Prozessen wie Logistik, Rechnungsprüfung, Vertrieb oder Marktforschung sind. Unser Wunsch für die Zukunft ist es, die Industrie dabei noch stärker einzubinden.
Wie wollen Sie das schaffen?
Müller: Das geht nicht mit Druck, sondern nur mit Appellen und natürlich mit einem überzeugenden Dienstleistungsangebot.
Welche konkreten Vorteile können Sie der Industrie bieten?
Müller: Wir haben 43.000 Rechnungsadressen, mehr als 100 Mitglieder, diverse Datenbanken und ein durchgängiges Datenmanagement. Ohne uns müsste die Industrie Tausende von Schnittstellen zu unseren Mitgliedern selbst herstellen.
Die Industrie scheint diese Mehrwerte noch nicht erkannt zu haben. Sonst müssten Sie nicht dafür werben…
Müller: Ich rate der Industrie dazu, einmal einen Blick auf die Automobilindustrie zu werfen. Hier haben die Vorlieferanten erkannt, dass die Prozesse integriert und dadurch optimiert werden können.
Apropos Optimierungen. Hat die Schlecker-Pleite die Markant in einen Optimierungs-Zugzwang versetzt?
Müller: Nein. Auch wenn die Schlecker-Pleite schlimm gewesen ist: Sie hat gezeigt, dass unser Konzept funktioniert. Die Unternehmen, die mit uns kooperieren, haben keine Verluste gemacht. Im Gegenteil.
Welche Unternehmen haben profitiert?
Müller: Rossmann und dm sind die großen Gewinner, etwas abgeschwächt auch Müller. Überraschenderweise hat auch Kaufland gut zugelegt, etwa bei Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln sowie bei Hygienepapieren.
Sie haben eine Kooperation mit Dayli, dem österreichischen Schlecker-Nachfolger immer strikt abgelehnt. Jetzt ist Dayli pleite. Hatten sie Insiderwissen?
Müller: Nein. Wir haben mit Herrn Haberleitner Gespräche geführt, seine Ideen
waren uns allerdings etwas zu illusorisch.
Kann eigentlich jedes Handelsunternehmen bei Ihnen Mitglied werden?
Müller: Grundsätzlich ja. Wenn das Unternehmen eine gewisse Umsatzgröße hat, in unser Konzept passt und die Bereitschaft zur Kooperation besteht sowie die Sicherheit darstellbar ist.
Könnte man seit dem Tegut-Deal nicht eigentlich auch die Migros Zürich zu ihren Mitgliedern zählen?
Müller: Indirekt ja, denn Tegut ist weiterhin Mitglied bei uns.
Hat sich im Rahmen der Kooperation seitdem etwas verändert?
Müller: Nein. Was ich aber sagen kann: Die Migros hat mit Tegut einen schwierigen Umbauprozess vor sich, etwa was die Sortimentspolitik, die Verkaufspreise und den Vertrieb angeht. Dieser Prozess wird einige Zeit dauern. Ich glaube aber, dass die Migros in der Lage ist, Tegut wieder erfolgreich aufzustellen.
In welchen Bereichen würden Sie sich gerne noch stärker aufstellen?
Müller: Bei den Baumärkten und im Nonfood-Sektor sehen wir Potenzial.
- Der Standort Offenburg wird derzeit ausgebaut, obwohl Pfäffikon die Drehscheibe des Geschäfts sein soll. Warum?
Müller: Wir bauen ja nicht den Standort Offenburg aus, sondern die Dienstleistungsfunktionen der Markant Handels und Service GmbH für das europäische Geschäft – eine Querschnittsgesellschaft.
Was heißt das konkret?
Müller: In Offenburg steht das Rechenzentrum und somit die technische Voraussetzung. Das Geschäft muss jedoch im jeweiligen Land passieren.
Das Modell Deutschland wird also sukzessive auf andere Länder übertragen?
Müller: Ja, wir passen erst die nationalen Rahmenbedingungen und Bedarfe an und übertragen dann. Wir wollen keine europäische Standardisierung. Europa lebt in verschiedenen Kulturen, dem müssen wir Rechnung tragen.
Welche Länder haben Sie im Fokus?
Müller: 2014 werden wir Kroatien und Slowenien anpacken. Ansonsten gehen wir zunächst mit unseren Mitgliedern. Wenn alle Mitgliedsländer abgedeckt sind, können wir über weitere potenzielle Länder beraten.
Internationalisierung als Absicherung?
Müller: Absolut. Unsere Mitglieder gehen nun einmal in andere Länder, weil ihr Handelskonzept erfolgreich und multiplizierbar ist oder sie benötigen in diesen Ländern ähnliche Dienstleistungen, wie wir sie hier in Deutschland bieten.
Wo sehen Sie die Markant in 2020?
Müller: Als führende europäische Kooperation, die stark wächst und in 14 bis 15 Ländern vertreten ist – mit einem hohen Durchsatz und dem Ziel, mindestens die dritte Kraft im jeweiligen Markt zu sein. Zudem wünsche ich mir, dass wir das Thema Dienstleistungen in all diesen Ländern möglichst allumfassend bedienen können. In Deutschland sind wir schon sehr weit. In der Schweiz und in Österreich sind wir auch schon etwas weiter, Tschechien hinkt noch hinterher.
Stichwort Glaubwürdigkeit: Skandale, Verbraucherschützer, medialer Fokus – hat die Branche hier ein Problem?
Müller: Ja, leider. Daran sind einzelne schwarze Schafe schuld, aber auch die Medien, die die Food-Branche regelmäßig an den Pranger stellt. Besonders ärgere ich mich über immer wiederkehrende Schlagzeilen zum Thema Preiserhöhungen. Wir reden bei Lebensmitteln immer noch von lediglich zwölf Prozent der Haushaltsausgaben. Über Kostentreiber wie steigende Telekommunikations- und Energiekosten wird in den Medien hingegen kaum berichtet.
Sie haben in diesem Zusammenhang die Initiative One Globe aufgesetzt …
Müller: Wir müssen im Handel viel offener und transparenter werden – dabei wollen wir Vorreiter sein. Konkret bedeutet das: Wir haben damit begonnen, uns als Informationsdienstleister für unsere Partner zu positionieren. Unser Ziel ist es, alle Informationen so zur Verfügung zu stellen, dass unsere Kooperationspartner zum Verbraucher hin transparenter sein können – und zwar ohne großen Aufwand.
Warum stellen Sie das Thema Transparenz ausgerechnet jetzt in den Fokus?
Müller: Transparenz ist zur Notwendigkeit geworden. Das belegen nationale und europäischen Gesetze, die immer detailliertere Regelungen zur Produktkennzeichnung vorschreiben und die Verbraucher, die Transparenz immer mehr einfordern.
Sie wollen Ihren Mitgliedern künftig verlässliche Produktdaten zur Verfügung stellen. Woher beziehen Sie die?
Müller: Von der Industrie. Wir fordern derzeit umfassende Informationen rund um die Produkte ein – Herkunftsangaben, Sicherheitsdatenblätter und Konformitätserklärungen. Bei Verpackungs- oder Produktinformationen gehen wir in Vorleistung und erfassen diese selbst. Hier wünschen wir uns künftig eine bessere, aktive Zusammenarbeit mit der Industrie.
Wo stößt Transparenz an Grenzen?
Müller: Wenn es um Betriebsgeheimnisse geht, etwa bei Rezepturen.
Erst Nachhaltigkeit, jetzt Transparenz, was kommt danach?
Müller: Glaubwürdigkeit. Wer nicht glaubwürdig ist, hat schon verloren.
Transparenz ohne Glaubwürdigkeit – geht das überhaupt?
Müller: Ja, durchaus. Denken Sie nur an die Textilbranche.
Herr Müller, wo stehen Sie in 2020?
Müller: In einem spannenden Umfeld.